Die politische Diskussion ist zumeist ohne Tiefgang: Man interessiert sich kaum für den Kontext und die Alternativen, wenn die Leader sich und ihr Ding in den Medien zu verkaufen wissen.
Wir können von Glück reden, dass das Land wirtschaftlich so gut über die Runden kommt. Die Nachbarn und Partner sahen lange über die Vorteile hinweg, die wir uns in der Europäischen Union verschaffen konnten, indem die jeweiligen Regierungen dem globalen Business das günstigere Regelwerk boten, z.B. in Sachen Versteuerung der Gewinne. Aber damit geht es zu Ende.
Luxemburg und die Luxemburger Bevölkerung, rund 560.000 Menschen (zum Vergleich: EU 507 Millionen, Großraum Paris 12,3 Millionen, Lothringen 2,3 Millionen, Brüssel 1,2 Millionen, Saarland 1 Million, Köln 1 Million, Straßburg 760.000, Frankfurt/Main 710.000 …), müssen sich auf härtere Zeiten einstellen. Wir brauchen, um im gnadenlosen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Umfeld zu bestehen, mehr Gewicht als noch gegenwärtig.
Mehr Gewicht: Weil uns in der Disziplin „schiere Größe“ die Masse fehlt, muss alle Politik in Richtung Qualität zielen. Viel weniger als die andern kann dieses so klein geratene Land (die Mächte, die es im 19. Jahrhundert schufen, zogen die Grenzen so, wie es ihnen gerade passte) sich Fehler bei seiner Zukunftsgestaltung leisten.
Jedem, dessen Kopf Vorrang vor dem Bauch hat, leuchtet natürlich ein, dass der demografischen Entwicklung vorzugreifen ist. In wenigen Jahren wird die Zahl der ausländischen Wohnbevölkerung die Zahl der Stockluxemburger (was auch immer man darunter verstehen mag) übertreffen. Das geschieht durchaus zum wirtschaftlichen Wohl der Allgemeinheit, sofern der Staat seine Rolle als Umverteiler des geschaffenen Reichtums erfüllen kann.
Ist im Ernst vorstellbar, dass ein solcher Sozialstaat allein in der «nationalluxemburgischen» Gemeinschaft die Kraft zum Überleben fände? Rät nicht der vorausschauende Verstand dazu, über die klassischen Einbürgerungen hinaus möglichst zahlreiche hier ansässige, an der Landespolitik interessierte Nicht-Luxemburger zu den politischen Wahlen einzuladen?
Kann der Verweis darauf, dass es ein solches Wahlrecht im übrigen Europa nicht gibt, ein Argument für die Verweigerung sein, wo doch im übrigen Europa nirgends eine Luxemburg ähnliche Situation gegeben ist?
Wir sind, liebe Landsleute, doch zum kreativen politischen Denken fähig, wir Luxemburger, die wir so gern die Franzosen, die Belgier, die Deutschen und überhaupt alle belehren, nicht wahr!
Also packen wir die wunderbare Gelegenheit beim Schopf, um am 7. Juni Europa und die Welt mit mutigen Schritten zur Erneuerung und gleichzeitigen Festigung unserer Demokratie zu überraschen. Wir sind ja nicht die Schmarotzer, als die wir wegen LuxLeaks und anderer Praktiken in der Presse gelten.
Wir sind die, welche die politische Klasse dazu zwingt, ihr Personal auf Ministerebene spätestens nach zehn Jahren Amtszeit auszuwechseln, wir sind die, die den 16- und 17-Jährigen das Wahlrecht anvertrauen, wenn sie sich darum bemühen, wir sind die, die Ausländern das Stimmrecht für die Kammerwahl geben, wenn sie es nach zehn Jahren im Land und nach einer Beteiligung an der Europawahl beantragen. Ja, das sind wir, die zukunftsfrohen Luxemburger! «I have a dream», sagte Luther King von seinem Amerika. We have a dream, wir fortschrittlichen Luxemburger.
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