Es wirkte wie eine professionelle TV-Sendung, als der französische Rennstall Cofidis am 8. Januar seine neue Mannschaft über YouTube vorstellte. Ein technisch hochwertig ausgestattetes Studio, ein Moderator, der durch das Programm führt, und Einspieler, die zu den auf dem Plateau besprochenen Themen passend eingeblendet wurden. Es wirkte eingespielt und doch verlief die Teampräsentation, wie so vieles in den letzten Monaten, aufgrund des Coronavirus anders. Wie viele andere WorldTour-Teams auch, lud Cofidis Medienvertreter ein, über die sozialen Netzwerke an der Präsentation teilzunehmen.
Der französische Journalist Denis Brogniart führte durch die Sendung und begann an der Seite von Teamchef Thierry Vittu und Manager Cédric Vasseur mit einem Rückblick auf 2020. Das vergangene Jahr stimmte das französische Duo, das sich an der Spitze von Cofidis befindet, allerdings wenig positiv. „Ich bin enttäuscht über das letzte Jahr“, erklärt Vittu. „Wir haben nicht die Ziele erreicht, die wir uns vorgenommen haben. Wir waren über die Saison nicht konstant genug und konnten auch deswegen nur zwei Siege einfahren.“ Cofidis, das von 2010 bis zum Ende der Saison 2019 in der ProTour vertreten war, gab erst im letzten Jahr sein Comeback in der WorldTour. „Wir haben dennoch mehr erwartet. Es war eine ungewöhnliche Saison“, resümierte Vittu, der dann auch zu verstehen gab, dass die Mannschaft Schwierigkeiten während des „Confinement“ gehabt habe.
Die Mannschaft gehörte aufgrund ihrer Teilnahme im vergangenen Februar an der UAE Tour (2.UWT) zu den ersten betroffenen Teams, die sich isolieren mussten. „Wir hatten noch nicht viele Kenntnisse über das Virus und konnten auch nicht ganz verstehen, warum wir in Quarantäne geschickt wurden“, sagte der Franzose bei der Teamvorstellung. Wie dramatisch die Situation damals war, erklärte er während der Quarantäne im Hotel. „Wir werden gegen unseren Willen an einem Ort festgehalten, den wir nicht ausgewählt haben – und das für eine unbekannte Zeitspanne. Wenn wir jemanden aus dem Hotel auf dem Flur treffen, rennt er weg. Wir werden wie Pestopfer behandelt“, sagte Vittu damals.
Platz 15 im UCI-Ranking
Nach einem problematischen Start in die Saison fand Cofidis nie richtig in die Spur. Zwei Siege stehen am Ende des Jahres zu Buche, Rang 19 im UCI Team Ranking. In diesem Jahr soll vieles besser werden. „Das Hauptziel 2021 ist ein Etappensieg bei der Tour. Des Weiteren müssen wir als WorldTour-Team 20 Siege einfahren und 5.000 UCI-Punkte einfahren“, erklärte Vasseur. Ausgesprochenes Ziel ist es also, Platz 15 im UCI-Ranking zu erreichen. Dafür hat sich das Team in einem gemeinsamen Trainingslager in Saint-Aygulf (F) vorbereitet, aktuell befindet sich die Equipe noch bis zum 22. Januar in einem weiteren Trainingslager in Benidorm (E). Dort sollen dann unter anderem die beiden Hoffnungsträger fit gemacht werden. Elia Viviani soll für Etappensiege bei Sprintankünften sorgen, Guillaume Martin fokussiert sich auf das Gesamtklassement der Tour de France.
Ich komme von großen Teams und habe viel Erfahrung. Was ich sage, wird hier wertgeschätzt.
Bei der Teampräsentation war neben den Leadern des Teams Guillaume Martin und Elia Viviani auch der luxemburgische Neuzugang Jempy Drucker eingeladen. Der 34-Jährige wurde vor allem verpflichtet, um Viviani bei den Sprinankünften zu helfen, aber auch um seine Erfahrung den jüngeren Radsportlern weiterzugeben. „Du brauchst Erfahrung und musst das Rennen lesen können, vor allem in den letzten Kilometern“, sagt Drucker bei der Vorstellung des Teams. „Ich bin aufgeregt, mit Elia arbeiten zu dürfen. Er ist immerhin einer der besten Sprinter der Welt.“ Die Position im Zug sei für Drucker noch nicht festgelegt, doch er weiß: „Es ist wichtig, dass Elia schnell Erfolge feiert, um das letzte Jahr zu vergessen. Meine Rolle ist eben auch, ihm schnell Vertrauen zu geben.“
Mit Simon Geschke (34), Rubén Fernàndez (29) und Drucker hat Vasseur erfahrene WorldTour-Profis verpflichtet. „Wir müssen neue Talente finden und sie zum höchsten Level bringen. Fernandez ist schon für Alejandro Valverde oder Nairo Quintana gefahren, Drucker hat für Sagan gearbeitet. Das sind sehr erfahrene Fahrer“, erklärt Vasseur.
20 Siege für 2021
Seit dem Trainingslager im Dezember befindet sich Drucker also im engeren Austausch mit seinen Mannschaftskollegen. Für ihn persönlich werden erneut die Frühjahrsklassiker im Fokus stehen. „Das sind eben die Rennen, die mir am Herzen liegen und bei denen ich mich am wohlsten fühle“, erklärte er gestern gegenüber dem Tageblatt. „Doch für uns ist jedes Rennen wichtig. Das Ziel ist ganz klar, mehr Siege einzufahren.“ Bereits im letzten Jahr bewies Drucker, dass er bei den großen Rennen vorne mitfahren kann. „Wir haben auch für diese Rennen eine gute Mannschaft. Sie sind sehr speziell, denn jeden Moment kann irgendwas passieren, was die ganze Taktik über den Haufen wirft. Wir werden keinen Leader am Start stehen haben, der auf Sieg fahren wird. Ich bin mir aber sicher, dass wir auch im Finale dieser Rennen dabei sein können.“
Drucker schätzt sich glücklich, bei einer traditionsreichen Mannschaft mit einer langen Geschichte zu sein. Nun will der 34-Jährige, der seit 2015 in der WorldTour für BMC und Bora-hansgrohe aktiv war, sein Wissen weitergeben. „Ich komme von großen Teams und habe viel Erfahrung. Was ich sage, wird hier wertgeschätzt. Ich komme sehr gut mit dieser Rolle zurecht.“ Drucker wünscht sich, in dieser Saison verletzungsfrei und unbeschwert zu bleiben – und dass er etwas mehr Glück auf seiner Seite hat. Neben den Frühjahrsklassikern wird er dann auch noch eine Grand-Tour bestreiten. Welche, das wusste Drucker gestern noch nicht. „Es ist noch zu früh, um die großen Rundfahrten zu planen. Aber ja, es könnte auch die Tour sein.“ Durch seine Position im Sprintzug von Elia Viviani wird sicher auch einiges vom Rennprogramm des Italieners abhängig sein. Der Sprinter wird sich bald zwischen Giro und Tour entscheiden müssen. Zwar würden die Verantwortlichen von Cofidis ihn gerne bei der Tour sehen, er persönlich neigt jedoch zur Italien-Rundfahrt, um bei den Olympischen Spielen frisch zu sein. Würde Drucker die Tour angehen, wäre es dann für ihn eine ungewohnt neue Situation: denn trotz seiner ganzen Erfahrung würde der Luxemburger dann zum ersten Mal an den Start der „Grande Boucle“ gehen.
Im Überblick
Kader: Piet Allegaert, Kenneth Vanbilsen, Jelle Wallays (alle B), Fernando Barceló, Rubén Fernández, Jesús Herrada, José Herrada (alle E), Natnael Berhane (ERI), Tom Bohli (CH), Andre Carvalho (POR), Thomas Champion, Nicolas Edet, Eddy Finé, Victor Lafay, Christophe Laporte, Guillaume Martin, Emmanuel Morin, Anthony Perez, Pierre-Luc Périchon, Rémy Rochas (alle F), Simone Consonni, Fabio Sabatini, Attilio Viviani, Elia Viviani (alle I), Jempy Drucker (LUX), Simon Geschke (D), Nathan Haas (AUS), Szymon Sajnok (POL)
Neuzugänge: Drucker (kommt von Bora-hansgrohe), Geschke, Sajnok (beide CCC), Wallays (Lotto Soudal), Fernándet (Euskaltel-Euskadi), Bohli (UAE), Rochas (NIPPO), Carvalho (Hagens Berman Axeon), Champion (unbekannt)
Abgänge: Dimitri Clayes (B/zu Qubeka), Cyril Lemoine (F/B&B Hotels), Ángel Luis Maté (E/Euskaltel-Euskadi), Jesper Hansen (DEN/Riwal), Damien Touzé (F/Ag2r), Mathias Le Turnier (F/Delko), Julien Vermote (B), Stéphane Rossetto (F), Marco Mathis (D/ alle unbekannt)
Vorläufiges Rennprogramm
3.-7. Februar: Etoile de Bessèges (2.1)
14. Februar: Clásica de Almeria (1. Pro)
17.-21. Februar: Algarve-Rundfahrt (2. Pro)
27. Februar: Omloop Het Nieuwsblad (1. Pro)
28. Februar: Kuurne-Brüssel-Kuurne (1. Pro)
10.-16. März: Tirreno-Adriatico (2. UWT)
20. März: Mailand-Sanremo (1. UWT)
24. März: Driedaagse Brugge-De Panne (1. UWT)
26. März: E3 Saxo Bank Classic (1. UWT)
28. März: Gent-Wevelgem (1. UWT)
31. März: Dwars door Vlaanderen (1.UWT)
4. April: Flandern-Rundfahrt (1. UWT)
11. April: Paris-Roubaix (1.UWT)
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