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EditorialErtrinkungsgefahr: Wähler müssen sich politisches Wissen aneignen – trotz Informationsflut

Editorial / Ertrinkungsgefahr: Wähler müssen sich politisches Wissen aneignen – trotz Informationsflut
Politische Debatten – wie die vom Tageblatt – sind eine gute Gelegenheit für die Wähler, sich über die Parteien zu informieren Foto: Editpress/Julien Garroy

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Eine Elefantenrunde war es also. Bei RTL waren am Dienstagabend große Luxemburger Politiker zu Gast, die große politische Themen diskutiert haben und das zum Teil mit großen Worten. Um das alles komplett mitverfolgen zu können, muss der Wähler allerdings auch über ein großes politisches Wissen verfügen. Eigentlich hat jeder wahlberechtigte Mensch die Pflicht, sich über die politische Landschaft zu informieren. Das ist allerdings nicht immer einfach.

An die Informationen zu kommen, ist dabei nicht das Problem. Die Parteien filmen Werbeclips, posten Beiträge in den sozialen Medien und kleben Plakate neben die Straße. Sie bauen Stände auf Wochenmärkten auf, werfen Broschüren in Briefkästen und verteilen Kugelschreiber an jeden Passanten mit einer freien Hand. Sie schalten Werbung in den sozialen Medien, im Radio und in den Zeitschriften. Manche Parteien fahren sogar mit einem gelben Bus durch die Gegend, in dem laut Aufschrift die „besten Politiker Luxemburgs“ sitzen. Und das ist nur der Inhalt, den die Politiker generieren. Die Medien überfluten ihre Kunden mit der gleichen Menge an Informationen: Podcasts, Zeitungsartikel, Fernsehdebatten, Facebook-Beiträge, Fotogalerien, Videoschnipsel, Radiointerviews. Es ist momentan schwierig, nicht von der Informationsflut mitgerissen zu werden.

Doch: Wenn man sich als interessierter Wähler alle Fernsehdebatten anschauen will, muss man sich fast jeden Abend anderthalb Stunden Zeit nehmen. Oder wie wäre es mit der tiefgründigen politischen Analyse eines Wahlprogramms? Kein Problem, eine halbe Stunde Lesezeit wird doch wohl noch drin sein – neben Kindern, Arbeit und bestenfalls ein bisschen Entspannung.

Gleichzeitig ist es nicht immer einfach, dem politischen Diskurs zu folgen – und ihn kritisch zu bewerten. Um die vorgeschlagenen Lösungen wirklich in der Tiefe zu verstehen, ist ein gewisses Grundwissen erforderlich, dessen Erarbeitung wiederum Zeit beansprucht. Wenn Premierminister Bettel während der Elefantenrunde vom PNEC redet, ist sicher nicht jedem klar, welche Rolle diese Abkürzung in der Energiepolitik der Regierung spielt. Noch weniger Menschen wird bekannt sein, was überhaupt in dem nationalen Energie- und Klimaplan PNEC drin steht. Eine Aufgabe, die von den Medien übernommen wird. Voraussetzung ist eine gewisse Medienkompetenz, die auch nicht immer gegeben ist.

„Jeder muss sich das nötige Wissen aneignen“ ist also leichter gesagt als getan. Trotzdem: Wir leben in einem Rechtsstaat. Wir dürfen und müssen uns am demokratischen Prozess beteiligen. Und damit dieses System funktioniert, müssen wir uns selbst die Instrumente geben, die es erlauben, unsere Vorstellungen in der Politik wiederzufinden. Als Wähler muss man sich spätestens am Sonntagmorgen mehrere Stunden Zeit nehmen, um herauszufinden, welche Partei sich besonders mit den Problemen beschäftigt, die einem persönlich wichtig sind. Wenn jeder das macht, repräsentiert die Politik die Gesellschaft, die sie vertritt.