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Der Tropf tropft

Der Tropf tropft

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Die Diskussionsrunde im „Casino – Forum d’art contemporain“ hat vor allem eines gezeigt: Es herrscht Reformbedarf. Und zwar dringend.

Denn im Moment scheint unsere Kulturpolitik in der Orientierungslosigkeit zu versinken. Und mit ihr viele Kunst- und Kulturschaffende gleich mit.

Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Diese Orientierungslosigkeit lässt sich relativ leicht erklären: Der Sektor ist schnell, sehr schnell gewachsen. Über die kulturellen Revolutionen, die von 1980 bis heute über Luxemburg fegten, wurde ausreichend geschrieben. Ihre Früchte haben wir jeden Tag vor Augen. Glänzende Früchte. Auch wenn nicht alles, was glänzt, auch Gold ist.
Was in diesen Jahren jedoch vor allem fehlte, und bis heute fehlt, ist die Entwicklung einer klaren kulturpolitischen Zukunftsvision, die es ermöglichen könnte, den politischen Slogan „Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik“ mit Substanz zu füllen. Es fehlt ein klares kulturpolitisches Dach, das die vielen mittlerweile undurchschaubar gewordenen Strukturen des Kulturbetriebs zusammenhält. Es fehlt Transparenz. Besonders beim lieben Geld. Bei der Vergabe von Konventionen und Fördermitteln.

Zumindest Letzteres möchte das Kulturministerium ja nun ändern. Durch eine Bestandsaufnahme der vom Staat subventionierten kulturellen Einrichtungen. Um dann Gelder gerechter zu verteilen, Ressourcen besser einzusetzen und letztendlich den kulturellen Bedürfnissen der Luxemburger Gesellschaft Rechnung zu tragen. Eigentlich lobenswert. Dennoch sind Kunst- und Kulturschaffende durch diese Ankündigungen vor allem eines: verunsichert.

Auch wenn die Maßnahmen des Ministeriums – besonders die Aufkündigung der Konventionen – zu brutal und daher alles andere als diplomatisch waren, wäre es zu leicht, mal wieder dem Ministerium die alleinige Schuld an der allgemeinen Verunsicherung in die Schuhe zu schieben.

Es wäre an den Kunst- und Kulturschaffenden, sich nun zusammenzutun, um über Inhalte zu sprechen. Wenigstens untereinander, bei einem Stamminee zum Beispiel. Stattdessen verlaufen sich viele ihrer Diskussionen auf rein finanziellem Terrain. Man spürt Neid und Misstrauen unter den Künstlern. Sie wirken wie am Tropf, ängstlich, dass es bald nicht mehr tropft aus dem Tropf.

Doch der Tropf tropft. Und er wird auch weiterhin tropfen. Die entscheidende Frage ist nur, wohin wird er tropfen? Und das kann der Kunst- und Kulturschaffende stärker mitbestimmen, als er – eingeschüchtert – vielleicht glaubt. Zumindest kann er verhindern, dass der Tropf ins Leere tropft. Ohne Ideen und Initiativen von außen sind Kulturpolitiker unfähig, das sich immer weiter ausdehnende Kulturuniversum zu gestalten.

Ein Beispiel? Am Wochenende feiern die „Walfer Bicherdeeg“ ihr 20-jähriges Jubiläum. 20 Jahre und von einer klaren Persönlichkeit weit entfernt. Für die einen – die Bananenkistenwühler und Hoppen-Théid-Fans – ein riesengroßes Volksfest, für die anderen – vor allem Verleger und Schriftsteller – eine der wenigen Veranstaltungen, um Literatur und das Buch zu fördern. Hier müssen Entscheidungen fallen. Kauft man noch mehr Bananenkisten – der Vorschlag fiel schon – oder bezahlt man ein, zwei, drei Schriftstellerlesungen mehr?