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Forum / Wahrheit ist die Währung der Wissenschaft
Jeff Da Costa hatte das Krisenmanagement infolge der Überschwemmungen im vergangenen Sommer kritisiert Foto: Anne Lommel

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Es ist schon seltsam, wenn man immer wieder seinen eigenen Namen in Nachrichten sieht. In der Öffentlichkeit war ich früher einfach Jeff Da Costa, Forscher für Hydrometeorologie. Jetzt bin ich offenbar „Der Fall Jeff Da Costa“ – oder manchmal auch die „Affäre Jeff Da Costa“.

In den vergangenen zwei Wochen sind mein Name und meine Erfahrungen bei der Arbeit in einem hydrologischen Wissenschaftsunternehmen und meine Entlassung dort zum öffentlichen Gut geworden. Es wurde viel über mich gesagt und geschrieben, über das, was mir passiert ist, und was dies über das politische und soziale Leben in Luxemburg aussage.

Viele Menschen haben mich gefragt, was passiert ist und warum ich mich geäußert habe. Abgesehen von einem Gespräch mit Radio 100,7, das als erstes über die Geschehnisse berichtete, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich noch etwas zu sagen hätte. Aber da mein Name im Parlament genannt wird und der „Fall Jeff Da Costa“ immer mehr an Bedeutung gewinnt, halte ich es doch für sinnvoll, meine eigene Geschichte und meine Beweggründe hier noch einmal aus meiner Sicht darzulegen.

Im Januar 2021 begann ich meine Doktorarbeit unter der Leitung von Guy Schumann. Später, im Juni letzten Jahres, kam ich als Angestellter zu Guys Unternehmen RSS-Hydro. Dies war nicht meine erste Stelle: Ich habe in Kanada und im Vereinigten Königreich Umweltwissenschaften und Meteorologie studiert und als Projektleiter in einer Verwaltung des Finanzministeriums in Luxemburg gearbeitet sowie in einem Unternehmen für erneuerbare Energien und in einer Internationalen Schule unterrichtet, bevor ich schließlich in die Forschung zurückkehrte.

Ich hatte das Gefühl, dass ich in einer beneidenswerten, guten Position war – mit der Sicherheit eines Arbeitsplatzes und eines Gehalts in meinem Heimatland, während ich gleichzeitig meiner Leidenschaft für wissenschaftliche Forschung mit einigen der besten Umweltwissenschaftler der Welt nachging. Ich arbeitete an der Verringerung des Katastrophenrisikos im Zusammenhang mit Unwetterereignissen unter dem Einfluss des Klimawandels und trug dazu bei, durch die Verbesserung von Notfallwarn- und -reaktionssystemen Leben zu retten. Meine Universität in Reading (Vereinigtes Königreich) arbeitet mit der UNO, dem Roten Kreuz und Regierungen zusammen, um bei Überschwemmungskatastrophen Leben zu retten und hat dafür Auszeichnungen und Ehrungen erhalten. Überschwemmungen sind schon jetzt eine der größten Gefahren, die von der Natur ausgehen, und die Risiken werden immer größer, da sich das Klima erwärmt und viele Menschen nicht in der Lage sind, sich selbst zu schützen.

Als im Juli 2021 Deutschland, Belgien, die Niederlande und Luxemburg vom Hochwasser heimgesucht wurden und auch das Haus meiner Eltern überflutet wurde, ermutigte mich die Pressestelle meiner Universität ausdrücklich, mich dazu zu äußern. Ich schrieb daraufhin einen Artikel für „The Conversation“, eine britische Nachrichtenseite, die Artikel von Akademikern veröffentlicht. Das führte wiederum zu Interviews mit Fernsehsendern in Europa und Journalisten weltweit.

Meine Hauptaussage war immer die gleiche: dass bei den Hochwasserwarnungen in ganz Europa etwas schiefgelaufen war. Der Schwerpunkt lag dabei auf Deutschland, wo fast 200 Menschen auf tragische Weise ums Leben gekommen waren – aber auch in Luxemburg hatte das Warnsystem nicht funktioniert. Als ich gefragt wurde, ob die Regierung versagt habe, bejahte ich das – und erklärte, dass die vorhandenen Systeme unzureichend und viele Verbesserungen erforderlich seien.

Ich hatte in dieser Zeit viel zu tun und war in vielen Medien zu sehen und zu hören. Mein Arbeitgeber und Mentor Guy Schumann war zufrieden. Er bat mich sogar, dafür zu sorgen, dass RSS-Hydro bei jedem Interview erwähnt wird. Das Interesse hielt den Sommer über an. Im September bat mich dann RTL um ein Fernsehinterview, in dessen Verlauf ich nochmals zu den Überschwemmungen und den Reaktionen der Bevölkerung und der Behörden befragt wurde. Ein weiteres Mal stellte ich fest, dass die Regierung es versäumt hatte, sich ausreichend auf solche Überschwemmungen vorzubereiten, und dass sie dann unzureichend reagierte, als sie kamen. Und wieder beglückwünschte mich Guy. Doch innerhalb weniger Tage danach sollte sich seine Einstellung ändern.

Ich sollte zusammen mit der Handelskammer an einer Konferenz in Dubai teilnehmen. Kurz nach meiner Entlassung wurde mir gesagt, ich solle nicht kommen. In einem Café in Luxemburg-Stadt sah ich den Abgeordneten Dan Biancalana, den ich nicht nur als Abgeordneten kannte, sondern auch als örtlichen Bürgermeister der Gemeinde, in der der Firmenkomplex lag, der auch unsere Büros beherbergte. Jemand aus seiner Begleitung hob die Augenbrauen, als er mich sah, bezeichnete mich als „derjenige, der schlecht über uns redet“, während Biancalana mir immer wieder sagte, dass meine Verwendung des Wortes „Versagen“ gegenüber RTL nicht gut gewesen sei, da es in der Bevölkerung stark hängen bleiben würde.

Guy sagte mir in Textnachrichten, Telefonaten und im persönlichen Gespräch, dass er unter politischem Druck stehe, sich und seine Firma von mir und meiner Kritik an der Regierung zu distanzieren. In einem Telefongespräch erzählte er mir, dass Druck von vielen Stellen ausging, darunter auch von so weit oben wie vom Wirtschaftsminister Franz Fayot. Zur Klarstellung: Ich gebe nur wieder, was mir gesagt wurde. Herr Fayot selbst hat mich niemals kontaktiert – und das habe ich auch nie behauptet!

Am 16. September sagte Guy mir, ich solle nicht an der wöchentlichen Personalversammlung teilnehmen. Nach der Versammlung kam er in mein Büro und sagte, er müsse mich entlassen. Ich habe nicht gekündigt. Ich wurde gefeuert. Er sagte, der politische Druck sei zu groß. Ich weiß nicht, wer direkt mit Guy gesprochen hat. Und ich weiß nicht, ob der politische Druck auf ihn real oder von ihm eingebildet war.

Ich mochte Guy. Er ist ein guter Wissenschaftler. Aber in einer schwierigen Situation zeigte er, dass es ihm an Mut fehlte.

Ich wollte, dass er Mut hat, egal, was man ihm sagt. Als Chef wollte ich, dass er sich für seine Angestellten einsetzt. Als Wissenschaftler wollte ich, dass er für seine Überzeugungen einsteht. Und das nicht nur, weil ich wissen wollte, dass mein Chef mir den Rücken freihält. Sondern weil ich glaube, dass Wissenschaft nur funktionieren kann, wenn Wissenschaftler in der Lage sind, die Öffentlichkeit und diejenigen, die Entscheidungen treffen, darüber zu informieren, was sie sehen und denken.

Mit meinem Arbeitsplatz verlor ich meine Sicherheit, mein Einkommen und damit auch die Möglichkeit, mein Studium zu finanzieren. Ich zog ins Vereinigte Königreich, wo meine Universität zumindest meine Studiengebühren übernahm, und fand einen kurzfristigen Teilzeitjob in einem Klimaforschungsprojekt, getrennt von meiner eigenen Forschung, um mein Leben am neuen Wohnort finanzieren zu können.

Seit 100,7 über meine Entlassung berichtet hat, bin ich nicht mehr im Fernsehen oder Radio aufgetreten. Viele Menschen haben mich kontaktiert und ich habe ihnen von meinen Erlebnissen erzählt. Manche denken, ich sei politisch motiviert oder auf Profit aus, oder auf Publicity. Ich bin es nicht. Ich habe keine Arbeit in Luxemburg, aber ich setze meine Doktorarbeit über die Verringerung des Katastrophenrisikos und die Verbesserung von Warnsystemen in England fort. Ich werde mit jedem sprechen, von dem ich glaube, dass er es ernst meint mit der Verhinderung von Hochwasserkatastrophen.

Als Wissenschaftler sehe ich die Auswirkungen von Überschwemmungen auf Gemeinschaften und Menschen. Sie sind verheerend. Normalerweise sind die Menschen in den Teilen der Welt am stärksten gefährdet, in denen Armut oder Ungleichheit herrscht, wo die Menschen keine Wahl haben oder nicht wissen, wie sie sich schützen können. In Europa sollte unser relativer Wohlstand bedeuten, dass wir es uns leisten können, uns auf das Unerwartete vorzubereiten. Aber wir können uns keine Gedankenarmut leisten. Wir müssen erwachsen werden und unsere Fehler eingestehen, sonst können wir nicht daraus lernen. So funktioniert gute Wissenschaft.

Reaktion des RSS-Hydro-Chefs

Auf eine frühere Anfrage des Tageblatt hatte der Leiter von RSS-Hydro, Guy Schumann, sich zu möglichen Versuchen der Einflussnahme nicht direkt erklärt, aber die Entlassung Da Costas mit „Meinungsverschiedenheiten“ und „internen Angelegenheiten“ begründet. Radio 100,7 zitiert ihn allerdings dahingehend, dass er mit der Entlassung politischen Druck habe „verhindern“ wollen. (fgg)

JJ
12. Juni 2022 - 15.33

" Herr Fayot selbst hat mich niemals kontaktiert – und das habe ich auch nie behauptet!" Klar. So dumm wird Fayot nicht sein. Wir kennen die Fälle wo Beamte zum Psy geschickt werden,der sie dann für unzurechnungsfähig erklärt.
So wäre die richtige Antwort ,auf die Frage ob die Regierung versagt hat, gewesen : " Ich berichte über die wissenschaftlichen Ergebnisse.Es steht mir nicht zu Schuldzuweisungen zu machen." Oder so ähnlich.Denn Majestät fühlen sich schnell beleidigt.Und wer Geldentzug befürchten muss,ändert schnell seine Meinung. "Hast du einen Mann erst bei den Eiern,werden Verstand und Meinung gleich folgen." Da braucht es schon einen Bob Woodward oder Carl Bernstein um solche Machenschaften auffliegen zu lassen.

jojoschmi66
11. Juni 2022 - 20.33

Daß Politiker Wissenschaftler unterbuttern, wenn sie nicht ihrer Meinung sind, oder für etwas gesellschaftliche Unruhe sorgen könnten, ist in Luxemburg alte Tradition.

- Ich erinnere mich, wie Santer bei RTL einen Aufruf machte, die Bürger sollten auf keinen Fall Meßstationen für Radioaktivität anschaffen um sie in einem flächendeckenden Netzwerk zu integrieren.
- ich erinnere mich an Norry K., der unbeugsam mit seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen verschiedene Politiker anätzte.
usw. usw. usw.

Weitere Beispiele werde ich nicht nennen, um die Akteure, welche noch in einem Berufsverhältnis stehen, vor Unannehmlichkeiten zu schützen.

Politiker haben meistens keinen blauen Dunst von der Materie, deshalb haben sie schiere Angst vor wissenschaftlichen Meinungen und daher gehören die Urheber rechtzeitig mundtot gemacht!

Robert Hottua
11. Juni 2022 - 11.38

Seit 1995 weise ich aus Schuld, Scham und Pflicht darauf hin, daß Gedanken- und Verantwortungsarmut fatale Folgen für die Menschen und die Institutionen in Luxemburg hat. 2005 wurde ich aus dem Staatsdienst entlassen. 2010 mußte ich nach drei gewonnenen Gerichtsprozessen wieder eingestellt werden. Bis zu meiner Rente 2019 mußte ich meine "Arbeitszeit" in einem leeren Büro absitzen. Auch ich glaube, daß Wissenschaft nur funktionieren kann, wenn Wissenschaftler in der Lage sind, die Öffentlichkeit und diejenigen, die Entscheidungen treffen, darüber zu informieren, was sie sehen und denken.
"Menschlichkeit erwächst aus der Verantwortung für die Vergangenheit."
(Angela Merkel, Jerusalem, 18.03.2008)
"Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit."
(Elie Wiesel)
"Wahres Mitgefühl ist universal anwendbar. Es ist begleitet von einem Gefühl der Verantwortlichkeit."
(Dalai Lama)
MfG
Robert Hottua

Grober J-P.
11. Juni 2022 - 11.12

Man darf leider nicht zuviel in der politischen Gülle herumrühren, so ist das fast überall.
Jeff, Sie waren einfach nicht Diplomat genug, die Verpackung macht es!
Und dazu haben manche Leute keine Eier. Ist verständlich, wenn der Sponsor damit droht den Hahn zuzudrehen.
Hoffentlich wird das Ganze nicht wieder unter den berühmten Teppich gekehrt.