Zeit zum Einrollen bietet die 102. Tour de France jedenfalls keine, vielmehr geht es gleich mit voll Karacho zur Sache: Ein relativ langes Auftakt-Zeitfahren, Windkantenfahren auf der zweiten Etappe, am Montag Zielankunft an der berühmt-berüchtigten Mauer von Huy und am Dienstag Kopfsteinpflaster-Passagen à la Paris – Roubaix. Das Ganze bei extremer Hitze. Große Zeitabstände könnte es demnach bereits relativ früh geben, noch bevor sich der Tour-Tross am «14 juillet» ins Hochgebirge begibt, um am vorletzten Tag mit der Ersteigung der Serpentinen der Alpe d’Huez seinen absoluten Höhepunkt zu erleben. Für zusätzlichen Nervenkitzel dürfte zudem die Wiedereinführung der Zeitbonifikationen sorgen.
" class="infobox_img" />Philip Michel pmichel@tageblatt.lu
Der Tour-Mythos lebt demnach, er bröckelt mitnichten. Festina, Telekom, Armstrong, Fuentes und Riis – all die Geschichten vom Lug und Trug im Radsport konnten die Faszination für das härteste und bedeutendste Radrennen der Welt nicht brechen. Auch Alberto Contador nicht, dem 2010 (zugunsten von Andy Schleck) der Toursieg wegen Dopings nachträglich aberkannt wurde und der nun wieder zu den Topfavoriten gehört. Genau wie Titelverteidiger Vincenzo Nibali, dessen Team Astana die Rennlizenz wegen zahlreicher Dopingfälle in jüngster Vergangenheit nur auf Bewährung erhielt.
Die permanenten Doping-Schlagzeilen waren auch der vorgeschobene Grund, weshalb das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland, früher stolzer Sponsor des Team Telekom, aus der Tour-Berichterstattung ausstieg. Nach drei Jahren Pause wird nun wieder live übertragen. Zwar mit deutlich weniger Aufwand als noch zu Zeiten von Ullrich, Zabel und Co., aber immerhin. Dass die Rechte an der Tour die ARD weniger kosten als noch 2011, dürfte die Entscheidung zum Wiedereinstieg durchaus beeinflusst haben. Dass Deutschland mit Degenkolb und Co. eine neue Generation von Siegfahrern hat, ebenso.
Es ist die neue Generation von Rennfahrern, der auch die Luxemburger Tour-Starter Gastauer, Jungels und Didier angehören, die Hoffnung macht auf einen anderen, saubereren Radsport. Diese Hoffnung wird genährt von den Anstrengungen der letzten Jahre in der Dopingbekämpfung. Zumindest die Zeiten des systematischen Dopings scheinen dadurch definitiv der Vergangenheit anzugehören.
Jedoch sollte man auch nicht naiv sein. Eine gesunde Portion Skepsis ist bei aller Euphorie angebracht. Die vielen Fälle der letzten Jahre verlangen das. Zudem wird das Problem mit der Zeit auch kaum kleiner, geht es doch im Profi-Radsport genau wie in den meisten anderen populären Sportarten um immer mehr Geld. Und wo es viel zu verdienen gibt, da ist die Versuchung eben nun mal groß, mit unerlaubten Mitteln nachzuhelfen. Zumal den Fahrern im Radsport im Allgemeinen und bei der Tour de France im Speziellen alles abverlangt wird, sie also permanent an ihre körperlichen Grenzen gebracht werden.
Lesen Sie auch:
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können