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Begehrt und verachtet

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Die Regierung bzw. die Ministerin für Chancengleichheit will das Thema Prostitution in die öffentliche Diskussion einbringen und – was die christlich-soziale Politikerin Hetto ehrt – nicht mit Verboten oder Unterdrückung gegen das Phänomen vorgehen, sondern, aufbauend auf Erfahrungen zahlreicher Organisationen im Ausland und auf eine Debatte im Land, die „käufliche Liebe“ so umrahmen, dass sie...

Françoise Hetto hat demnach akzeptiert, was der gesunde Menschenverstand ohnehin diktiert. Dem Phänomen ist, ebenso wenig wie etwa dem Drogenkonsum, nicht mit einer repressiven und verbietenden Strategie beizukommen. Dies wäre nichts anderes als die Zementierung einer durchaus gängigen Doppelmoral; wie sie bei dem Thema allzu oft offensichtlich wird. Die Ministerin setzt andere Prioritäten: Die Sicherheit und die Gesundheit, sowohl der Kunden als auch der horizontal Gewerbetreibenden, sollen garantiert werden, die Prostituierten sollen besser erfasst werden (ob ein Register wie von der „Police grand-ducale“ angestrebt dabei sinnvoll ist, erscheint allerdings fraglich), Programme für Aussteiger(innen) sollen erarbeitet werden.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Dass die Regierung die Prostitution von Minderjährigen bekämpfen will, dem Menschenhandel besser entgegenwirken möchte und den Kampf gegen Gewalt in dem Milieu aufnehmen will, gehört ohnehin zu den Aufgaben eines Staates. Die pragmatische Vorgehensweise impliziert demnach, dass akzeptiert wird, was nicht abzuschaffen ist, und das schon gar nicht in einem Land von der geografischen Größe Luxemburgs.

Besuch im Trierer Bordell

Zahlreiche Kunden von „Freudenmädchen“, die nicht unbedingt in Luxemburg vom Nachbarn beim Bordellbesuch beobachtet werden wollen, besuchen laut Ministerium gerne die Trierer Etablissements. Ob das Risiko hier geringer ist, Bekannte zu treffen, bleibt allerdings fraglich. Immerhin gaben in einer TNS-Ilres-Studie elf Prozent der befragten Männer – aus allen gesellschaftlichen Schichten, verheiratet oder Junggeselle – an, bereits wenigstens einmal bei einer Prostituierten eingekehrt zu sein. Von allen weiblichen Teilnehmern an der Studie (insgesamt 500) räumte übrigens keine einzige ein, jemals die Dienste eines Gigolos in Anspruch genommen zu haben. Dieser Aspekt der Prostitution scheint demnach weit weniger verbreitet zu sein als die umgekehrte Variante.

Bleibt die Frage, weshalb in Luxemburg die „Maisons closes“ Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts verboten wurden, bzw. ob es nicht schlauer wäre, die Bordelle wieder zu erlauben. Hier wären die gesundheitliche Kontrolle und die Garantie der Sicherheit zweifellos besser und effizienter möglich als bei den aktuell gängigen Formen der Prostitution wie dem Straßenstrich, dem Anwerben von Freiern über spezialisierte Zeitungen und Internetdienste etwa.

Selbstredend müsste garantiert werden, dass die organisierte (oder individuelle) Kriminalität, sprich Zuhälter- und Schlepperbanden bzw. einzelne Zuhälter, außen vor bleibt.

Die Debatte ist jedenfalls eröffnet, und allein das ist ein Fortschritt weg von lieb gewonnener Doppelmoral und der Strategie des Wegschauens und Ignorierens eines Phänomens, das die Menschheit seit Jahrtausenden begleitet.