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Am falschen Ende sparen

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Die erste Verhandlungsrunde über den mehrjährigen Finanzplan der Europäischen Union haben die EU-Staaten mit einer Pattsituation abgeschlossen.

Erst im Februar werden sie sich wieder mit dem Haushalt ihrer Union für die Jahre 2014 bis 2020 beschäftigen. Mit wenig Aussichten, dass dabei etwas Gescheiteres herauskommen könnte. Man hat zuweilen den Eindruck, als wollten so manche der 27, wenn es um die finanzielle Ausstattung geht, doch eigentlich nicht so viel mit dieser Union zu tun haben. Als sähen sie sich dazu veranlasst, deutliche Grenzen zu ziehen zwischen sich, dem Nationalstaat und dieser supranationalen Organisation, der sie zwar angehören, die aber offenbar nicht zu ihren ersten Prioritäten zählt.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Insofern soll sie auch bei der Festlegung des Budgets nachrangig behandelt werden. Dabei wird gerne auf die heimischen Sparzwänge verwiesen, von denen nun die EU nicht verschont werden könnte. Wobei jedoch geflissentlich unterschlagen wird, dass die EU keinen einzigen Euro Schulden aufzuweisen hat. Es sind die EU-Staaten, die sich durch die von den Banken ausgelöste Finanzkrise in eine Schuldensituation haben hineinmanövrieren lassen, die sie offenbar nur durch Sparen gewillt sind zu lösen. Ob an diesem Sparkurs bis zum Jahre 2020 festgehalten werden soll, kann keines der EU-Länder vernünftigerweise heute vorhersagen. Wohl aber haben vor allem Deutschland und Großbritannien kein Problem damit, die EU bis dahin finanziell an der kurzen Leine zu halten.

Nettozahler sind auch Empfänger

Das hat weniger mit Vorausschau zu tun als vielmehr mit zeitgeistigem, möglicherweise auch kleingeistigem Herummanövrieren auf dem nationalpolitischen Schachbrett. Denn keinem EU-Staat wird es besser gehen, wenn Brüssel weniger in der Kasse hat. Im Gegenteil: Da das allermeiste Geld über den EU-Haushalt wieder zurück in die Mitgliedstaaten fließt, ist so manches Land in dem einen oder anderen Bereich eher auf die Zuwendungen aus Brüssel angewiesen. Und es setzt sich allmählich auch die Erkenntnis durch, dass die Empfängerländer nicht die einzigen sind, die von dem Brüsseler Geldsegen profitieren. Indirekt sind auch die sich gerne als Nettozahler bezeichnenden EU-Staaten Nutznießer des gemeinsamen Budgets, dann nämlich, wenn ihre Unternehmen die Aufträge einfahren, die die sogenannten Empfängerländer im Rahmen der ihnen gewährten Strukturhilfen vergeben.

Mittlerweile haben die Sparer unter den 27 auch die EU-Verwaltung als ein offenbar höchst ergiebiges Ziel ihrer Streichvorhaben entdeckt. Damit lässt sich beim heimischen Publikum immer punkten, wenn sich da wer an die fetten Gehälter der Brüsseler Bürokraten heranmacht. Dass auch das mit einem Schuss ins eigene Knie enden könnte, kommt noch niemandem in den Sinn. Denn allmählich zeigen bereits vor Jahren begonnene „Verwaltungsreformen“, die auch vor den Gehältern der EU-Beamten nicht haltgemacht haben, negative Auswirkungen. Bei NATO und UNO wird besser verdient als bei der EU. Einige Dienststellen der Union haben bereits Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden. Am EU-Standort Luxemburg verdienen manche Bedienstete laut Gewerkschaftsangaben bereits weniger als den gültigen heimischen Mindestlohn. Es stellt sich daher die Frage, welche Verwaltung die Europäer wollen, der sie ihr Geld anvertrauen, damit die für den Kontinent nötigen Politiken umgesetzt werden können. Wie gut darf der Beamtenapparat sein, der sich in Verhandlungen mit US-amerikanischen oder chinesischen Behörden für Europa behaupten muss?