Für die stets mutigen und aggressiven Marokkaner platzte nach dem historischen Vorstoß in die Vorschlussrunde der Traum, als erste afrikanische Mannschaft das Endspiel zu erreichen. Frankreich gegen Argentinien, das ist hingegen das perfekte Finale für Katar: Die Weltstars beider Nationen sind Vereinskollegen bei Paris St-Germain – und der französische Meister gehört dem WM-Gastgeber. Die Argentinier hatten Kroatien am Dienstag 3:0 besiegt.
Die Franzosen zogen nach. Die 68.294 Zuschauer im „Beduinenzelt“ von Al-Khor unterstützten zum Großteil mit riesiger Leidenschaft und Lautstärke den Außenseiter, allein die Hymne war ein Ereignis. Doch es half nichts: Theo Hernandez (5.), jüngerer Bruder des verletzten Bayern-Spielers Lucas, und der 44 Sekunden zuvor eingewechselte Frankfurter Randal Kolo Muani (79.) führten Frankreich trotz zwischenzeitlicher Probleme ins Finale. Staatspräsident Emmanuel Macron jubelte neben dem FIFA-Regenten Gianni Infantino.
So werden sie sich also treffen am Sonntag (16.00 Uhr/ARD und MagentaTV): Kylian Mbappé, 23 Jahre jung, gewandt, blitzschnell, sagenhaft torgefährlich, der teuerste Spieler der Welt, bereits Weltmeister von 2018. Und: Lionel Messi, 35, sechsmaliger Weltfußballer, der dann alleinige WM-Rekordspieler (26 Einsätze), der begabteste Spieler seiner Zeit – dem nur dieser eine Titel zur Krönung fehlt.
Spiel mit historischem Hintergrund
Frankriech gegen Marokko, ein Spiel, das sportlich, historisch und gesellschaftspolitisch aufgeladen war. Trainer Walid Regragui und einige Spieler haben französische Wurzeln, Frankreich hatte Marokko als Kolonialmacht 1956 in die Unabhängigkeit entlassen. Nicht nur in Paris wurden angesichts der vielen Marokkaner im Land Ausschreitungen befürchtet. Allein in der Hauptstadt hielten sich 5.000 Sicherheitskräfte zum Einschreiten bereit.
Auf dem Platz übernahm Frankreich ohne einen Spieler des München-Quartetts das Kommando – und traf fast sofort. Fünf Marokkaner warfen sich im Strafraum in zwei Schussversuche von Mbappé, dadurch stand Hernandez frei und traf mit hohem linken Bein. Es war das früheste WM-Halbfinaltor seit jenem des Brasilianers Vava 1958.
Marokko, in Rückstand unbeirrt mit Fünferkette, eroberte einige Bälle im Mittelfeld und fand so ins Spiel, Hugo Lloris musste gegen Azzedine Ounahi das erste Mal parieren (10.). Olivier Giroud ließ auf der Gegenseite den Pfosten beben (17.). Es ging hoch und runter, Marokkos hochgelobte Abwehr wankte, weil sie höher stand als zuvor. Zudem wurde Roman Saiss früh ausgewechselt.
Dennoch blieb die große Überraschungsmannschaft der Endrunde risikobereit, kreativ, stark. Beispiel: Verteidiger Jawad El Yamiq setzte einen Fallrückzieher spektakulär an den Pfosten (44.). Frankreichs Mittelfeld war ohne Adrien Rabiot leichter zu überspielen, Pässe in die Tiefe lösten immer wieder Unruhe aus. Marokko lebte jedoch enorm gefährlich, wenn Mbappé oder Aurélien Tchouaméni loszogen: Giroud vergab eine zweite Großchance (36.).
Marokko löste im Spielverlauf einen Verteidiger aus der Kette, Noussair Mazraoui vom FC Bayern blieb zur Pause angeschlagen in der Kabine. Sogleich stieg der Druck: Frankreich hatte einige Mühe, brandgefährliche Hereingaben an den Fünfmeterraum zu entschärfen.
Hakim Ziyech und Achraf Hakimi trieben energisch an, Sofiane Boufal drehte als Dribbler auf. Es war eine Phase, in der Marokko alle Stärke und Wucht entfaltete, mühsam im Zaum gehalten vom Weltmeister. Mbappé bekam Härte zu spüren, hielt aber dagegen: Der abgefälschte Schuss vor dem 2:0 war seiner.
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