Wie echt die ausgelassene Stimmung am Findel war, wissen wohl nur die Nationalspieler selbst. Seit Sonntagabend dominierte rund um den 21-köpfigen Kader nämlich nur ein Thema: das Fehlen der beiden Offensivkräfte Gerson Rodrigues und Vincent Thill. Ersterer wurde vom Trainer suspendiert, da er laut Aussagen des FLF-Nationaltrainers Luc Holtz am Sonntagmorgen bereits zum dritten Mal eine Einheit des Trainingslagers verpasst hatte. Am Montagabend berichtete rtl.lu dann sogar von einer gerichtlichen Zustellung der Polizei, die der Spieler im Stade de Luxembourg erhalten haben soll. Der AIK-Solna-Profi seinerseits war schon am Samstag nach dem Sieg gegen Liechtenstein wortlos verschwunden, ein klärendes Gespräch gab es nicht.
Ausgerechnet am Tag vor dem Abflug nach Zenica hat dieser Eklat den Druck auf die Luxemburger Nationalmannschaft und ihren Trainer erhöht. Gemeinsam mit FLF-Präsident Paul Philipp wurde daher kurzfristig entschieden, das Thema zwischenzeitlich auf „stand-by“ zu stellen: „Nach dem Spiel bleibt genug Zeit, um sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen“, waren die Worte von Holtz am frühen Morgen – im letzten Interview, das es zu dieser Angelegenheit gab. Wirklich abgeschüttelt ist der Fall damit aber nicht. Rodrigues, aktuell erfolgreichster Torschütze der Nationalauswahl, eins zu eins zu ersetzen, ist nicht möglich. Gegen die athletisch überlegenen Bosnier seien aber alle Kräfte mobilisiert, um die Abgänge vor dem erwartet kampfbetonten Duell zu kompensieren: „Wir haben 22 Spieler, die allesamt bereit sind. Ich bin überzeugt davon, dass sie alles geben werden.“
Eine gute Nachricht gab es im Defensivbereich: Kapitän Laurent Jans ist nicht wie zunächst berichtet gesperrt. An der Rollenverteilung im Duell zwischen der Nummer 57 und dem 91. der FIFA-Weltrangliste ändert aufseiten der FLF-Auswahl eine Personalie ohnehin nichts. „Bosnien bleibt Favorit und eine große Nation. Wir haben am Samstag alle gesehen, wie schwer es gegen einen tiefen Block sein kann. Wenn der Rhythmus dauernd unterbrochen wird, kann man den Gegner damit beeinflussen. Allerdings ist das nicht meine Philosophie. Fußball ist eben auch ein Sport für die Fans. Ich will sie glücklich machen und ihnen Spektakel bieten. Ich war am Samstag von unserer Leistung überzeugt, das wollen wir wiederholen“, sagte Holtz.
Selbstbewusst und optimistisch
Bei den Bosniern sticht dagegen klar die individuelle Extraklasse von zwei Spielern heraus. Welchen Einfluss Edin Dzeko auf den Ausgang eines Länderspiels haben kann, erlebten die „Roten Löwen“ vor einem Jahr an gleicher Stelle: In der 66. kam der bosnische Rekordnationalspieler auf den Rasen, zwanzig Minuten später entschied er die Partie mit einem Rechtsschuss. „Wir wissen, dass wir keinen Dzeko in den Reihen haben, der ein Champions-League-Finale gespielt hat. Aber Selbstbewusstsein und Optimismus gehören dazu. Wir kennen unsere Stärken und wollen die auf den Platz bringen, um die Punkte mit nach Hause zu nehmen. Wenn sie den Ball erst mal in der Zone haben, geht es schnell. Wenn sie in den Strafraum einziehen, wird es gefährlich. Dzeko braucht keine drei Aktionen …“ Auch Miralem Pjanic bekam Extralob: „Ihn braucht man nicht mehr zu analysieren. Er hat eine fantastische Karriere gemacht. Allerdings ist er sicher weniger im Rhythmus, als er es bei Barcelona oder Juventus wäre. Das ist ein Unterschied. Man weiß aber, dass er ein außergewöhnlicher Spieler ist, der zu jedem Moment eine Partie entscheiden kann.“
Einheimischen Journalisten zufolge rechnet man mit bis zu 10.000 Zuschauern. Das wären demnach fast doppelt so viele wie beim Testspiel vor einem Jahr. Dabei steht die Lokalmannschaft nach zwei Niederlagen (0:3 gegen Portugal, 0:2 gegen die Slowakei) und dem 3:0-Erfolg gegen Island fast schon mit dem Rücken zur Wand, wenn es um das EM-Ticket geht. „Bosnien ist gezwungen, zu gewinnen. Ich bezweifele also, dass der Druck bei uns größer ist. Vielleicht ist es sogar ein Vorteil für uns, weil wir nicht gewinnen müssen.“ Oder anders ausgedrückt: „Wir werden versuchen, unser Punktekonto auszubauen. Ein Zähler wäre eine tolle Sache.“
Zum Abschluss ging der Blick noch einmal in die Vergangenheit – als es um sein zweites Länderspiel an der FLF-Seitenlinie vor 13 Jahren ging. Es handelte sich um die 0:3-Heimniederlage. Holtz musste schmunzeln, als man ihn darauf ansprach. Was sein Erfolgsrezept in den vielen Jahren gewesen sei? „Regelmäßigkeit und eine Lebensphilosophie, die besagt, dass man nicht aufgeben soll. Im Leben kann man den Kopf nicht in den Sand stecken. Wenn man klein ist, lernt man zu gehen und wieder aufzustehen. In den 13 Jahren gab es gute und schlechte Momente. Und einer davon war auch das 0:5 hier.“ Würde bei der ganzen Aufregung rund um diese Partie eine neue Geschichte geschrieben werden – und die ersten Punkte gegen Bosnien dabei herausspringen –, hätte er dann auch die erhoffte schönere Erinnerung.
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