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An die Demut der CSV

An die Demut der CSV
(Tageblatt/Alain Rischard)

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Das von der Regierungskoalition geplante und vom Parlament ausgearbeitete Referendum erregt die Gemüter der CSV.

Sie spricht von politischem Unfug, gar von Hypokrisie und montiert einen gewagten Unterschied zwischen einem 80-20- oder 49-51-Resultat.

Logo" class="infobox_img" />Außenminister Jean Asselborn. (Bild: Fabrizio Pizzolante)

Die CSV ist und bleibt die CSV. Sie ist das Gewissen des Landes, sie ist die einzig wahrhaftige Partei, die allein selig machende Staatsmacht. So wenigstens sieht sie sich. Auch für die Zukunft.

Manche Politiker dieser Partei haben Großes geleistet, manch andere haben Fehler gemacht, so wie wir alle auf dem Parkett der irdischen Politbühne. In der 2. Dekade des 21. Jahrhunderts wird die CSV es nicht mehr hinkriegen, kundzutun, dass sie die eigentlich einzige Referenz für politisches Denken und Handeln in unserem Lande ist.

So wäre es ein kapitaler Fehler, wenn die Christlich-Sozialen weiter vom Gedanken getrieben würden, dass alles, was sich im Land tut, entweder mit ihr oder gegen sie einzuordnen sei.

Diese Selbstherrlichkeit fußt auf Selbstüberschätzung – eine Qualität, die den Bürger zu Recht abschreckt.

Die CSV nennt das Referendum überflüssig, unprofessionell vorbereitet, hypokritisch.
– In Brasilien waren am Sonntag Wahlen.
Alle 16-jährigen Bürger konnten bei Interessensbekundung an der Wahl teilnehmen, dies ohne, dass eine Demokratie von mehr als 200 Millionen Menschen Schaden erlitten hätte. Es kann also nicht hypokritisch und überflüssig sein, auch in Luxemburg den jungen Menschen diese Öffnung zu mehr demokratischer Mitbestimmung zukommen zu lassen.

– In Sachen Ausländerwahlrecht passt der vom Parlament ausgearbeitete Vorschlag. Es ist kein Bradieren unseres Wahlrechts angesagt, sondern eine notwendige Öffnung für Menschen, die längere Zeit im Land leben und zu unserem Wohlstand beitragen.

Zickzackkurs

Sollte jemand die Parteigeschichte der CSV in den letzten 20 Jahren analysieren, wird er feststellen, dass diese Partei einen regelrechten Zickzackkurs in Sachen doppelter Nationalität und Residenzzeiten für Ausländer fuhr. Lange war sie strikt gegen die doppelte Nationalität – dann hat sie auf erhöhte Residenzklauseln gesetzt um jetzt die doppelte Staatsbürgerschaft und kürzere Residenzdauer als Lösung für die Tatsache zu verteidigen, dass nur noch etwa 50% der Bürger unseres Landes sich demokratisch in den Parlamentswahlen einbringen können. Es wird keine Schlammschlacht, kein Rassismus, keine Xenophobie geschürt werden, wenn dies nicht von der CSV gewollt und provoziert wird.
Die paar populistischen Rundumschläge sind irrelevant.

– In der Frage der Begrenzung auf zwei Mandatsperioden in der Regierung ist Unterzeichneter kein gutes Beispiel. Der Wähler weiß es zu richten.

– Die Frage der Gehälter des Klerus ist zu beantworten. Auch im Interesse der Kirche. In der Sache ist die luxemburgische Kirche zum Beispiel für eine Öffnung des Wahlrechts auf ausländische Mitbürger, sie ist aber entschieden gegen die Abtreibung, ebenso gegen die Heirat von Homosexuellen oder das Sterbehilfegesetz. Dies alles ist selbstverständlich ihr gutes Recht aus religiöser und kirchlicher Sicht.

Es ist allerdings sehr schwierig, gar unglaubwürdig, vom Staat sein Gehalt zu beziehen und diesen Staat zur gleichen Zeit in fundamentalen Fragen der gesellschaftlichen Reformen zu kritisieren und seine Gesetze abzulehnen. Die Freiheit der Kirche hat einen Preis. Die Freiheitlichkeit der Gesellschaft auch. So ist die Laizität unabdingbar. Laizität heißt einerseits Respekt vor allen Kirchen und Religionen. Andererseits erfordert sie Toleranz von allen Kirchen und Religionen für Andersdenkende. Nicht mehr und nicht weniger.

Die größte Partei Luxemburgs sollte sich nicht selbst als Eckstein des Referendums betrachten. Es geht um mehr. Das Demokratieverständnis in unserem Lande ist ausgeprägter, mündiger und offener als nur auf lästige Parteipolemik zu setzen.

(Jean Asselborn*)

*der Autor ist Außenminister und LSAP-Mitglied