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Des Sultans Wille

Des Sultans Wille
(Alain Rischard/editpress)

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Erdogans Sieg verheißt wenig Gutes.

Der Sultan hat seine absolute Mehrheit zurück. Die islamistische AKP konnte ihrem obersten Gebieter Erdogan die im Juni verloren gegangene Sitzmehrheit im Parlament wiederbeschaffen. Damit ist für Erdogan die Welt wieder im Lot, denn wenn sein Großwesir um die Gunst eines Koalitionspartners werben muss, dann ist das nicht zuletzt auch für den Sultan eine Demütigung.
Klare Verhältnisse herrschen nunmehr wieder in der Türkei … und Krieg.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Dass Erdogan seine Generäle von der Kette gelassen hat, um mal wieder die Kurden aufzumischen und damit dem Friedensprozess den Garaus zu machen, lässt für die Zukunft der Türkei wenig Gutes ahnen.

Machthaber, die einen bewaffneten Konflikt anzetteln, um das Volk hinter sich zu einen und die martialisch-nationalistischen Kreise der Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen, sind nicht nur brandgefährlich, sondern allesamt Verbrecher.

Zudem setzt Erdogan offensichtlich alles daran, um endgültig zu beweisen, dass der Ausdruck „gemäßigter Islamist“ grundsätzlich oxymoronischer Natur ist. Sicher, nicht alle Islamisten säbeln ihrem Nächsten beim geringsten Anzeichen von Ungläubigkeit gleich die Rübe ab, doch jeder, der glaubt, dass Gottes Gesetz über dem menschengemachten stehe, ist ipso facto ein Feind der demokratischen Freiheiten.

Denn was bleibt einem Abgeordneten noch zu tun, sobald der Allmächtige seinen allerhöchsten Willen kundzutun geruht hat? Richtig: Maul halten. Und tun, was ihm der Stellvertreter des Herrn hienieden – im vorliegenden Fall Erdogan – zu tun befiehlt.

Und so driftet die Türkei langsam, aber sicher in Richtung einer autoritären Demokratur, in der die demokratischen Freiheiten unaufhaltsam zuschanden gehen und wo von der Demokratie eine zusehends leerere Hülle bleibt. (Gut, liebe „Lezeboia“, wir wissen natürlich auch, dass das Volk hierzulande ebenfalls unter einer Diktatur schmachtet, welche die korrupte, von den Eliten gedungene Politik unter Komplizenschaft der Lügenpresse zum Nachteil der geknechteten 80% ins Werk setzt. Und doch unterstehen wir uns, allein schon die Tatsache, dass ihr eure unsägliche Jauche tagtäglich ungestört im Web ausgießen dürft, als durchaus hinreichende Widerlegung eurer Behauptungen anzusehen.)

Lange galt Erdogan unter europäischen Christkonservativen als einer der ihren, als jemand, der das Bewährte bewahrt und ansonsten für Recht und Ordnung sorgt. Erdogan als eine Art FJS minus Maß und Hax’n, sozusagen. Und auch minus den Rechtsstaat, wie nun immer deutlicher wird.

Die Türkei ist aber für uns Europäer von eminenter Wichtigkeit, wie nicht zuletzt die aktuelle Flüchtlingskrise zeigt. Europa hat ein ausgesprochen hohes Interesse an einer stabilen Türkei. Aber keineswegs an einer, die von einem religiös erleuchteten Despoten beherrscht wird.

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