Headlines

85 kleine Milliardäre

85 kleine Milliardäre

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Alle 85 passen in einen Doppeldeckerbus, meinte gestern die britische Tageszeitung The Guardian in einem Artikel über die neueste Studie der Nichtregierungsorganisation Oxfam über die Verteilung des Vermögens.

Unglaubliche 85 Personen sind gemeinsam so reich wie die 3,5 Milliarden ärmsten Menschen der Welt zusammen.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt 110 Billionen US-Dollar.

Zum Vergleich: Mehr als 305 Milliarden Euro ist in etwa die Summe, die der Private-Banking-Sektor in Luxemburg verwaltet. Ob überhaupt ein Euro davon den reichsten 1 Prozent der Weltbevölkerung gehört, ist – Bankgeheimnis oblige – nicht bekannt. Man darf allerdings davon ausgehen, dass das allermeiste Geld davon nicht unter diese Kategorie fällt, da die sogenannten Ultra High Net Worth Individuals (UHNWI) nicht zu der traditionellen Klientel des Bankenplatzes gehören. Jedenfalls bis jetzt noch nicht.

Mit der Einführung des automatischen Informationsaustauschs will der hiesige Private-Banking-Sektor jedoch vermehrt UHNWI – also Personen mit einem Vermögen über 30 Millionen Dollar und nicht den schnöden „Zahnarzt“ aus Belgien – dazu verlocken, ihr Geld in Luxemburg verwalten zu lassen.

Es stellt sich natürlich die Frage nach dem gerechten Lohn und der Vermögensverteilung. Die beiden Debatten mögen hie und da auch in der westlichen Gesellschaft geführt werden, kommen jedoch nicht so richtig in Gang. Dies, obwohl die Schere zwischen Arm und Reich in den Vorkrisenjahren bereits deutlich aufgegangen war. Seit Beginn der Krise hat sich dieses Phänomen – vor allem in den entwickelten Ländern – noch weiter verschärft.

Die Zahlen, um die es geht, sind eigentlich der Öffentlichkeit bekannt. Der Oxfam-Aufschrei beruft sich u.a. auf den „Global Wealth Report“ der Credit Suisse und die Studien von Joseph Stiglitz, die bereits an dieser Stelle mehrfach aufgegriffen wurden.

Neu ist allerdings, dass Oxfam nicht nur darauf hinweist, dass das Wirtschafts- und Finanzsystem allen voran den Milliardären zum Vorteil gereicht. Es ist vor allem die politische Macht, die Vermögen dieser astronomischen Größenordnung gewährt, die angeprangert wird. Mit anderen Worten, es geht um die Tyrannei einer klitzekleinen Minderheit. Man spürt sie und sieht diese nicht direkt, aber sie ist real.

Die Art und Weise, wie diese Super-Vermögen zustande kommen, ist oft genug sogar wirtschaftsschädigend. Der angeblich reichste Mensch der Welt, Carlos Slim (rund 70 Milliarden Dollar schwer), verdient nicht etwa damit Geld, dass er ein Telekommunikations-Unternehmen in Mexiko besitzt, sondern damit, dass dieses ein Quasimonopol für das Fest- und Handynetz sowie für die Breitbandnetze hat.

Davos macht sich Sorgen um sich selbst

Die Veröffentlichung der Studie kommt natürlich zu einem passenden Zeitpunkt. Morgen beginnt das Weltwirtschaftsforum in Davos. Man braucht nicht einmal gespannt darauf zu sein, wie die Weltverbesserungsrhetorik diesmal ausfällt. Vor der Krise wurde der Weltbevölkerung in dem heimeligen Luxus-Skiresort stets ein besseres Leben durch Wirtschaftswachstum versprochen. Mittlerweile tut man in Davos so, als sei man arg besorgt um das klaffende Gefälle zwischen den einigen wenigen und dem Rest der Welt.

Vielleicht ist das besorgte Getue auch berechtigt. Wer weiß, ob und wie lange diese ungerechte Verteilung ungestraft aufrechterhalten bleibt. Da es diesen Winter allerdings nicht wirklich danach aussieht, als ob sich etwas Wesentliches ändern wird, braucht keiner der „85“, die nach Davos fahren sollten, den Doppeldeckerbus zu nehmen.