Headlines

Der Graben wird größer

Der Graben wird größer

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die EU – besser gesagt ihre Vorvorgängerin, die Montanunion – wurde gegründet, um den Frieden in Europa zu sichern. Das klappte bis dato ganz gut. Kriege zwischen Mitgliedsstaaten blieben seit 1945 aus. Den inneren Frieden einiger Mitgliedsländer ist die EU jedoch dabei zu zerstören.

Die von Brüssel aufgezwungenen Sparmaßnahmen haben einigen Ländern soziale Unruhen mit Gewaltausbrüchen beschert. Die Bürger in diesen Staaten fühlen sich zu Recht von der EU und der Politik verraten. Und bei uns?

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

Rund 3.700 Beschäftigte machten am Dienstag ihrem Ärger über die geplante Rentenreform Luft. Am 16. Mai 2009 demonstrierten 30.000 Beschäftigte gegen Sozialabbau. Dreieinhalb Jahre nach der Großkundgebung scheint die Warnung von damals vergessen zu sein. Die Politiker hörten sich die Beschwerden der Demonstranten an … und gingen zur Tagesordnung über. Angesichts solcher Überheblichkeit seitens der Politik gegenüber den Ängsten der Bevölkerung darf es niemanden wundern, wenn der soziale Hausfrieden schief hängt. Die Politiker beschweren sich regelmäßig über mangelndes Interesse aus der Bevölkerung an der Politik. Gehen allerdings Tausende auf die Straße, um ihre Meinung zu sagen, wird nicht auf sie gehört. So wächst der Graben zwischen Gewerkschaften einerseits und Regierung andererseits. Die Gewerkschaften müssen sich jedoch sagen lassen, dass man die Waffen – „alle gewerkschaftlichen Mittel“ – nicht immer nur wetzen kann, sonst sind sie irgendwann abgenutzt und dienen nicht mehr zur Abschreckung.

Die Regierung will bei der Rentenreform „mam Kapp duerch d’Mauer“. So wie bei der Reform des Abtreibungsgesetzes, bei der sie alle Gutachten ignoriert und stur an ihrem erzkonservativen Vorhaben festhält. Der Sozialminister wurde zwar seit der Vorstellung der Pensionsreform nicht müde zu betonen, dass über viele Details geredet werden könne, aber das scheint sich in der Praxis nicht niedergeschlagen zu haben. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Gewerkschaften gegen den Plan des Sozialministers Sturm laufen. Grundsätzlich stimmen die Überlegungen der Regierung: Irgendwann wird das System – wenn nichts unternommen wird – an seine finanziellen Grenzen stoßen. Der Teufel steckt wie immer im Detail, und die Gewerkschaften wurden gestern ihrer Rolle gerecht, indem sie auf eben diese Details aufmerksam machten. Beschäftigte, die ganz besonders schwere Arbeit verrichteten, würden vom neuen System benachteiligt. Sie werden Schwierigkeiten haben, eine volle Rente zu bekommen, denn mit einem kaputten Rücken können manche schon mit Mitte 50 nicht mehr so malochen, wie sie es selber vielleicht noch wollten. Unklar bleibt weiterhin, wie man 65-Jährige in den Betrieben hält, wenn man weiß, dass ein 50-Jähriger heute schon zum alten Eisen gehört und als solches behandelt wird.

Es gibt Alternativen

Auf die bestehenden Probleme (das Pensionssystem ist nur eines davon) kennt unsere Regierung (wie die anderen in der EU) nur eine Antwort, und die lautet: Sozialabbau. Dazu gibt es aber eine Alternative: die Wirtschaft über eine Stärkung der Kaufkraft ankurbeln. Diese Alternative anzunehmen, setzt aber voraus, sich mit ihr auseinanderzusetzen.

Die Beschäftigten werden sich nicht ewig mit Demonstrationen zufriedengeben. Dann wird der Frust die Oberhand gewinnen, und es ist hin mit dem ach so viel gelobten sozialen Frieden im Ländchen.