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ReiseberichtGeorgien – Die unbekannte Schwester

Reisebericht / Georgien – Die unbekannte Schwester
Das kleine Georgien ist von seiner besonderen geografischen Lage, an der Kreuzung zwischen Europa und Asien, geprägt Foto: Christian Muller

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Georgien, ein eher unbekanntes und bisher nur relativ wenig bereistes Land, will mehr auf sich aufmerksam machen. Der Staat am Schwarzen Meer hat zwar viele schwierige Jahrzehnte hinter sich, doch in den letzten Jahren hat er große Fortschritte zurückgelegt. Die Infrastruktur wurde sichtbar ausgebaut und der internationale Tourismus hat sich zu einer wichtigen Einnahmequelle entwickelt. Das Land hat auch viel zu bieten, findet unser Kollege Christian Muller.

Obwohl Georgien ganz am Rande des europäischen Kontinents liegt, sehen sich die Menschen dennoch ganz klar als Teil des alten Kontinents. Bereits in der antiken Welt blühte der Handel zwischen Georgien und beispielsweise dem alten Griechenland. Exportiert wurden damals vor allem Produkte aus Metall und Wein. Das Wort Georgien stammt vom altgriechischen Wort für Landwirtschaft. Eine der ältesten griechischen Sagen, die Suche nach dem Goldenen Vlies, spielte sich im heutigen Georgien ab. Später war die Region Teil des römischen Reiches. Im Jahre 337 wurde das Christentum zur Staatsreligion erklärt.

Vom Massentourismus blieb das kleine Land mit seinen 3,7 Millionen Einwohnern an der Kreuzung von Europa und Asien bisher verschont. Dennoch hat der Staat Besuchern viel zu bieten, von Küstenlandschaften am Schwarzen Meer bis hin zu den Gletschern des Kaukasus. Und diese Sehenswürdigkeiten will man der Welt zeigen.

Ein traditioneller Binnenhof
Ein traditioneller Binnenhof

Dabei war es nicht einfach für den Staat, sich nach dem Ende der Sowjetunion wieder neu zu erfinden. Doch nach rund zehn Jahren kam das Land wieder in ruhigere Gewässer. Zuletzt kamen auch – abgesehen von der Corona-Saison – wieder mehr Touristen. Rund sechs Millionen sollen es 2018 gewesen sein. Aus allen möglichen Ecken der Welt, auch wieder aus Russland. Überdurchschnittlich stark vertreten waren dabei Gäste aus China sowie aus muslimischen Ländern. Aus der EU wurden etwas weniger als eine halbe Million Gäste gezählt. Im Jahr 2017 wurde die Visa-Pflicht für georgische Staatsbürger, was den Zugang zum Schengen-Raum betrifft, aufgehoben.

Beginnen tun die meisten Georgien-Besucher ihre Reise über den modernen Flughafen der Hauptstadt Tiflis. Hier stößt Geschichte auf Moderne. Alle großen Epochen, die die Stadt erlebt hat, sind sichtbar. Dazu zählt eine durchgehend renovierte mittelalterliche Altstadt, graue Betonklötze aus der Sowjetzeit und glitzernde Neubauten der Marktwirtschaft.

Blick auf die Hauptstadt Tiflis
Blick auf die Hauptstadt Tiflis Foto: Christian Muller

Auf einem der Berge direkt neben der Stadt thront, neben den Ruinen einer alten Burg, eine 20 Meter hohe Statue, die „Mutter Georgiens“. In einer Hand hält sie eine Schale Wein für Freunde und in der anderen ein Schwert gegen die Feinde. Ein Symbol, wie Reiseführer Kartlos Chabashvili im Rahmen eines Besuchs von Journalisten, der im Herbst letzten Jahres stattfand, sagte: „Jeder wird so empfangen, wie er ankommt. Mal freundlich, mal aggressiv.“ Das Land hat bewegte Jahrhunderte hinter sich. Auf eine Invasion folgte die nächste (Araber, Perser, Mongolen, Osmanen und Russen).

Die „Mutter Georgiens“
Die „Mutter Georgiens“

Doch Touristen sind gern gesehene Gäste. Unzählige kleine Restaurants bieten in der Altstadt ihre Spezialitäten an. Mal sind die Teigwaren, Fleisch- und Gemüsegerichte arabisch angehaucht, mal türkisch … aber immer irgendwie auch europäisch.

Als etwas ungewöhnlich fallen die vielen streunenden Hunde im Stadtpark auf. Doch eigentlich sind es keine richtigen Streuner, wie der Reiseführer erklärt. Die Stadt hat innoviert. Da viele Familien in Appartments wohnen und keinen Hund halten können, wurde entschieden, die herumstreunenden Hunde zu behalten, erläutert der Reiseführer. Automaten zum Kauf von Hundefutter wurden errichtet. Die Tiere werden mit einem Knopf im Ohr gekennzeichnet. Aggressiv dürfen sie nicht sein. „Das ist eine gute Lösung“, meint der Reiseführer. „Sowohl für die Hunde als auch für die Kinder, die mit ihnen spielen können.“

Nur rund 20 Kilometer von Tiflis liegt die alte Hauptstadt Georgiens. Während fast 1.000 Jahren bis zum 6. Jahrhundert war Mzcheta das Zentrum des iberischen Reichs. Noch heute ist die Stadt das religiöse Zentrum des Landes. Die „Kathedrale der lebensspendenden Säule“, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, war über mehrere Jahrhunderte die Krönungs- und Begräbniskirche der georgischen Könige.

Das Kirchengebäude sei mehrfach zerstört und wieder aufgebaut worden, erläutert eine Reiseführerin. Aufeinanderfolgende Invasoren haben ihre Spuren hinterlassen. Die heutige Kathedrale wurde im 11. Jahrhundert errichtet und erinnert an die Kirchen im Byzantinischen Reich. „Kirchen wurden damals wie Burgen gebaut“, so die Reiseführerin. „Mit den dazugehörigen Festungsmauern und Geheimgängen.“

Kirchen wurden früher immer auch als Burgen gebaut
Kirchen wurden früher immer auch als Burgen gebaut Foto: Christian Muller

In der Kathedrale befindet sich zudem eine kleine Kopie der Grabeskirche aus Jerusalem. Die Menschen wollten pilgern, erklärt die Reiseführerin weiter. Doch die Region sei von muslimischen Ländern umringt gewesen. „Das Leben war für die Menschen immer ein Kampf.“ So bedeute die Übersetzung des georgischen Wortes für Hallo (Gamardjoba) beispielsweise Sieg. „Überleben war immer das Wichtigste. Und Religion ist auch heute noch ein wichtiger Teil der nationalen Identität.“

Wichtig für die Georgier ist auch ihre Natur, etwa die Berge. Diese zählen zu den höchsten Europas. Motivierte Besucher können im Sommer beispielsweise eine mehrtägige Wandertour zum Gergeti-Gletscher (mehr als 5.000 Meter über dem Meeresspiegel) machen. Georgien zählt elf staatliche Naturschutzgebiete. Fast die Hälfte des Landes ist bewaldet.

Die Gergeti Trinity Church aus dem 14. Jahrhundert vor dem Hintergrund des fünfthöchsten Gipfels Europas, dem Berg Kasbek
Die Gergeti Trinity Church aus dem 14. Jahrhundert vor dem Hintergrund des fünfthöchsten Gipfels Europas, dem Berg Kasbek Foto: Christian Muller

Besonders stolz sind die Georgier jedoch auf den eigenen Wein – und vor allem darauf, das wohl echte Heimatland des Weins zu sein. Das Land nutzt eine andere Methode als Luxemburger Winzer, um Wein herzustellen: Erst werden die Trauben gepresst. Dann wird alles (Kerne, Haut und Frucht) drei bis sechs Monate in einer Art Amphore (Quevri genannt) in den Boden eingelegt. Die Reste sinken automatisch nach unten. Oben kann der reine Wein abgeschöpft werden. Archäologischen Spuren zufolge wurde diese Methode bereits vor 8.000 Jahren in Georgien angewendet.

In Georgien entsteht der Wein nicht in Fässern, sondern unter der Erde
In Georgien entsteht der Wein nicht in Fässern, sondern unter der Erde Foto: Christian Muller

Im Winter zählt das Wintersportgebiet Gudauri zu den Geheimtipps. Es liegt auf einer Höhe von 1.993 bis 3.276 Metern und hat somit eine gewisse Schneegarantie. Der Weg ist zwar weiter als bis in die Alpen – die Preise sind aber günstiger. Derzeit stehen den Gästen 15 Lifte und 35 Kilometer Piste zur Verfügung. Als Besonderheit ist „Heliskiing“ im Angebot: Per Helikopter geht es auf die umliegenden Gipfel und dann durch den Tiefschnee zurück ins Tal.

Sobald die aktuelle Krise vorbei ist und der internationale Tourismus wieder auflebt, hofft das Land an die bisher erreichten Erfolgszahlen erneut anknüpfen zu können. Mithelfen, um Georgien wieder mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, sollen die „Freestyle Ski and Snowboard World Championships“. Im Jahr 2023 werden sie im aufstrebenden Skigebiet Gudauri stattfinden. Das Land will sich der Welt zeigen.


Weiterführende Informationen:
www.georgia.travel (Tourismus-Behörde)
www.gnta.ge (Tourismus-Behörde)
www.intergeorgia.travel (personalisierte Reisen)

Blick auf ein Dorf in den Bergen
Blick auf ein Dorf in den Bergen Foto: Christian Muller