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Der verdorbene Greis

Der verdorbene Greis

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Das italienische Wahlresultat ist gar nicht gut für Europa. Natürlich steht es in einer parlamentarischen Demokratie einzig und allein den Wählern zu, zu bestimmen, wer im neuen Parlament und mithin in der neuen Regierung an den Hebeln der Macht zu sitzen habe.

Aber, wie bereits Winston Churchill mit der ihm (zuweilen) eigenen Pertinenz bemerkte, sei das beste Argument gegen die Demokratie ein fünfminütiges Gespräch mit einem durchschnittlichen Wähler (der gleiche Churchill ist zugegebenermaßen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt für seine Feststellung, dass die Demokratie die schlechteste aller Regierungsformen sei, mit Ausnahme all jener, die darüber hinaus bis dato erprobt worden sind).

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Ein nicht unerheblicher Teil des italienischen Elektorates hat nun also einmal mehr dem verdorbenen Greis Berlusconi sein Vertrauen geschenkt: In einer Ära, in der etliche Zeitgenossen der perfekt idiotischen Fiktion der „Schwarmintelligenz“ nachhängen, haben Berlusconis Wähler – vor dem Hintergrund seines mehr als sinistren „track records“ – erneut zweifelsfrei bewiesen, dass es sehr wohl so etwas wie kollektive Blödheit geben kann.

Die lustigste Pappnase

Nun, mag da vielleicht einer einwenden, sind eine Unzahl von Italienern einst ja schon Mussolini auf den Leim gegangen. Aber als Mussolini 61 war, hing wenigstens seine Leiche kopfüber von einer Tankstelle am Piazzale Loreto in Mailand. Berlusconi dagegen wird mit 76 immer noch wiedergewählt.

Wobei diese Zeilen ja nun gerade nicht einfach den Hass eines linken Eiferers auf einen rechten Demagogen artikulieren. Auch das wirtschaftsliberale Lager (allen voran der Londoner Economist) hat immer wieder davor gewarnt, dass ein Mann wie Berlusconi „unfit“, ungeeignet dazu sei, eine der wichtigsten europäischen Volkswirtschaften und – so sei aus tiefster Überzeugung des hier Schreibenden heraus hinzugefügt – eine der letzten Endes doch herrlichsten Kulturnationen dieser Erde zu führen.

Aber das Problem in Italien heißt ja nun nicht nur Berlusconi: Der Erfolg des Politclowns Grillo ist keinesfalls weniger deprimierend. Er zeigt, dass viele italienische Wähler ihr Kreuz über die herkömmliche Funktionsweise der parlamentarischen Parteiendemokratie gemacht haben. Politik ist für sie kaum noch was Besseres als eine Art Kasperletheater.

Der etablierten Politik – die offensichtlich auch nicht durch „mani pulite“ grundlegend zum Besseren gewendet werden konnte – begegnet man mit grundsätzlichem Zynismus. Und für den Rest wählt man jene Pappnase, die den größtmöglichen Unterhaltungswert zu bieten verspricht.

Grillo will nun je nach Situation, oder aber einfach nach Lust und Laune, mal mit den einen, mal mit den anderen stimmen. Ein bisschen wie die Piraten. Die objektiv besten Alliierten der Rechtspopulisten sind in der Tat die „Egal-wat“-Opportunisten: Wir haben kein Programm, aber wir ziehen es konsequent durch!