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RadsportOrganisationstalent gefragt: Über die Probleme, die eine WM in Australien mit sich bringt

Radsport / Organisationstalent gefragt: Über die Probleme, die eine WM in Australien mit sich bringt
Entlang der australischen Küste findet die Straßenrad-Weltmeisterschaft 2022 statt Foto: Wollongong 2022

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Am Sonntag beginnt mit den Zeitfahren der Espoires, der Damen- sowie Herren-Elite die Straßenrad-Weltmeisterschaft im australischen Wollongong. Nach der verletzungsbedingten Absage von Christine Majerus reist die FSCL mit zwölf Sportlern nach Down Under. Christian Helmig, Technischer Direktor des nationalen Radsportverbandes, erklärt im Gespräch mit dem Tageblatt, welche Probleme die globalen Titelkämpfe in Australien dieses Jahr mit sich bringen. Er spricht aber auch über die sportlichen Ziele, mit denen der Radsportverband nach Australien reist.

Kommunikation:
Die Zeitverschiebung bringt gleich zwei größere Probleme mit sich. Zum einen fällt die Kommunikation unter eine dieser Schwierigkeiten. Acht Stunden ist Wollongong vor der mitteleuropäischen Sommerzeit. Wenn es also in Luxemburg 12 Uhr ist, ist es im australischen Küstenort 20 Uhr. Hinderlich war dies vor allem vor der WM, als Helmig die Vorbereitungen auf die Rennen planen musste. „Organisatorisches, das mit einem kurzen Telefonat erledigt ist, dauert viel länger“, erklärt er. „Manchmal braucht eine Antwort auf eine Mail einen Tag. Das kann auf Dauer anstrengend werden.“ In Australien werden die Hotels außerdem über eine Agentur gebucht. Das schaltet noch mal eine Person dazwischen. „Aber es ist nichts, was unmöglich zu lösen ist“, sagt der FSCL-Mitarbeiter. 

Christian Helmig, Technischer Direktor der FSCL
Christian Helmig, Technischer Direktor der FSCL Archivfoto: Anouk Flesch

Jetlag: 
Das zweite größere Problem, das die Zeitverschiebung mit sich bringt, ist der drohende Jetlag bei den Fahrern. Als Jetlag wird eine vorübergehende Befindensstörung bezeichnet, die durch das rasche Überqueren von Zeitzonen entsteht. Menschen können sich dadurch müde und abgeschlagen fühlen. „Wir fahren aber nur ein Straßenrennen und keine Rundfahrt. Das ist ein Vorteil“, sagt Helmig. „Aber natürlich ist das nicht optimal.“ Kevin Geniets, Colin Heiderscheid, Luc Wirtgen und Arthur Kluckers nehmen beispielsweise an der Tour de Luxembourg teil, die an diesem Samstag endet. Schon am 23. September startet Kluckers bei der U23, Geniets, Wirtgen und Heiderscheid gehen am 25. September an den Start.

Um einen drohenden Jetlag zu vermeiden, hat die FSCL mit dem LIHPS ein Programm ausgearbeitet, wie die Radsportler im Vorfeld ihren Schlafrhythmus anpassen können. „So könnte die Umstellung schneller funktionieren“, sagt Helmig. „Es geht einfach darum, schnell in den richtigen Wach-Schlaf-Rhythmus zu kommen.“ Doch das Beispiel der Olympischen Spiele in Tokio zeigt, dass die Fahrer, die kurz zuvor die Tour de France beendet hatten, bessere Ergebnisse einfuhren als Fahrer, die sich in Japan akklimatisiert hatten. „Am Ende ist es auch eine individuelle Frage des Körpers“, sagt Helmig und fasst zusammen: „Die Zeitverschiebung ist nicht optimal. Aber es ist nichts, was unerwartet kommt oder womit wir oder die Athleten nicht umgehen könnten.“ 

Logistik:
Problematisch ist bei der Weltmeisterschaft vor allem die Logistik. „Wir müssen mit weniger auskommen“, sagt Helmig. Je nachdem, wie groß die Mannschaft ist, ist die FSCL gewohnt, mit zwei bis drei Teamfahrzeugen sowie einem Lkw und zwei Craftern zu einem Rennen zu fahren. Damit würde man die Flexibilität vor Ort absichern – in Australien ist man damit aber eher eingeschränkt. Helmig und sein Team haben Mietwagen organisiert, eine Werkstatt hat das Team nicht und es wurden auch nicht so viel Ersatzteile wie gewöhnlich mitgenommen. Immerhin kommt die Lage Wollongongs den Teams entgegen. „Wenn etwas gravierend schiefgeht, dann sollten wir das Material höchstwahrscheinlich vor Ort bekommen. Wir sind etwa eine Stunde von Sydney entfernt.“ Doch die Vorgehensweise ist klar definiert. „Wir müssen uns beschränken und nur das Nötigste mitnehmen. Ich hoffe aber, wir haben alles am Ende vor Ort und müssen nicht auf irgendwas verzichten – schon gar nicht auf was Essenzielles.“ 

Die Reise:
Als Erster trat Helmig selbst die Reise nach Australien an. Der Technische Direktor ist bereits seit dem 9. September vor Ort, um dort unter anderem Organisatorisches vorzubereiten. Er holt beispielsweise die Mietwagen ab oder bereitet die Zimmer der Radsportler in den Hotels vor. Die erste Gruppe, die ihm dann folgte, drehte sich um Mathieu Kockelmann, der im Zeitfahren der Junioren am Dienstag als erster Luxemburger ins Geschehen eingreift. Er kam am 12. September an. Die nächste Gruppe um die Nachwuchsfahrer landet am Samstag in Australien. Helmig hätte in diesem Flug gerne alle weiteren Sportler gehabt, doch da einige Fahrer noch bei der Tour de Luxembourg aktiv sind, ging dieser Plan nicht auf. Geniets, Luc Wirtgen, Heiderscheid und Kluckers werden in einer dritten Welle nach Australien reisen. 

Das größte Problem ist finanzieller Art

Um mit den zwölf Sportlern nach Australien zu reisen und diese vor Ort in optimalen Bedingungen zu betreuen, belaufen sich die Kosten für die FSCL auf etwa 150.000 Euro. Damit habe man ein Sechstel des Jahresbudgets aufgebraucht, erklärt Camille Dahm, Präsident des nationalen Radsportverbands. Einen ausführlichen Bericht, wie Dahm diese Kosten decken möchte, lesen Sie in der Dienstagsausgabe des Tageblatt. 

Offene Quotenplätze: 
21 luxemburgische Radsportler hätten in Australien starten dürfen. Nach der verletzungsbedingten Absage von Christine Majerus reist die FSCL mit zwölf Fahrern nach Down Under. Helmig verrät dabei, dass auch nicht mehr Athleten in diesem Jahr bei einer WM in Europa gestartet wären. „Der sportliche Faktor steht ganz klar im Vordergrund“, sagt er. „Eine WM sehen wir gerade bei den Junioren und der U23 als Teil der Ausbildung an. Es hängt von der sportlichen Leistung ab. Wenn das Niveau noch nicht da ist oder andere sportliche Gründe gegen eine Selektion sprechen, dann machen wir den Kader nicht voll.“ 

Sportliche Ziele: 
Mit Mathieu Kockelmann hat die FSCL ein heißes Eisen im Feuer. In Portugal fuhr der 18-Jährige im vergangenen Juli bei den Junioren zum Europameistertitel im Zeitfahren. „Wieso sollte er diese Leistung nicht noch mal abrufen können?“, sagt Helmig. „Wir fahren nicht mit der Erwartung nach Australien, eine Medaille zu holen. Aber Mathieu soll sich im Zeitfahren von seiner besten Seite zeigen. Im Zeitfahren kann man viele Faktoren besser kontrollieren, das macht es für uns einfacher.“ Auch beim Straßenrennen schickt die FSCL mit Kockelmann und Mil Morang ein ambitioniertes Duo ins Rennen. Doch auch die Espoirs, deren fünf an den Start des Straßenrennens gehen, kommen mit einem starken Kollektiv. Zuletzt animierten vor allem Arthur Kluckers und Mats Wenzel die Tour de l’Avenir. Mit Cédric Pries und Tom Paquet können außerdem zwei weitere Fahrer bei einer Sprintankunft ganz vorne landen. Ein spannendes Rennen darf man auch bei der Herren-Elite erwarten, bei der Luxemburg ein ambitioniertes Quartett an den Start schickt. 

Kritik am Qualifikationssystem: 
Auch wenn „nur“ zwölf Sportler mit nach Australien reisen, hätte Helmig gerne mehr Fahrer mitgenommen. Problematisch findet er allerdings das Qualifikationssystem. „Es ist ziemlich einseitig, das zeigt das Beispiel bei den Frauen. Wir haben mit Christine eine sehr gute Fahrerin, die viele Punkte einfährt. Dadurch können wir mit drei Frauen zur WM. Es sind aber nicht drei Damen, die sich diesen Platz erarbeitet haben, sondern es liegt zu 90 Prozent an der Leistung von einer Fahrerin.“ Bei den Junioren hat Luxemburg fünf Quotenplätze erhalten – mit Mil Morang und Mathieu Kockelmann werden zwei davon besetzt. „Wir haben dieses Jahr zwei bis drei sehr gute Junioren. Dahinter ist aber ein großer Leistungsabfall. In der Breite haben wir nicht das Niveau.“ Niels Michotte hatte in diesem Jahr Paris-Roubaix der Junioren gewonnen und damit viele Punkte für Luxemburg eingefahren. Der 18-Jährige ist in Australien nach einem Sturz bei der Bahn-EM nicht am Start. Michotte laborierte an einem Hämatom am Bein und kam deswegen nicht für die Titelkämpfe infrage.

Das Programm 

Zeitfahren:
Sonntag, 18. September: 

1.35 Uhr (alle Uhrzeiten in MESZ): Damen Elite/Espoires (34,2 km)
5.40 Uhr: Herren Elite (34,2 km)
Montag, 19. September:
5.20 Uhr: Espoirs (28,8 km)
Dienstag, 20. September:
1.30 Uhr: Juniorinnen (14,1 km)
5.20 Uhr: Junioren mit Mathieu Kockelmann (28,8 km)
Mittwoch, 21. September:
6.20 Uhr: Mixed-Staffel (28,2 km)

Straßenrennen:
Freitag, 23. September:

0.15 Uhr: Junioren mit Kockelmann und Mil Morang (135,6 km)
5.00 Uhr: Espoirs mit Arthur Kluckers, Cédric Pries, Mats Wenzel, Rafael Pereira Marques und Tom Paquet (169,8 km)
Samstag, 24. September:
0.00 Uhr: Juniorinnen (67,2 km)
4.25 Uhr: Elite Damen/Espoires mit Nina Berton (164,3 km)
Sonntag, 25. September:
2.15 Uhr: Elite Herren mit Bob Jungels, Kevin Geniets, Colin Heiderscheid und Luc Wirtgen (266,9 km)