Eigentlich ist es ein ganz normaler Bus. Neun Plätze, rote Sitze und wenn man hineingeht, hat man ein wenig das Gefühl, auf Klassenfahrt zu gehen. Ein ganz anderes Gefühl haben die Radsportler, die diesen Wagen sehen. Im Peloton ist er gefürchtet – denn wenn die Fahrer das Zeitlimit überschreiten und zu langsam werden, werden sie aus dem Rennen genommen – und mit der „Voiture-balai“ ins Ziel gebracht.
Henri Timmermans ist dafür zuständig, dass mit dem Besenwagen alles glattläuft. Er ist seit 1989 Mitglied in der FSCL, fungiert seitdem als Kommissar für Rennen im Sommer wie auch im Winter. Im Besenwagen habe er gleich in zwei Weisen eine hohe Verantwortung: „Wenn wir durchfahren, dann wissen alle, dass das Rennen vorbei ist“, sagt Timmermans. „Wir haben noch ein Sicherheitsauto hinter uns – aber wenn wir durch sind, können alle Kreuzungen wieder geöffnet werden.“
Zum einen ist der Besenwagen also für eine Wiederaufnahme des normalen Straßenverkehrs zuständig, zum anderen aber natürlich auch ein Teil des Rennens. „Wir haben ein Abkommen mit dem Transportministerium und der Polizei: Wenn Fahrer 15 Minuten hinter der großen Gruppe fahren, dann muss ich sie rausnehmen.“ Anders als bei der Tour de France, bei der das Zeitlimit mit Prozenten und der Schwierigkeit der Strecke ausgerechnet wird, ist die Formel bei der Flèche du Sud ganz einfach: Ist ein Fahrer eine Viertelstunde hinter dem Rennen, ist er raus.
Enger Kontakt mit Kommissaren
Timmermans steht während des Rennens im engen Kontakt mit den Kommissaren. Auf der 2. Etappe, der Königsetappe, hatten bereits zwei Fahrer frühzeitig Probleme. Der Ire Louis Bilyard (Global 6) und der Luxemburger Sven Schmit (Snooze-VSD) mussten schon früh das restliche Feld ziehen lassen und fuhren das Rennen fortan vor der „Voiture-balai“. Diese zwei Fahrer galt es für Timmermans zu beobachten. „Gibst du mir ein ‚Top’?“, fragt er in den Funk hinein. „3-2-1, Top! Am zweiten GPM“, schallt es aus dem Funk. Ab diesem Moment drückt der 61-Jährige per Hand seine Stoppuhr. 3:20 Minuten hat das Duo ab diesem Moment Rückstand.
„Wenn einzelne Fahrer das Zeitlimit überschreiten, muss ich sie rausnehmen. Wenn es eine größere Gruppe ist, dann müssen die Rennkommissare entscheiden, ob sie alle rausgenommen werden oder nicht“, sagt Timmermans. Während der Anfangsphase der Etappe mutmaßt er bereits: „Heute könnten sich welche zu uns setzen“, sagt er. Auf der ersten Etappe war noch niemand über dem Zeitlimit. „Es ist schon etwas unangenehm für die Fahrer, wenn sie hier einsteigen. Einige sagen dann gar nichts, aber andere reden miteinander. Bei der Tour de Luxembourg ist es noch mal anders – da sind viele Profis dabei, die dann sehr traurig sind.“
Gefüllter Bus
Timmermans erinnert sich an eine Bourscheid-Etappe der Flèche du Sud, bei der im Besenwagen kein Platz mehr gewesen ist. Sieben Plätze zählt der Bus, der von Yannick Comes gefahren wird. Er ist Angestellter beim Busunternehmen Emile Weber und fährt sonst Kinder oder Senioren zu bestimmten Destinationen. Mit der Flèche du Sud entdeckt der 25-Jährige in diesem Jahr aber Neuland. „Nervös bin ich nicht“, sagt er. „Aber für mich ist das was ganz anderes, das ist klar.“
Bei Kilometer 62 gibt es dann die ersten Diskussionen zwischen den Rennkommissaren, ob das Duo aus dem Rennen genommen werden sollte. Ein paar Minuten später bekommt Timmermans die Nachricht aus dem Funk: „Lass sie bis nach Bourscheid fahren, dort müssen sie dann raus.“ Zwar sind die 15 Minuten noch nicht ganz überschritten, doch Timmermans weiß: „Sie werden es nicht bis ins Ziel schaffen.“ Der 61-Jährige lässt sie noch fahren, kurz vor Bourscheid öffnet er dann das Fenster und sagt auf luxemburgisch: „Bis op Buerschent op d’Arrivee, do musst dir raus.“ Schmit nickt und gibt seinem irischen Weggefährten Bescheid.
Insgesamt wurden am Freitag drei Fahrer aus dem Rennen genommen. Im Besenwagen fuhr aber niemand – zu kurz waren die letzten Runden rund um Bourscheid. Die Fahrer, die disqualifiziert wurden, fuhren selbstständig bis ins Ziel.
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