2004 begann für André Ferreira ein neuer Lebensabschnitt im Süden Luxemburgs. Als Achtjähriger wanderte der fußballbegeisterte Junge aus Portugal (er kam in Castro Daire zur Welt) in die Minettemetropole aus. „In Portugal hatte ich vorher nicht im Verein gespielt“, erinnert er sich. Das änderte sich, als ihm seine Escher Klassenkameraden von ihrem heißgeliebten Fußballklub erzählten. „Es war eine ganze Generation, die sich damals gefunden hatte.“ Übrig geblieben ist heute nur noch Torwart Emanuel Cabral, der bei den Minimes dazustieß.
Für den Fola-Nachwuchs gab es zu dieser Zeit besondere Erfolgsmomente: „Wir sind damals oft bei den Spielen der ersten Mannschaft dabei gewesen. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Aufstieg und Mustapha Hadji.“ Doch es gab weitere Spieler, zu denen die Jugend damals aufblickte: „Jakob Dallevedove, Ronny Souto oder auch Stefano Bensi.“ Heute ist der Ex-Nationalspieler sein Trainer. „Ich war 16 und trainierte mit der ersten Mannschaft, als Stef’ damals von Düdelingen zu uns kam.“
Doch der eigene Nachwuchs der „Doyenne“ hatte es schwer, sich durchzusetzen. Für Rechtsverteidiger Ferreira war eine Leihe zum Nachbarn Monnerich 2018 (als 18-Jähriger) die beste Option. „Die Qualität des Fola-Kaders war sehr hoch. Für mich ging es deshalb darum, irgendwo anders Spielpraxis zu sammeln. Ich stand noch lange bei der Fola unter Vertrag und wurde später nach Hamm und zur US Esch ausgeliehen. Irgendwann aber fehlte, anders als das heute der Fall ist, das Nachhaken des Vereins.“
Kein richtiger Abschied
Da sich dieser Abschied nie wirklich korrekt angefühlt hatte, stand für Ferreira immer fest: Der Weg sollte ihn früher oder später wieder auf den Galgenberg zurückführen. Doch in der Zwischenzeit machte er bei seinen drei Stationen eine Erfahrung, die ihm besonders vergangene Saison Vorteile verschafft hatte: „Ich musste immer gegen den Abstieg kämpfen. In den Jugendkategorien waren wir immer obenauf und spielten um die vorderen Plätze. Als ich dann weggegangen bin, habe ich in den anderen Klubs nicht nur andere Kulturen kennengelernt, sondern auch gesehen, wie es ist, wenn man kämpfen muss.“
Der Defensivspieler ist sich sogar sicher, dass ihn dieser Karriereverlauf noch stärker gemacht hat: „Bei der Fola war die Qualität der Mitspieler so hoch, dass man sich als 19-Jähriger noch hätte hinter ihnen verstecken können. In Monnerich oder Hamm ging das nicht. Dort musste ich gleich Verantwortung übernehmen und erwachsen werden.“
Im vergangenen Sommer, sieben Jahre später, war es dann so weit. Sportdirektor Pascal Welter holte den ehemaligen Jugendspieler zurück ins Team. „Ich hatte das Gefühl, nach Hause zu kommen.“ Auf dem Galgenberg hatte man den finanziellen Gürtel enger schnallen müssen. Nach Platz drei in der BGL Ligue verließen erste gestandene Spieler den Verein im Juli 2022, im Winter gab es den nächsten Exodus. Die Erwartungen waren hoch, doch nach dem desaströsen Aus in der Conference League folgte der Absturz in der Liga. „Ich dachte mir nur: Es kann ja nicht sein, dass ich wieder gegen den Abstieg kämpfen muss … In den Kabinen wurde viel geredet. Ich habe die Jungs oft daran erinnert, dass sie es gewohnt waren, nur oben mitzuspielen. Aus eigener Erfahrung aber wusste ich, dass wir zusammenhalten müssten. Die Qualität der Mannschaft war höher als bei anderen Teams, die ich gekannt habe.“
In einem Herzschlagfinale gegen Canach retteten die Spieler von Stefano Bensi bekanntlich ihre Haut. „Es lief also nicht wirklich so, wie ich es mir vorgestellt hatte, doch am Ende haben wir unser Ziel über das Relegationsspiel erreicht“, fasste Ferreira zusammen. Doch der Auftakt in die neue Saison gestaltet sich kompliziert – und auf dem Papier wirkte es, als wäre beim 1:5 in Differdingen alles schiefgelaufen: „Wir haben vier Tore nach Standards kassiert …“
Verliert man dieses Spiel, hat man mindestens sieben Tage keine Lust, vor die Tür zu gehen
Dementsprechend groß war die Freude über den Dreier gegen Düdelingen am 2. Spieltag: „Für die Jüngsten dürfte das eine schöne Erinnerung sein, zu behaupten, dass sie gegen einen Europapokal-Teilnehmer gewonnen haben. Die erfahrenen Spieler allerdings wissen, dass so ein Sieg nichts heißen will. Die Zeit steht nicht still und eine neue Woche ist angebrochen.“
Das 122. Escher Derby
Und alle Escher dürften wissen, dass es sich um eine ganz besondere Woche handelt. Das 122. Derby der Stadt steht vor der Tür. Jedes Mal, wenn Ferreira beim Spaziergang mit der Familie an der mythischen „Grenz“ vorbeiläuft, kreisen die Gedanken einzig und allein um diesen konkreten Termin. „Ich bin ein ‚Escher Jong‘. Ganz Esch kennt mich. Verliert man dieses Spiel, hat man mindestens sieben Tage keine Lust, vor die Tür zu gehen. In der vergangenen Saison hatte ich das gleich zweimal mitmachen müssen. Es war kein schönes Erlebnis.“ Einmal in der Startelf und einmal als Einwechselspieler konnten Ferreira und Co. nichts gegen die Rivalen der Jeunesse ausrichten.
Beide Vereine feierten am Sonntag die ersten Saisonerfolge und können selbstbewusst auftreten. „Beim Derby geht es ohnehin selten darum, den Schönheitspreis zu gewinnen. Ich denke, dass dieses Spiel über den Kampf entschieden wird“, blickte der 27-Jährige voraus. „Diese Duelle sind schon in den Jugendkategorien ein Thema in Esch. Ich kann mir vorstellen, dass es den vielen Nachwuchsspielern, die zu unserem Kader gestoßen sind, genauso geht.“ Gleiches gilt wohl für die beiden Schwarz-Weißen, die in ihrer Jugend in der „Hiehl“ Ähnliches erlebt haben: David Soares und Milos Todorovic – wirklich getrennt haben sich die Wege dieser „Escher Jungs“ nie.
Genauso eng verbunden ist Ferreira mit der „Doyenne“. In seiner zweiten Spielzeit will er nun beweisen, dass er beim zweiten Anlauf nicht mehr zweifeln wird. „Ich bin ein Spieler des Hauses, der seine Verantwortung übernehmen muss. Jeder hatte uns vergangenes Jahr bereits abgeschrieben, doch wir sind noch immer da. Nach unserem Erfolg gegen den F91 werden die Gegner uns jetzt nicht mehr unterschätzen. Wir bleiben mit beiden Füßen auf dem Boden und wissen, dass uns ein schweres Jahr bevorsteht.“ Am Sonntag will er zumindest dafür sorgen, dass er das Haus auch nächste Woche mit einem Lachen verlassen kann.
Steckbrief
André Ferreira
Geboren am 16. Mai 1996 in Castro Daire (P)
Größe: 1,73 m
Nationalität: besitzt die luxemburgische und die portugiesische Nationalität
Position: Rechtsverteidiger
Bisherige Vereine: Fola Esch, Monnerich, RM Hamm Benfica, US Esch, US Mondorf, US Esch, Fola Esch
« Ganz Esch kennt mich » Eine doch etwas gewagte Aussage dieses Herrn denn ich als alteingesessener Escher kenne den Herrn nicht. Zwei weitere alteingessene Escher sagten mir heute das gleiche. Mit Verlaub Herr Ferreira etwas mehr Bescheidenheit !