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100 Jahre GemeindefusionLuxemburgs Weg zur Großstadt

100 Jahre Gemeindefusion / Luxemburgs Weg zur Großstadt
Und sie wächst weiter.  Foto: Editpress/Alain Rischard

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Durch die Gesetze vom 26. März und 30. Juni 1920 schlossen sich die Gemeinden Hollerich, Hamm, Rollingergrund und Eich mit der Stadt Luxemburg zusammen. So entstand das heutige Stadtgebiet mit 51,73 km Fläche, was rund zwei Prozent der Landesfläche einnimmt. Seit 2012 zählt unsere Hauptstadt mehr als 100.000 Einwohner und gilt damit als Großstadt im Sinne des International Statistical Institute.

Flächenmäßig ist Luxemburg-Stadt vergleichbar mit Castrop-Rauxel in Nordrhein-Westfalen (51,66 km2), Bern (52 km2) oder Le Mans (52,81 km2). Von der demografischen Größenordnung her liegen diese Städte zwischen 73.425 Einwohner (Stand: 1.1.2019) für Castrop-Rauxel und 142.946 für Le Mans (Stand: 31.12.2017). Mit 122.273 (31.12.2019) liegt Luxemburg zusammen mit Bern im Mittelfeld. 

1922 bot das neu geschaffene Stadtgebiet „Groß-Luxemburg“ eine Bevölkerungsdichte von 907 Einwohnern pro km2. Diese Dichte entspricht heute einem Gebiet von 204,45 km2 mit einer Gesamtbevölkerung von 185.545 Einwohnern. Dieser Raum umfasst die Gemeinden Luxemburg, Bartringen, Strassen, Mamer, Walferdingen, Steinsel, Hesperingen und Niederanven.

Mit 2.364 Einwohnern pro Quadratkilometer ist Luxemburg heute gleich dicht bevölkert wie Bonn (2.320 Einwohner pro km– 2018) und bedeutend dichter als Saarbrücken, Trier oder Namur (632 Einwohner pro km– 2018), jedoch weniger dicht als Liège (2.852 Einwohner pro km2 – 2018) oder Metz.

Das vor genau 20 Jahren gegründete Städtenetz Quattropole vereint im Herzen der Großregion, im Grenzraum zwischen Frankreich, Deutschland und dem Großherzogtum, Luxemburg, Metz, Saarbrücken und Trier. Interessant ist zu sehen, welchen Einfluss die Fläche einer Stadt auf ihre Größe, aber auch auf ihre Bevölkerungsdichte haben kann.

* Luxemburg 2019, Trier 2018, Saarbrücken 2019, Metz 2019; Quellen: vdl.lu, trier.de, saarbrücken.de, metz.fr
* Luxemburg 2019, Trier 2018, Saarbrücken 2019, Metz 2019; Quellen: vdl.lu, trier.de, saarbrücken.de, metz.fr Grafik: Editpress

Laut dem „Observatoire du logement“ verfügte Luxemburg-Stadt im Jahr 2016 mit 330 Hektar über das höchste Entwicklungspotenzial des Landes. Nach 100 Jahren ist das damals geschaffene Stadtgebiet daher noch längst nicht aufgebraucht. Bis zu 180.000 Einwohner könnte die Stadt ohne Änderung des Bauperimeters laut dem „Plan d’aménagement général“ aus dem Jahr 2017 aufnehmen. 22 Prozent des heutigen Stadtgebiets sind mit Wäldern bedeckt. Sie stellen die grüne Lunge der Hauptstadt dar.

Aus dem Korsett ausbrechen

Vor 100 Jahren war die Lage völlig anders. Kurz vor der Eingemeindung lag die Bevölkerung in Luxemburg-Stadt 1916 bei 5.698 Einwohnern pro Quadratkilometer. 1920 vergrößerte sich das Stadtgebiet schlagartig um das Vierzehnfache. Infolge der Gemeindefusion wuchs die Bevölkerung in der Kommune von 20.217 (1916) auf 45.676 (1922) Einwohner. Erstickte die Hauptstadt einst in ihren Festungsanlagen, so war das bestehende Gemeindegebiet 1920 nahezu völlig aufgebraucht. Zwischen 1864, also unmittelbar vor der Öffnung der Stadt, betrug die Einwohnerzahl 13.926 Personen. 1905 hatte sie ihre Höchstzahl erreicht (21.048 Einwohner). Die Stadt konnte sich nicht mehr erneuern und die Einwohnerzahl sank trotz Erschließung des „Plateau Bourbon“ (1906) auf 20.217 (1916). Die Nachbargemeinden wuchsen dagegen stetig. In Hollerich befand sich der Zentralbahnhof und die angrenzenden Gewerbezonen Eich-Dommeldingen die Hüttenwerke.

Die ersten Überlegungen zu einer Zusammenlegung der Gemeinden von Hollerich und Luxemburg wurden kurz nach der Öffnung der Stadt, im Jahr 1875, gemacht. Ziel war, eine einheitliche Gas-Beleuchtung der avenue de la Gare zu gewähren. Ähnliche Fragen stellten sich rasch zum Anschluss an das Wasserleitungs- und Kanalisationsnetz der Nachbargemeinden. 1893 hatte Ingenieur Jean Worré einen Urbanisierungsplan für Luxemburg und die Gemeinde Hollerich vorgelegt. Vorrangig ging es um die Planung des Baus der avenue de la Liberté und des pont Adolphe.

Gemeinde Eich macht einen Rückzieher

1901 hatte die Gemeinde Luxemburg den deutschen Städtebauer Josef Stübben beauftragt, Pläne zur Bebauung des Limpertsbergs einzureichen. Auch hier wurde das Gebiet der Gemeinde Rollingergrund in die Planung mit einbezogen. 1910 hatte die Regierung eine Kommission eingesetzt, die über eine zukünftige Gemeindefusion zwischen der Stadt Luxemburg und ihren Nachbargemeinden beraten sollte. Ab 1913 fuhr die städtische Straßenbahn in die Nachbargemeinde Eich.

Zwischen 1885 und 1922 wurden den Regierungen sowie den Gemeinderäten Luxemburgs und Hollerich mehrere Petitionen zum Bau einer gemeinsamen Kirche im Bahnhofsviertel eingereicht. Erst die Eingemeindung konnte hier eine Lösung bringen. Vorerst wird der Gemeindesektion Hollerich-Bonneweg durch das Gesetz vom 7. April 1914 ermächtigt, den Titel „Stadt“ zu tragen. Am 29. November 1919 stimmt die „section centrale“ der freiwilligen Fusion der vier Gemeinden mit der Stadt Luxemburg zu. Im letzten Augenblick macht die Gemeinde Eich einen Rückzieher und veranstaltet ein Referendum. Dies erklärt, weshalb sich die Gemeindefusion 1920 über zwei Gesetze regelte.

Jedes Stadtviertel ist ebenbürtig

Ziel der Gemeindefusion war es, eine Vereinheitlichung der Gemeindesteuern und des Haushalts zu schaffen, der steten Zersiedlung Einhalt zu gebieten und den Bürgern hochwertige Dienstleistungen zu sichern. Es sollte möglich werden, den Städtebau einheitlich zu begleiten. Die Auflösung der kommunalen Gütertaxe „Octoi“ war Bedingung zur Fusion. Während zehn Jahren unterstützen die Luxemburger Regierungen die Gemeinde mit der Zahlung eines Ausgleiches für den Ausfall dieser Einnahmen.

Über unterschiedliche Zuschüsse halfen sie der Gemeinde „Groß-Luxemburg“ bei der urbanen Erschließung des neuen städtischen Raums. Durch die Eingemeindung waren die entlegensten Orte wie Weimershof, Merl, Gasperich oder Cessingen mit Hollerich und allen weiteren zentralen und peripheren Viertel und bebauten Zonen gleichwertig. Deshalb wurde bereits 1921 der „Service topographique“ ins Leben gerufen“. Die Sicherheit der Bürger „Groß-Luxemburgs“ verlange 1922 die Gründung einer städtischen Berufsfeuerwehr, den Ausbau des Polizeidienstes (1923).

Eine neue Stadt entsteht 

Joseph Stübben, welcher bereits 1901 in Luxemburg für den Limpertsberg und das plateau Bourbon zurate gezogen worden war, wurde 1922 von der Gemeindeverwaltung beauftragt, einen einheitlichen, zusammenhängenden Bebauungsplan für die neuen Bezirke einzureichen. Im hügeligen Stadtgebiet bemühte er sich, die Vorzüge der Landschaft in seinen Plänen zu berücksichtigen. Typ der Bebauung, Planung öffentlicher Plätze und Straßenverbindungen sollten einen kohärent funktionierenden Stadtraum schaffen. Dazu gehörte die Erschließung der neuen Bezirke durch den öffentlichen Nahverkehr. 1922 wurde die Straßenbahn nach Beggen ausgebaut, 1923 erreichte sie Neudorf, dessen Bevölkerung sich freute, nun von den gleichen Dienstleistungen zu profitieren wie Limpertsberg.

Ab 1924 fuhr die Straßenbahn nach Bonneweg, ab 1926 nach Merl, ab 1929 nach Rollingergrund, zusätzlich zur Bahnverbindung Luxemburg-Echternach (Charly). 1926 wurden die ersten sechs Buslinien zu den topografisch schwer erreichbaren Stadtteilen eingesetzt. Die „Société nationale des habitations à bon marché“ baute in dieser Zeit ihre „cités“ in unmittelbarer Nähe zu Tram- und Bushaltestellen (Val Ste-Croix, Gasperich, Siechenhof, Bonnevoie, Rollingergrund, Hamm, Limpertsberg, Belair). Diese Verteilung der unteren und mittleren Schichten auf dem gesamten städtischen Raum wurde nach ausländischem Modell unternommen, ging es doch darum, der „sozialen Zusammenrottung“ entgegenzuwirken. Gleichzeitig wurden auch ältere Viertel saniert. Altstadt, Pfaffenthal, Clausen und Grund sollten den gleichen hygienischen Ansprüchen entgegenkommen als neue Viertel. Zur Hygiene gehörte auch der Bau eines neuen und für das neue Stadtgebiet funktionierenden Schlachthofs in Hollerich (1927). Vorbei war es nun mit den Viehversteigerungen in Gasthöfen.

Moderne Dienstleistungen

Unter der Leitung von Bürgermeister Gaston Diderich (1921 bis 1940 und 1944 bis 1946) wurden die bis dahin umliegenden Dörfer der Gemeinde mit modernen Dienstleistungen ausgestattet. Gemeindeeigene Schulneubauten wurden in Merl (1924), Hamm (1931), Belair (1933) und Hollerich (1937) errichtet. Die bestehenden Schulgebäude wurden vergrößert und modernisiert. 1928 wurde das „Stade municipal“ eröffnet. Fußballplätze wurden in allen Stadtteilen angelegt oder modernisiert. Kirchen wurden auf Plateau Bourbon, in Gasperich und Beggen errichtet. 1928 wurden die Werkstätten und Garagen des Hygienedienstes errichtet. Die Müllabfuhr wurde 1932 systematisch für sämtliche Stadtviertel neu organisiert. Bis 1926 ist jedes Viertel mit Gas, Wasser, Kanalisation und Elektrizität versorgt.

Die Wassertürme an der route d’Arlon oder Kohlenberg zeugen noch heute von diesen wichtigen Infrastrukturarbeiten. In den Jahren 1933 bis 1937 wurden die Kläranlagen in Beggen, Gasperich, Bonneweg und Verlorenkost in Betrieb genommen. 1932 wurden in sämtlichen Stadtviertel öffentliche Uhren aufgestellt; das Leben richtete sich nun nach festen Arbeitszeiten und Taktfahrten von Bahn und Bus. Wer auf einen starken Bevölkerungswachstum setzte, musste damals auch den Ausbau der Friedhöfe mit einplanen (Hamm 1932, Hollerich 1932, Merl 1935, Bonneweg 1935).