Dass die griechischen Behörden so lange dazu brauchten, muss man ihnen zur furchtbaren Schande anrechnen.
Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass die heutige griechische Republik in keiner Weise als Erbe der (im Rückblick gemeinhin ohne Rücksicht auf Verluste idealisierten) klassischen Hellenen zu betrachten ist, dann erbringt ihn diese ausgesprochen traurige und widerwärtige Entwicklung um das „Morgenröte“-Ungeziefer.
Wieso? Nun, alle Nazis sind grundsätzlich Mörder. Seien sie jene, die selbst den Knüppel schwingen oder die Zyklon-B-Zufuhr aktivieren, seien sie die Schreibtischtäter oder die militärischen Befehlshaber.
In seiner berühmten „I have a dream“-Rede hatte Martin Luther King vor 50 Jahren unter anderem die Hoffnung geäußert, dass seine Kinder und Enkel dereinst nicht nach dem beurteilt werden, was sie sind, sondern vielmehr nach dem, was sie tun.
Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu
Damit ich sei, darfst du nicht sein
Und genau darum geht es: Der Wert eines Menschen bemisst sich nicht danach, ob er dunkler Hautfarbe, Linkshänder, jüdischer Abstammung oder Schuhgröße 42 ist oder nicht, sondern vielmehr danach, ob er rücksichtsvoll und solidarisch, ehrlich und ehrbar handelt oder nicht.
Das humanistische Ideal schlechthin ist jenes der Solidarität: Die Zukunft der Menschheit kann nur dann eine glückliche sein, wenn wir gemeinsam versuchen, die Probleme, die sich vor uns unendlich hoch auftürmen – seien sie sozialer, wirtschaftlicher, kultureller, medizinischer oder ökologischer Natur –, zu bewältigen.
Die Nazis dagegen versprechen ihren Anhängern, dass ihre Welt eine bessere sein wird, sobald gewisse Kategorien von Menschen – oder in ihrem eigenen Jargon „Untermenschen“ – vernichtet sein werden.
Wobei die körperlich tüchtigeren dieser Menschen bis zu ihrer Ermordung als Sklaven auszubeuten sind. In Auschwitz wurde dieses Prinzip vordemonstriert: Entweder „Vernichtung durch Arbeit“ oder eben gleich Gaskammer.
Der Nazi kann nur sein, wenn andere Menschen nicht sind. Der Nazi ist daher grundsätzlich und notwendigerweise ein Mörder.
Das Aufleuchten der barbarischen „Morgenröte“ in Griechenland ist aber kein Zufall: Sie zeigt eindrücklich, wie man mit der Ideologie der Austerität nicht nur Staaten kaputtsparen, sondern ganze Armeen von Menschen seelisch zerstören und verderben kann.
Die Zeiten der Verarmung sind klassischerweise Zeiten, in denen immer mehr Menschen glauben, sich dadurch auf die Sonnenseite retten zu können, indem sie den „Anderen“, nämlich den Schwarze, den Juden, den Schwulen oder den Linken, „fräckt schloen“.
Das Trauerspiel um „Chrysi Avgi“ zeigt, dass der größte Erfolg der Kaputtsparer letztendlich darin besteht, dass immer breitere Kreise der europäischen Gesellschaften den TGV zurück in die Barbarei nehmen.
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