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Petition#etgeetduer: Initiatorinnen fordern mehr Konsequenz im Kampf gegen Diskriminierung und Gewalt

Petition / #etgeetduer: Initiatorinnen fordern mehr Konsequenz im Kampf gegen Diskriminierung und Gewalt
Durch die Petition soll wieder vermehrt über die Themen Mobbing, (sexuelle) Gewalt und Diskriminierung gesprochen werden Symbolfoto: Editpress/Alain Rischard

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Mehr Konsequenz bei der juristischen Verfolgung von Diskriminierung, Gewalt, Mobbing, Stalking und Hatespeech: Das fordert eine neue Petition, die seit vergangenem Mittwoch auf Unterschriften wartet. Das Tageblatt hat sich mit den beiden Initiatorinnen auf ein Gespräch getroffen.

Petitionen sind in ihren Forderungen meist klar: „Für die Einführung einer Schuldenbremse“ lautet etwa eine Forderung, für die „Einführung von gratis Tafelwasser in Restaurants“ eine andere. Seit vergangenem Mittwoch kann auch eine Petition unterschrieben werden, die in ihrem Wortlaut etwas unorthodox scheint. Denn: Die Petentin Zoé Evans fordert darin mehr Konsequenz. Mehr Konsequenz bei der Verfolgung von Diskriminierung, Gewalt, Mobbing, Stalking und Hatespeech. Knappe 1.000 Unterschriften hat die Petition bereits, 3.500 weitere sollen noch folgen, damit dem Thema eine größtmögliche Aufmerksamkeit zuteilwird.

Auslöser für die Petition war für die beiden Initiatorinnen Zoé Evans und Jill Hansen die Hetze in den sozialen Medien gegen die Lesung von Tatta Tom in der Escher Bibliothek. „Es kann doch nicht sein, dass dort so eine extreme Hetze verbreitet wird, ohne dass den dafür Verantwortlichen irgendwelche Konsequenzen drohen“, berichtet Jill Hansen von ihrem Ohnmachtsgefühl gegenüber so viel Hass. „Wir haben versucht, die Kommentare oder auch Videos, die auf den verschiedenen Plattformen kursiert sind, zu melden“, schließt sich Zoé Evans an. Die Antwort: „Es ist keine Hassrede erkennbar.“ In dem Punkt sei für die beiden Freundinnen klar gewesen: „Wir müssen etwas unternehmen.“

Zoé Evans und Jill Hansen haben die Petition gestartet
Zoé Evans und Jill Hansen haben die Petition gestartet Foto: Sidney Wiltgen

Kein Gehör

Den beiden Frauen geht das Thema Mobbing, Gewalt und Hetze nahe. Beide haben bereits am persönlichen Leib erfahren müssen, was es heißt, Opfer von Mobbing und Gewalt zu sein – und bei den eigentlich verantwortlichen Institutionen anschließend kein Gehör zu finden. Mehrfach sei sie als Schutzsuchende schon von der Luxemburger Polizei wieder nach Hause geschickt worden, sagt Hanse. „Es hängt sehr stark vom Feingefühl und der Empathie des diensthabenden Polizisten ab“, gibt sie zu Protokoll. Nicht die einzige schlechte Erfahrung: „Ein Bekannter von mir wurde von einer Gruppe Männer zusammengeschlagen.“ Trotz Videobeweisen und einem kaputten Kiefer wurde die Anzeige später fallen gelassen. Der angebliche Grund, der genannt wurde: „Das Opfer wurde scheinbar nicht ausreichend genug geschädigt.“ Schlechten Willen wollen die beiden Frauen den Behörden aber nicht unterstellen. „Vielleicht fehlt es auch an der nötigen Sensibilisierung“, meint Evans. Teilweise habe man einfach das Gefühl, dass das komplette System überfordert und überlastet sei. „Warum nicht auch Sozialmitarbeiter auf Polizeidienststellen einstellen, die den Beamten bei manchen Fällen unter die Arme greifen können?“

Dass Opfern von Diskriminierung und Hatespeech in Luxemburg, wenn überhaupt, nur mit halbem Ohr zugehört wird, ist leider kein Einzelfall, wie die rezente Vergangenheit zeigt. Yannick Schumacher, im Netz unter dem Pseudonym „Yaya“ bekannt, wurde im Juni Opfer einer homophoben Attacke auf einem Fest in Düdelingen. Als er daraufhin Anzeige erstatten wollte, antwortete der diensthabende Offizier lapidar, was er sich davon erwarte – und empfahl, nach vier Tagen wieder zurückzukommen.

Im Nachhinein lerne man als Erwachsener, mit solchen Situationen umzugehen. „Wenn ich aber daran denke, dass Kinder und Jugendliche Gewalt- und Hassvideos sehen und vielleicht sogar bei der Plattform melden und dann als Antwort erhalten, dass die darin verbreiteten Inhalte in Ordnung seien, ist das nicht in Ordnung“, sagt Evans, die als Erzieherin in einem Jugendhaus arbeitet. Bee Secure habe den beiden erst nach zwei Wochen Rückmeldung gegeben, dass man sich den Fall mal genauer anschaue. „Die Plattform ist doch nur dafür zuständig“, wundert sich Hansen über die lange Reaktionszeit. Beim „Centre d’égalité de traitement“ habe man hingegen sofort Rückmeldung erhalten, dass das Dossier an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde. Aufgrund persönlicher Erfahrungen bleibt Hansen jedoch recht skeptisch: „Ob das aber jetzt zur Anzeige gebracht wird oder irgendwann fallengelassen wird, wissen wir nicht.“ Sie ist ebenfalls gelernte Erzieherin, arbeitet aber mittlerweile nicht mehr im sozialen Bereich.

Übermäßiger Medienkonsum

Bilder von Menschen, die Drogen nehmen und sich dabei filmen, sind auf TikTok frei für jeden zugänglich
Bilder von Menschen, die Drogen nehmen und sich dabei filmen, sind auf TikTok frei für jeden zugänglich Screenshot: privat

Doch nicht nur in den sozialen Medien sind die rezenten Gewaltvideos ein Thema. „Wir wurden von Jugendlichen im Jugendhaus darauf angesprochen“, sagt Evans. Besonders das Video vom Vorfall im Mamer Lyzeum habe die Runde unter den Jugendlichen gemacht. „Daraufhin haben sich einige uns anvertraut und uns Videos gezeigt, in denen sie selbst Opfer waren“, erklärt Evans. Das Thema beschäftige die Jugendlichen schon – allerdings auch nur, weil es sie in irgendeiner Form direkt tangiere. Bei Videos, zu denen die Jugendlichen keinen direkten Bezug zu den Protagonisten hätten, seien viele Jugendliche bereits sehr abgestumpft. „Mein Gefühl sagt mir, dass das auch teils dem unkontrollierten Informations-Overload der sozialen Medien geschuldet ist.“

Auch deswegen, weil sich in den sozialen Medien mittlerweile eine nur noch schwer kontrollierbare Dynamik entwickelt habe. Unter dem augenscheinlich harmlosen Schlagwort #tanteemmaladen können Konsumenten ohne Probleme auf die Drogenszene oder auf Gewaltvideos zugreifen. Konsumenten, die jedoch oft noch Kinder sind. „13-Jährige können sich dann ohne Probleme ihre Drogen über TikTok bestellen“, sagt Zoé Evans. Schlimmer noch: „Für sie ist das normal – weil sie das eben tagtäglich sehen.“

Hohe Dunkelziffer

Das Engagement ging aber trotz teils desillusionierender persönlicher Erfahrungen nicht verloren. „Es muss einfach ein Zeichen gesetzt werden“, sagt Evans. Es gebe Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und Hatespeech: Im „Code pénal“ werde klar aufgelistet, was ein Gewaltverbrechen sei und was nicht. Was also erwarten sich die beiden Initiatorinnen von der Petition? „Dass die Strafverfolgung den ‚Code pénal’ auch konsequent anwendet.“ Die Dunkelziffer von Opfern, die sich aufgrund von vergangenen Erfahrungen nicht mehr bei den Behörden melden, sei hoch, befürchten beide Petentinnen. Beispiele im Freundes- und Familienkreis gäbe es zur Genüge. „Man redet dann von ‚erlernter Hilflosigkeit’“, erklärt Jill Hansen.

In den – wie könnte es anders sein – sozialen Medien wurde die Petition nicht nur mit Wohlwollen aufgenommen. Einige Kritiker wollen darin den Versuch sehen, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Volksverhetzung ist keine Meinungsfreiheit, lautet hingegen das Credo der beiden Initiatorinnen. „Auch das ist im ‚Code pénal’ klar definiert“, sagt Zoé Evans. Letzten Endes geht es den beiden aber nicht um den Erfolg der Petition, sondern darum, dass die breite Öffentlichkeit sich mehr mit dem Thema beschäftigt. Weitere Aktionen sind deshalb bereits in der Planung. Unter anderem stehe man auch bereits mit Yannick Schumacher in Kontakt. Das Übel soll dann dort bekämpft werden, wo es die größte Dynamik entwickelt: in den sozialen Medien. Den Gewaltvideos wolle man etwas entgegensetzen. Anstelle im virtuellen Drogenladen soll dann über Mobbing und Gewalt sensibilisiert werden. Einen eigenen Hashtag bekommt die Aktion auch: #etgeetduer.