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Bitterer Beigeschmack

Bitterer Beigeschmack

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Die Bilder lügen nicht. Der Feudentaumel mit dem die französischen und malischen Truppen in den nunmehr befreiten Städten im Mali begeistert empfangen worden sind, zeigt wie sehr die Menschen in Mali unter dem Joch einer islamistischen Minderheit gelitten haben.

Frankreich ist es demnach gelungen in nicht erwarteter kürzester Zeit die Die Bilder lügen nicht. Der Freudentaumel, mit dem die französischen und malischen Truppen in den von den radikalen Islamisten befreiten Städten Gao, Timbuktu und anderen begeistert empfangen wurden, zeigt, wie sehr die Menschen im Norden Malis gelitten haben. Sie mussten sich einem Scharia-Regime unterwerfen, das ihnen mit Waffengewalt aufgezwungen wurde.

Serge Kennerknecht skennerknecht@tageblatt.lu

Dabei war ihre Befreiung so gar nicht vorgesehen.

Eigentlich waren die Franzosen ja nur ausgezogen, eine Kolonne radikaler Islamisten aufzuhalten, die vom bereits besetzten Norden gegen Süden zog. Weil die Gefahr bestand, dass dann die Hauptstadt Bamako auch in die Hände der Radikalen fallen könnte, rief die malische „Übergangs-Regierung“ Frankreich um Hilfe. Präsident François Hollande kam, sah und stellte fest, dass der Widerstand der Islamisten so groß nicht war. Was vor allen Dingen daran liegt, dass sie untereinander zerstritten sind und auf keinen Rückhalt in der Bevölkerung hoffen können.

Jetzt werden sie also langsam gegen Norden hin zur algerischen Grenze gedrängt, wo ihnen wenig Gefahr droht, da Algerien seiner Linie treu bleiben und nicht in einem anderen Staate eingreifen wird. Es werden Verhandlungen kommen, über politische Lösungen, besonders für den nördlichen Teil des Landes. Und es kommen vielleicht Wahlen.

Das Ganze ähnelt demnach einem erfolgreichen Unterfangen, das Frankreichs Stellung in der Region sicher stärken wird.

Der Schein trügt.

Frankreich war alleine im Einsatz

Denn eigentlich zeigt der Fall Mali, Zielland der Luxemburger Entwicklungspolitik, ein ganz anderes Bild. Ein Bild des Zögerns, der Uneinigkeit. Über sechs Monate hat es gedauert, bis sich die internationale Gemeinschaft bequemte, einzugreifen.

Sechs Monate lang war es den Nachbarländern und auch den Putschisten im Süden des Landes eigentlich mehr als ziemlich egal, dass ihre Mitbürger im Norden unter einem Scharia-Regime leiden mussten. Hätten die Islamisten nicht den Versuch unternommen, gen Süden zu ziehen, wäre wahrscheinlich nicht viel passiert. Sie würden heute noch fest im Norden sitzen.

Mobilisiert wurde nämlich erst, als auch der Süden in Gefahr zu geraten schien. Vorher ließ man es schön langsam angehen. Man verhandelte, die Afrikanische Union bedauerte, die EU will Truppen ausbilden helfen (Afghanistan lässt grüßen), die NATO fühlt sich nicht zuständig, die UNO erteilte der Westafrikanischen Union zwar ein Mandat für eine Einsatztruppe, doch ging das Ganze nur schleppend voran. Vor allen Dingen an finanziellen Mitteln fehlte es. Das soll sich heute auf einer Geberkonferenz in Addis Abeba endlich ändern. 460 Millionen Dollar werden gebraucht. Dann können die neuen Truppen, die auf 6.000 Mann, darunter 2.000 Soldaten aus dem Tschad in Eigenregie, wachsen sollen, allmählich damit beginnen, ihre französischen Soldatenkollegen abzulösen.

Unentschlossenheit, auch anderswo.

Deutschland beteiligt sich an dem von einigen seiner Minister so bezeichneten Kampf gegen den „terroristischen Flächenbrand“ mit zwei Transall-Maschinen, immerhin, Splitterschutzwesten sowie etwas Geld, Italien schickt seine drei angekündigten Flugzeuge schließlich doch nicht nach Mali, Spanien schweigt sich, wie andere auch, beredt aus, Großbritannien bietet logistische Unterstützung, die USA stellen Tankflugzeuge. Und das war’s.

Entgegen aller schulterschlüsslichen Gipfel-Bekundungen, den internationalen Terrorismus stets und überall bekämpfen zu wollen, entgegen aller Bestrebung, die illegale Einwanderung aus Afrika einzudämmen, Frankreich war alleine im Einsatz. Auch wenn der französische Premierminister Jean-Marc Ayrault die „bedeutende logistische und politische Unterstützung der europäischen Partner“ begrüßte: Es gab sie nicht.

Im Falle Mali bietet Europa einmal mehr ein Bild der Zerstrittenheit. Ein klare Linie existiert nicht, sie ist wahrscheinlich von einigen auch nicht gewollt. So gesehen bleibt, ungeachtet des weiteren Geschehens in Mali, bereits jetzt ein doch ziemlich bitterer Beigeschmack.