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EditorialDie Staatsfinanzen wurden als Wahlthema ausgeblendet

Editorial / Die Staatsfinanzen wurden als Wahlthema ausgeblendet
 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die Staatsfinanzen entwickeln sich schlechter als bislang angenommen. Formateur Luc Frieden ließ es sich aus dem Grund in der vergangenen Woche auch nicht nehmen, auf die schwierige wirtschaftliche und finanzielle Lage des Landes hinzuweisen. Die neuesten Zahlen, die dem Radiosender 100,7 vorliegen, bestätigen eine leichte Verschlechterung der Vorhersagen, allerdings hat sich nichts Grundlegendes an der finanziellen Situation des Staates verändert. Dass sich das Defizit bis 2026 vergrößern würde, war bereits bekannt. Neu ist, dass die Verschuldung bis 2026 nicht mehr, wie bisher vorausgesagt, auf 29, sondern auf 30 Prozent steigen wird und bis 2027 bei über 32 Prozent liegen soll. Damit wären die 30 Prozent der Staatsverschuldung, die von der abgewählten Dreierkoalition als rote Linie angesehen wurden, überschritten. Dass eine Regierung daran arbeiten müsste, die Situation wieder zu verbessern, war aber bereits vor den neuen Prognosen bekannt. 

Wirklich thematisiert wurden die Staatsfinanzen in den vergangenen Wochen und Monaten allerdings nicht. Wie der Piraten-Abgeordnete Sven Clement am Montag auf RTL erklärte, wurden dem Parlament zuletzt im Juli Zahlen präsentiert, während die trimestriellen Entwicklungen im September, also einen Monat vor der Parlamentswahl, nicht vorgestellt wurden. Dabei bilden die Staatsfinanzen die Grundlage für das Thema, das den Wahlkampf dominierte: die Steuerpolitik.

Premierminister Xavier Bettel hat wohl nicht umsonst immer wieder betont, dass die DP nur dann eine Steuerreform durchführen würde, wenn der nötige finanzielle Spielraum vorhanden wäre. Konkreter wurde er nicht. Vor allem seine Partei, die seit zehn Jahren das Finanzministerium führt, kann von der aktuellen Entwicklung nicht überrascht gewesen sein. Ob Frieden mit seiner Aussage über die schwierige Situation bereits vorbeugen will, dass die Steuersenkungen für alle doch nicht kommen werden, bleibt abzuwarten.

Fest steht, dass die Parteien die Staatsfinanzen im Wahlkampf kaum thematisiert haben. Es gibt sicherlich Themen, die mehr Wähler mobilisieren. Die Staatsfinanzen bestimmen aber bekanntlich die Politik. Werden wir es wieder mit einer Austeritätspolitik zu tun bekommen, oder sollen die Investitionen gerade jetzt hochgehalten werden? Eine Frage, an der sich wohl keine Partei die Finger verbrennen wollte.

Wer über Staatsfinanzen spricht, kommt auch nicht an einem anderen Thema vorbei, das im Wahlkampf umgangen wurde, nämlich den Renten. Laut den Berechnungen der „Inspection générale de la sécurité sociale“ (IGSS) sollen die monatlich eingezahlten Rentenbeiträge bereits ab 2027 nicht mehr ausreichen, um die Auszahlung der Renten zu finanzieren. Es müsste dann damit begonnen werden, die in den letzten Jahren aufgebaute Rentenreserve anzuzapfen. Vielleicht kann der Moment noch um das eine oder andere Jahr hinausgezögert werden. Das ändert aber nichts daran, dass die Parteien sich in einer nächsten Wahlkampagne positionieren müssen. Dann könnten auch Themen wie Kapitalbesteuerung oder Umweltsteuern eine größere Rolle spielen bei der Suche nach neuen Einnahmequellen.