Headlines

ArbeitWeiter kampfbereit: Neunter Streiktag bei Ampacet in Düdelingen

Arbeit / Weiter kampfbereit: Neunter Streiktag bei Ampacet in Düdelingen
Die vier Streikbrecher werden beim Verlassen des Geländes ordentlich ausgebuht Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Weder die Wetterkapriolen der vergangenen Tage noch Einschüchterungsversuche der Direktion haben bislang Wirkung gezeigt. Die Streikenden von Ampacet und ihre Sympathisanten kämpften auch am Dienstag weiter für bessere Arbeitsbedingungen – und das schon seit neun Tagen. Am Mittwoch wollen sie ihren Protest bis vors Parlament bringen.

Der Schnee vom Wochenstart ist mittlerweile wieder geschmolzen, doch die Streikenden vor der Ampacet-Produktion in Düdelingen sind immer noch da. Neun Tage steht die Produktion von Plastikgranulat nun schon still. Schätzungsweise 120.000 Euro verliert die Firma jeden Tag, wo Bänder stillstehen, glauben die Streikenden.

Bislang gibt es keinen Dialog. Die Direktion macht sich unsichtbar. Die Streikposten hingegen zeigen weiterhin Flagge. Nur die Augenringe wurden tiefer. Doch die Moral bleibt hervorragend. „Wir sind weiterhin offen für den Dialog, doch der Ball liegt jetzt ganz klar bei der Direktion. Sie haben noch immer nicht auf unsere Forderungen reagiert“, erklärt Rabah. Er ist 48 Jahre alt und arbeitet seit 15 Jahren im Schichtbetrieb bei Ampacet.

Über ihre Anwälte ließ die Direktion am Montag verlauten, die Gewerkschaft würde nur Lügen über das Unternehmen verbreiten. Ein müdes Lächeln, mehr haben die Streikenden für diese Reaktion nicht übrig. Sie haben jetzt auch Wichtigeres zu tun. Es ist mittlerweile kurz vor 14 Uhr: Schichtwechsel im Betrieb. Kurz nach 14 Uhr wird es dann wirklich etwas hektischer am Streikposten. Vier Streikbrecher sollen nämlich bald das Werksgelände verlassen. „Da sind sie! Diese Hurensöhne!“, ruft einer und zeigt in Richtung Produktionshallen. Weit hinten auf dem Ampacet-Gelände sind mittlerweile vier Fahrzeuge aufgetaucht. Als die Schranke aufgeht, fahren sie blitzschnell an den Streikenden vorbei. Die Fahrer haben die Köpfe gesenkt. Die Streikenden buhen und schicken ihnen Schimpftiraden hinterher. „Am Montag war es lustiger. Da haben wir ihre Autos mit Schneebällen beworfen“, sagt einer in die Runde. Seine Kollegen lachen. Ihre Schneeballaktion scheint Wirkung gezeigt zu haben. Um einen reibungslosen Schichtwechsel zu gewährleisten, sicherte nämlich eine Polizeipatrouille das Portal.

Rabah arbeitet seit 15 Jahren bei Ampacet. Er ist entschlossen, bis zum Sieg weiterzukämpfen.
Rabah arbeitet seit 15 Jahren bei Ampacet. Er ist entschlossen, bis zum Sieg weiterzukämpfen. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Aufgeben, das ist für keinen der Streikenden hier eine Option. Da sind sich alle einig. Auch wenn Druck von zu Hause kommt. „Gleich ist Weihnachten und meine Frau macht sich schon Sorgen. Doch ich habe ihr gesagt, dass wir diesen Kampf gewinnen werden. Wir fordern ja nichts Unmenschliches, sondern nur unsere Rechte zurück“, schildert ein zirka 40 Jahre alter Mann aus dem französischen Grenzgebiet seine Situation. 

Die Forderungen sehen vor, den im Sommer ausgesetzten Kollektivvertrag wieder in Kraft zu setzen. Zudem fordern die Streikenden unter anderem 2,5 Prozent mehr Lohn sowie zwei zusätzliche Urlaubstage. Auch sollen die Streiktage später als Arbeitszeit ausbezahlt werden. 

Den Streikenden zufolge kann das Unternehmen sich das leisten. Die Geschäfte sollen zuletzt richtig gut für das US-Familienunternehmen gelaufen sein. Es hat seinen Gewinn in den letzten Jahren verdoppelt. Im Jahr 2019 konnte es einen Gewinn von 1,6 Millionen Euro einfahren. Vergangenes Jahr waren es sogar 3,7 Millionen Euro. Zusätzlich hat der Konzern in den vergangenen Jahren rund 40 Millionen Euro in den Standort Düdelingen investiert. Weltweit arbeiten 2.000 Menschen für das Unternehmen. In Düdelingen betreibt die Firma ihren Europasitz sowie ein Produktionswerk. Gestreikt wird allerdings nur in der Produktion.

Kuchen und Getränke

Logistisch werden die Streikenden von der Gewerkschaft OGBL wie von zahlreichen Sympathisanten unterstützt. Mittlerweile haben sie drei Zelt-Pavillons vor dem Werksgelände errichtet. Alle drei sind beheizt. Zudem steht den Streikenden noch ein Camper zur Verfügung. Doch die größte Menschentraube bildet sich eigentlich immer um das Lagerfeuer, das ununterbrochen brennt. Hier zeigt sich auch die große Solidarität der arbeitenden Bevölkerung mit den Streikenden. Immer wieder bleiben Autofahrer stehen und verteilen Kuchen oder Getränke. Auch die Gemeinde Rümelingen zeigte sich solidarisch und spendete einen Anhänger Brennholz.

Für Mittwoch ruft der OGBL zur einer Solidaritätskundgebung vor dem Parlament auf. Sie wollen Arbeitsminister Georges Mischo auffordern, die Causa „Ampacet“ zur Chefsache zu erklären und Druck auf die Direktion auszuüben, damit diese den Dialog mit den Sozialpartnern aufnimmt.    

Saliha Belesgaa, Präsidentin der Personaldelegation
Saliha Belesgaa, Präsidentin der Personaldelegation Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Streik und Streikbrecher

Für viel Gesprächsstoff unter den Streikenden sorgen die Streikbrecher. Insgesamt sechs Angestellte gehen aktuell weiterarbeiten, während sich ihre Kollegen für bessere Arbeitsbedingungen für alle einsetzen. Im Sommer hatte die Direktion des Unternehmens den Mitarbeitern den bestehenden Kollektivvertrag gekündigt.
Besonders entrüstet ist Saliha Belesgaa, Präsidentin der Personaldelegation, derweil, dass sich zwei LCGB-Personalvertreter unter den Streikbrechern befinden. „Ich verstehe nicht, warum“, sagt sie gegenüber dem Tageblatt. „Wir hatten auf eine Reaktion auf die Abstimmung gewartet, aber es kam keine.“ Dass sie nichts gewusst hätten, lässt sie nicht gelten: „Sie waren über alles informiert. Wir haben ein Flugblatt an alle Mitarbeiter verteilt.“ Einer der beiden streikbrechenden Personalvertreter habe sich sogar geweigert, den Zettel entgegenzunehmen.
Ein weiterer LCGB-Personalvertreter, wie auch ein Mitglied, „streiken hingegen mit uns“. Insgesamt 60 Arbeiter sind in der Produktion bei Ampacet in Düdelingen beschäftigt. Von denen, die sich an der OGBL-Abstimmung zur Arbeitsniederlegung beteiligt hatten, hatten mehr als 80 Prozent für den Streik gestimmt.
„Die Entschlossenheit ist da“, so Saliha Belesgaa am Dienstag. „Wir werden nicht zurückweichen. Zu viele Menschen sind zu sehr um ihre Rechte betrogen worden. Die Mitarbeiter sind wirklich motiviert.“ Mit den Tagen in Kälte und Regen verstärke sich die Entschlossenheit sogar, sagt sie. „Die Leute lernen sich kennen. Viele sagen, dass sie hier nun eine Familie gefunden haben. Die Solidarität wächst.“

Rückblick auf die Streiks der vergangenen Jahre

„In Luxemburg wird im Allgemeinen nicht viel gestreikt“, so Frédéric Krier vom OGBL gegenüber dem Tageblatt. Zwar sei der letzte Streik bei der Cargolux nun aktuell noch nicht lange her, doch der letzte davor sei im Jahr 2018 gewesen. Damals, vor fünf Jahren, waren es mehrere zusammenhängende Streiks, erinnert er weiter. „Im Pflegesektor wollten einige Direktionen ausgehandelte Erhöhungen nicht an ihre Mitarbeiter weitergeben.“ An mehreren Orten kam es zu Streiks. In Bartringen habe es derweil nur drei Stunden gedauert, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen – im Bettemburg hingegen ganze elf Tage.
Das war der längste Streik der letzten Jahre. Bei der Cargolux hatte es drei Tage gedauert. „Das ist jeweils abhängig davon, wie lange die einzelnen Direktionen brauchen, um sich mit uns an den Verhandlungstisch zu setzen.“ Der letzte Streik davor war im Jahr 2014, beim Automobilclub ACL. Er hatte zwei Tage gedauert. „Und davor hat es noch weniger Streiks gegeben“, so Frédéric Krier weiter. Er erinnert an zwei Warnstreiks von je einem Tag im Stahlwesen, etwa gegen die Schließung der Werke in Schifflingen und Rodange.
Der Gewerkschafter führt die – verglichen mit den Nachbarländern – niedrige Zahl der Arbeitsniederlegungen auf zwei Faktoren zurück. Einerseits habe man hierzulande „eine Kultur, um zu versuchen, miteinander zu reden“. Und andererseits habe man eine einschränkende Gesetzgebung, der zufolge erst nach einem Schlichtungsversuch gestreikt werden darf.