Doch Tunesien, das Land, in dem der Aufstand gegen die seit Jahrzehnten an der Macht klebenden arabischen Despoten seinen Ausgang nahm, lässt nun wieder Zuversicht aufkeimen.
Wie in Ägypten hatten sich auch in Tunesien bei den ersten freien Wahlen Islamisten durchgesetzt. Die frisch „Befreiten“ nutzten ihr Wahlrecht also, um Leute ans Ruder zu hieven, die ihre neu erworbenen Rechte subito wieder einschränkten. Demokratie und Islamismus sind nun mal zwei Konzepte, die sich gegenseitig ausschließen. Wer der Ansicht ist, dass eh nur eine Art von Gesetzen gelten darf, nämlich jene, die Gott seinem Propheten in die Feder diktiert hat, für den sind auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit fußende Parlamente (im Gegensatz zu pfäffisch dominierten Schwatzbuden) überflüssig wie ein Kropf.
Abschied von der Scharia
Doch die Tunesier scheinen gerade noch einmal die Kurve gekriegt zu haben: Im eigenen Land, aber auch in Ägypten und sogar in der Türkei haben sie erlebt, dass sich Islamisten, solange sie bei Wahlen noch mit ernst zu nehmender politischer Konkurrenz zu rechnen haben, Kreide fressen und alle heiligen demokratischen Eide schwören, nur um, einmal an der Macht, die freiheitlichen Errungenschaften nach dem Verfahren der Salamitaktik wieder einzukassieren.
Zwar bleibt der Islam offiziell Tunesiens Religion, doch gründet die neue Verfassung auf modernen rechtsstaatlichen Prinzipien und nicht auf der von religiös-obskurantistischen Dogmen untermauerten Scharia. Die Rückständigkeit vieler arabischer Gesellschaften findet ihre Hauptursache darin, dass die Frauen als Bürger zweiter Klasse behandelt werden. Wer aus religiöser Verblendung heraus die Hälfte der Bevölkerung daran hindert, ihr intellektuelles, berufliches oder künstlerisches Potenzial auszuschöpfen, der sorgt dafür, dass sein Land auf ewig im Hintertreffen bleibt. Die Tunesierinnen sollen nun sogar die Hälfte der Parlamentsabgeordneten stellen: Eine Regelung, von der ihre Schwestern in der EU bislang nur träumen können.
Während Tunesien also ein Zeichen der Hoffnung setzt, setzt Syrien seinen Abstieg in die Hölle mit jedem Tag fort. Hier ist nun wirklich ein Land dabei, sich – wenn auch mit tatkräftiger Unterstützung aus dem Ausland – selber abzuschaffen. Auch in Syrien stand der Kampf gegen die Diktatur am Ursprung des Aufstandes.
Doch anstatt die Freiheit zu erringen, versinkt das Land nun in einem Abgrund der Barbarei und Entmenschlichung. Und selbst wenn Assad und seine Büttel zweifelsohne Schwerverbrecher sind, so gibt es doch keinen Zweifel, dass unter ihrem Regime das Leben für die meisten Syrer wesentlich leichter zu ertragen war, als dies in einer Al-Kaida-Theokratie jemals der Fall sein könnte.
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