Richtig gelesen: der hunderteinundsiebzigste Tag! Fast anderthalb Jahre lang schleppt sich dieser Prozess schon durch die Aktualität und droht nun langsam, aber sicher ohne greifbares Ergebnis zu enden.
" class="infobox_img" />Roger Infalt
rinfalt@tageblatt.lu
Was haben wir uns in diesen 171 Tagen nicht alles anhören müssen. Da gab es Politiker, die nichts mehr wissen wollten oder durften, da gab es – zum Teil selbsternannte – Spezialisten, die uns aus Drehbüchern schlecht geschriebener Kriminalfilme vorlasen, es gab Spekulationen von allem Anschein nach psychisch gestörten Menschen, wir erlebten Zeugen, die plötzlich keine Zeugen mehr sein wollten und andere, die nie Zeuge waren, es nun aber plötzlich sein wollten, wir begegneten SREL-Mitgliedern, die ihre Arbeit wenig ernst nahmen, Polizisten und Gendarmen, denen wohl alles wichtiger war als die Untersuchung von Attentaten, wir hörten einen Prinzen, der – rein zufällig – genau einen Tag vor dem Auftritt des damaligen Staatsministers Jacques Santer im Zeugenstand vor auserwählten Journalisten seine Unschuld beteuerte, wir wurden in Stay-Behind-Theorien eingeführt, wir hörten von Kaffeekränzchen, an denen der Staatsanwalt, Prinz oder Prinzen, Gendarmeriebeamte und wer nicht noch alles teilgenommen haben sollen … und wir hörten unzählige Zeugen, die sprachen, ohne etwas zu sagen.
Kopfschütteln
Wir sahen einen tobenden Maître Vogel, eine sich fast täglich ärgernde Verteidigerin Lorang, eine öfter kopfschüttelnde Präsidentin Sylvie Conter, zwei oft ratlos wirkende Vertreter der Staatsanwaltschaft – Georges Oswald und Robert Welter – und wir sahen Zuhörer im Saal, deren Mimik Bände sprach.
Und was ist bis dato bei alledem herausgekommen? Nichts, fast nichts. Auf jeden Fall nichts, was die beiden Angeklagten Scheuer und Wilmes schwer be- oder entlasten könnte. Wir notierten lediglich folgenschwere Kollateralschäden.
Einen sauber ausgeführten Kinnhaken hat zum Beispiel unser Justizsystem einstecken müssen, einen Schlag, der wohl noch lange Jahre schmerzen wird. Die breite Öffentlichkeit hat – zu diesem Zeitpunkt jedenfalls – das Vertrauen in diese Instanz verloren. Das Gleiche gilt für die Polizei und das Militär. Durch die einerseits klamaukartigen, andererseits überheblichen Auftritte ihrer Vertreter vor dem Kadi hat die Glaubwürdigkeit der Uniformierten und der Respekt ihnen gegenüber stark gelitten.
Und nicht zu vergessen ist bei alledem die Staatssicherheit, die nicht etwa nur ein blaues Auge davontrug, sondern mit einem heftigen Nackenschlag niedergestreckt wurde.
Ob das Hoffen auf solche Schäden der Grundgedanke derer war, die diesen Jahrhundertprozess angekurbelt haben, kann nur vermutet werden. Dass dieses nationale Trauerspiel wirklich den oder die Bommeleeër entlarven soll, daran glaubt schon längst keiner mehr. Die Gelder, die dieser Prozess verschlingt, wurden schlussendlich investiert, um auch dem Letzten vor Augen zu führen, wie grottenschlecht hierzulande polizeiliche Ermittlungen geführt wurden und auch noch werden und wie gekonnt der Staat, die Politik, das Militär, der Geheimdienst und die Polizei sich unter einer und derselben Decke zu verstecken wissen.
Würde sich nun in all diesen Dossiers etwas zum Guten wenden, wäre es das Geld wert gewesen.
Doch auch daran – seien wir doch mal ehrlich – glaubt keiner so recht!
Roger Infalt
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