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Causa Mersch und kein Ende

Causa Mersch und kein Ende

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Das seit Monaten andauernde Unterfangen, einen vakanten Posten im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) zu besetzen, hat längst das Stadium eines grotesken Schauspiels überschritten. Und doch findet es kein Ende.

Während sich alle darin einig sind, dass in diesen Krisenzeiten die europäischen Institutionen voll funktionsfähig sein müssen, leisten sich die Europäer dennoch den Luxus, mit der EZB gerade ein Schlüsselorgan bei der Bewältigung der Schulden- und Währungskrise unterbesetzt zu halten und es mit einer Personalangelegenheit zu beschäftigen, in der nicht einmal im Ansatz das Problem der Unterrepräsentanz der Frauen in den höheren Sphären der Banker- und Finanzwelt gelöst würde, wenn die Befürworter einer weiblichen Kandidatur für das EZB-Direktorium Genugtuung erhielten.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Denn in keiner einzigen der 27 Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten steht eine Frau an der Spitze. Hier, in den Chefetagen der nationalen Zentralbanken, müsste angesetzt werden, damit bei späteren Nominierungen auf ein Reservoir an Frauen zurückgegriffen werden kann. Jetzt eine Frau für den EZB-Posten zu erzwingen, würde angesichts fehlender Maßnahmen, um auch Frauen in mittleren bis höheren Positionen in den Zentralbanken der Euro-Staaten zu fördern, bloßer Augenwischerei gleichkommen.

Womit nun aber kein Plädoyer für den Kandidaten Yves Mersch folgen wird. Mit dem Präsidenten der Luxemburgischen Zentralbank kann man durchaus nicht einverstanden sein, was seine wirtschaftspolitischen Ansichten anbelangt. Diese wurden während des Prozedere seiner Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments und der anschließenden Abstimmung bloß am Rande kritisiert. Und dies auch nur von wenigen EU-Parlamentariern.

An der Sache vorbei entschieden

Eine Mehrheit der EP-Abgeordneten war, zumindest bei der Anhörung, der Meinung, dass an der Eignung und Erfahrung des Luxemburgers in Währungs- und Bankfragen nichts auszusetzen sei. Die EU-Parlamentarier hatten bei dieser Anhörung auch über nichts anderes zu befinden. Ebenso wenig stand der prozedurale Ablauf der Nominierung hier zur Entscheidung. Mersch wurde aber aus eben solchen Gründen, die nichts mit der Sache zu tun haben, abgelehnt.

Die EU-Parlamentarier haben sich mehrheitlich gegen Yves Mersch ausgesprochen, da er keine Frau ist und der Präsident des Europäischen Rates es nicht fertigbrachte, in einer klaren und knappen Erklärung zu versprechen, dass bei künftigen Nominierungen zu EU-Spitzenposten selbstverständlich Frauen auf der Kandidatenliste stehen werden. Der Streit mit dem EP hätte mit einem solchen Schreiben beigelegt werden können. Luxemburgs Premierminister und Noch-Vorsitzender der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, müsste längst ein klärendes Gespräch mit seinem Kumpel Herman van Rompuy über diesen nicht geleisteten Freundschaftsdienst geführt haben.

Im Rahmen der nun am Montag von Spanien gestoppten schriftlichen Ernennung von Mersch wurde in den letzten Tagen beklagt, dass sich der EU-Rat damit über ein demokratisches Votum hinwegsetzen würde. Das darf der Rat. Zum einen ist das vertraglich so vorgesehen, wobei man dann eher fragen muss, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine Abstimmung abzuhalten, mit der nichts entschieden wird. Zum anderen hat sich das EP nicht zur Sache geäußert, sondern die Geschlechterpolitik innerhalb der europäischen Institutionen thematisiert, was durchaus berechtigt ist, aber dennoch nicht zur Debatte stand.

Beschäftigen könnten sich die EU-Parlamentarier jedoch auch mal mit dem Beweggrund der Spanier, dem Luxemburger Mersch die Zustimmung zu verweigern. Seit Gründung der EZB ist es nämlich für Deutschland, Frankreich, Italien und eben auch Spanien selbstverständlich, dass sie immer im EZB-Direktorium vertreten sind. Die beiden restlichen Posten können sich dann die anderen Euro-Staaten (bislang 13) wohl im Rotationsprinzip teilen. Wie stark ist hier der Sinn des EU-Parlamentariers für eine gerechte Repräsentanz in diesem Gremium ausgeprägt?