In Luxemburg warten wohl nicht nur die drei derzeitigen Mandatsträger der CSV im Europäischen Parlament darauf, dass sie Gewissheit über ihr vorläufig weiteres politisches Schicksal erhalten. Jetzt, nachdem der „Chef“ platziert ist und definitiv ausgeschlossen hat, dass er für die Christlich-Sozialen hier im Lande auf der Europaliste kandidiert, dürfte bald auch zu erfahren sein, wer neben der selbstproklamierten Spitzenkandidatin Viviane Reding für die CSV in den Europawahlkampf zieht.
Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu
Während der Vorsitzende der EVP, Joseph Daul, in Dublin nicht müde wurde, zu erklären, dass die Wahl des Spitzenkandidaten in der Partei auf sehr demokratische Art und Weise stattgefunden habe, scheint das noch nicht in allen Ästen der konservativen Parteienfamilie angekommen zu sein.
An die abgemachten Spielregeln halten
Es ist ein Experiment, was die großen politischen Gruppierungen für die Europawahlen durchführen, indem sie erstmals den Präsidenten der Europäischen Kommission über die Europawahlen wählen lassen wollen. Im Lissabon-Vertrag ist das nicht vorgesehen. Hier heißt es lediglich, dass der Europäische Rat, also die 28 EU-Staats- und Regierungschefs, bei der Nominierung des Kandidaten für den Brüsseler Posten das Resultat der Wahlen zum EP berücksichtigen müssten. Die EU-Parlamentarier haben aber bereits deutlich gemacht, dass sie dabei nicht umgangen werden könnten, denn sie werden erstmals in der Geschichte dem künftigen EU-Kommissionspräsidenten zustimmen müssen. Vor dem Lissabon-Vertrag durften sie nur über die EU-Kommission als Ganzes abstimmen.
Mit den Wahlen im Mai bestimmen die EU-Bürger also nicht nur ihre Abgeordneten in der europäischen Volksvertretung, sondern auch jene Partei, die den Vorsitz der Brüsseler Behörde übernehmen soll. Dabei mehren sich die Zweifel, ob sich wirklich alle der 28 Staats- und Regierungschefs daran halten werden, wie sich die großen Parteienfamilien das vorgestellt haben. So wird etwa befürchtet, dass sich der britische Premierminister David Cameron, unterstützt von seinen Kollegen aus Schweden und den Niederlanden, diesen Vorstellungen widersetzen könnte. EVP-Spitzenkandidat Juncker hat daher vorsorglich schon in Dublin wissen lassen, dass die EU nicht alles bis ins Detail regeln und sich stattdessen nur um die großen Dinge kümmern solle. Ganz im Sinne des Briten, der, von den Seinen gedrängt, Kompetenzen aus Brüssel zurück auf die Insel holen will.
Der Versuch, die EU-Wahlen mehr zu personalisieren, um damit die seit den ersten Direktwahlen im Jahr 1979 anhaltend schwindende Wahlbeteiligung zu stoppen oder gar umzukehren, ist sicherlich begrüßenswert. Wenn sich denn alle an die ausgemachte Vorgabe halten. Denn sollte am Ende doch jemand in die obere Etage des Kommissionssitzes in Brüssel einziehen, der (oder die) nicht auf der Liste stand, dürfte das Vertrauen in die Europapolitik und ihre Akteure mit Sicherheit einen noch größeren Schaden nehmen, als es die derzeitig weit verbreitete Euroskepsis bereits darstellt.
Das bedeutet aber auch, dass die Briten nicht mit faulen Kompromissen geködert werden dürfen. Denn auch solche würden Ansehen und Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen.
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