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Anleitung zum Sozialabbau

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Diese Woche war es wieder so weit. Die Europäische Kommission hat ihre wirtschaftlichen Empfehlungen für die 27 EU-Länder vorgelegt.

Auch wenn dieses Jahr sechs Mitgliedsstaaten einen Sparaufschub von zwei Jahren erhalten haben, haben sich die Orientierung und der Grundton der Kommission nicht fundamental geändert. Die Verlängerung der Frist für Frankreich, Spanien, Slowenien, Portugal, Polen und die Niederlande ist kein politischer Schwenk in eine andere Richtung. Das zeigt sich auch ganz gut am Beispiel Luxemburg.

Michelle Cloos mcloos@tageblatt.lu

Vorab erklärt das Brüsseler Papier, dass das Großherzogtum es fertiggebracht hat, die Defizitmarke von drei Prozent in den vergangenen Jahren nicht zu überschreiten und dass der öffentliche Bruttoschuldenstand „weit unter dem im Vertrag vorgesehenen Referenzwert“ liegt. Es gibt demnach keine Grundlage, um Luxemburg eine Anleitung zum Sozialabbau zu überreichen. Also, alles in Butter? Falsch gedacht. Trotz vorbildlichen Einhaltens sämtlicher Engagements lässt die Kommission es sich nicht nehmen, wieder einmal gegen das Luxemburger Indexsystem und die hiesige Rentenpolitik zu wettern.

Die Ende letzten Jahres verabschiedete Rentenreform, die eine erste Demontage des Luxemburger Pensionssystems darstellte, wird als „erster Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet. Will heißen, dass die neue Gesetzgebung noch nicht weit genug geht und dass bei den Pensionen weiter abgebaut werden soll. Die Kommission plädiert dafür, dass die Menschen länger arbeiten sollen, die Rentenanpassungen gedeckelt und die Vorruhestandsregelungen eingeschränkt werden sollen.

Immer wieder der Index

Mit diesen Aussagen dürfte Brüssel in den wirtschaftsliberalen Kreisen in Luxemburg wohl pure Begeisterung und energischen Beifall ernten, doch all jene, denen die Errungenschaften des Luxemburger Sozialstaates am Herzen liegen, dürften wohl entrüstet sein.

Neben den Renten wird auch das andere Steckenpferd der Neoliberalen nicht vergessen: die automatische Anpassung der Löhne an die Inflation zur Erhaltung der Kaufkraft, die ein langsames Ärmer-Werden der Bevölkerung verhindert. Immer wieder wird der Index unter Beschuss genommen, und auch diesmal bleibt die zu erwartende Attacke nicht aus. Die Argumentation jedoch ist fast schon von einer vorzüglichen Dreistigkeit. Im Bericht wird festgestellt, dass Luxemburg eine hohe Produktivität aufweisen kann. Normalerweise wäre dies positiv zu bewerten und ein Grund, sich zu freuen.

Doch Brüssel dreht die Situation einfach um und kalkuliert, dass deswegen „der Spielraum für Produktivitätszuwächse kleiner wird“. Ergo sollte „der Anstieg der Lohnstückkosten begrenzt werden“, so das Papier der Kommission. Auch wird eine „Reform des Systems für die Lohn- und Gehaltsbildung“ nahegelegt.

Konkret heißt das, dass Brüssel sich wünscht, dass die Menschen in Luxemburg weniger verdienen und der Index zumindest manipuliert oder sogar komplett abgeschafft wird. Reflexionen über die Vorteile des sozialen Friedens oder den garantierten Kaufkrafterhalt der Lohnempfänger sucht man wie üblich vergebens.

Wäre die Produktivität des Landes allerdings weniger hoch, dann würde die EU-Kommission dies sicherlich als Argumentationsbasis nutzen, um dennoch genau die gleiche Empfehlung auszusprechen.

Schlussfolgerung? Unabhängig davon, wie die reale Situation aussieht, die Kommission wird Luxemburg jedes Jahr die gleichen, schwachsinnigen Empfehlungen vorlegen und damit den neoliberalen Kräften hierzulande in die Hände spielen.