Superstar Sam Kerr schleppte sich gerade mit leerem Blick zu den traurigen Fans, da ließ sich Englands euphorische Erfolgstrainerin Sarina Wiegman wie ein Kind von Abwehrchefin Millie Bright in die Höhe heben. Während Australien nach dem verpassten WM-Finale im eigenen Land bittere Tränen vergoss, blickten die Partycrasher schon selbstbewusst auf den Showdown gegen Spanien.
„Es ist unglaublich. Es fühlt sich an, als hätten wir schon gewonnen“, jubelte Wiegman nach dem 3:1 (1:0) der eiskalten Europameisterinnen im Halbfinal-Hexenkessel von Sydney. Die „Lionesses“ kämpfen am Sonntag (12.00 Uhr MESZ) im Stadium Australia erstmals um den Fußball-Thron, da Mastermind Wiegman Historisches vollbrachte.
Die Niederländerin erreichte zum vierten Mal in Serie das Endspiel einer EM oder WM und erklärte: „Es ist fast wie ein Märchen. Wir haben zusammengehalten, am Plan festgehalten, und es hat wieder funktioniert.“ Es sei „so hart, ein Endspiel zu erreichen. Es ist sehr besonders und so fühlt es sich auch an.“
Vor 75.784 Fans bescherten Ella Toone (36.), Lauren Hemp (71.) und Alessia Russo (86.) dem abgezockten Favoriten die Chance auf den zweiten Titel binnen 13 Monaten. „Wir alle haben einen Traum – jetzt wollen wir natürlich gewinnen“, versicherte Hemp.
Australien hofft auf Bronze
Ein Geniestreich von Kerr (63.) beim Startelfcomeback nach einem Solo aus rund 25 Metern war zu wenig für die lange zu mutlosen „Matildas“. „Ich bin stolz, aber auch traurig, dass wir die Fans nicht noch stolzer machen konnten“, gab Australiens Coach Tony Gustavsson zu.
Der zuvor so märchenhafte Lauf soll nun wenigstens mit Bronze enden. „Wir gehen nicht mit leeren Händen, wir müssen uns auf das nächste Spiel fokussieren“, mahnte der Schwede mit Blick auf das kleine Finale ausgerechnet gegen sein Heimatland am Samstag in Brisbane.
Das Halbfinale gegen die alte Kolonialmacht hatte die Sportfans Down Under tagelang elektrisiert. „Ein alter Feind, eine neue Schlacht – und eine Nation voller Bewunderung hält den Atem an“, titelte die Tageszeitung The Australian. Das Fußball-Fieber erreichte schließlich ungeahnte Dimensionen: 7,2 Millionen hatten am TV den Elfer-Krimi gegen Frankreich im Viertelfinale (7:6 n.E.) verfolgt.
Dass Torjägerin Kerr erstmals nach Wadenverletzung von Beginn an auflief, schürte die Hoffnungen am Mittwoch noch. Dafür mussten die „Matildas“ allerdings kurzfristig ohne die erkrankte Innenverteidigerin Alanna Kennedy auskommen – am Ende hielt die geschwächte Abwehr dem hohen englischen Druck nicht mehr Stand, trotz der unermüdlichen Anfeuerung der Fans auf den Rängen.
„Wir wussten, dass die Kulisse verrückt sein würde. Unser Plan war, sie zum Schweigen zu bringen“, sagte Englands Verteidigerin Lucy Bronze in der BBC, „und das haben wir geschafft.“ (SID)
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