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Stolpersteine in Esch (10)Die Metzgerfamilie Nussbaum-Schmitz und ihre Deportation nach Drancy und Auschwitz

Stolpersteine in Esch (10) / Die Metzgerfamilie Nussbaum-Schmitz und ihre Deportation nach Drancy und Auschwitz
Die Stolpersteine von Heinrich, Johanna und Bernard Marcel Nussbaum Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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In der Escher rue des Charbons 43 liegen drei Stolpersteine vor dem ehemaligen Wohnort der jüdischen Familie Nussbaum-Schmitz: Sie erinnern an Heinrich, Johanna und Bernard Marcel.

Henrich Nussbaum, der Familienvater, wurde am 9. September 1903 in Kyllberg (Deutschland) geboren und zog 1928 nach Esch, wo er am 4. September 1931 Johanna Schmitz (geboren 1895 in Alflen, Deutschland) heiratete. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor: Bernard Marcel, geboren am 17. November 1932 in Esch.

Der Familienvater wohnte und arbeitete bei seinem Vetter, dem Metzgermeister Vohs-Seckler, dessen Geschäft er 1931 übernahm. Im August 1934 verlegte die Familie ihren Wohnort in die rue des Charbons. Zeitweilig verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Familie erheblich und Heinrich drohte die Ausweisung nach Deutschland, die jedoch abgewiesen werden konnte.

 Johanna Nussbaum
 Johanna Nussbaum Foto: ANLux

Nach der deutschen Invasion im Mai 1940 und der Evakuierung der Escher Bevölkerung nach Frankreich entschied sich die Familie Nussbaum, dort zu bleiben, und ließ sich in dem im Südwesten gelegenen Ort Frespech (Departement Lot-et-Garonne) nieder. Hier wurde auch ihr Sohn Bernard Marcel eingeschult. Ihr Geschäft in Esch hingegen wurde aufgrund der NS-Rassengesetze am 7. Februar 1941 beschlagnahmt.

Infolge der auch in Frankreich einsetzenden Judenverfolgung wurde Heinrich 1942 zwischenzeitlich im Internierungslager Gurs festgehalten. Dieses Lager – das größte im Südwesten Frankreichs – wurde ursprünglich von den französischen Behörden 1939 eingerichtet, um spanische Flüchtlinge aufzunehmen, die vor dem Bürgerkrieg in Spanien flohen. Ab Juni 1940, nach der Kapitulation Frankreichs, änderte sich die Funktion des Lagers drastisch. Anfänglich entstand mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes ein politisches Vakuum. Das Lager wurde in dieser kurzen Übergangszeit geöffnet und viele Menschen konnten in die USA oder anderswo fliehen, unter ihnen die politische Theoretikerin und Publizistin Hannah Arendt (1906-1975). Andere blieben aufgrund der unklaren Situation dort.

 Heinrich Nussbaum
 Heinrich Nussbaum Foto: ANLux

Die Ausdehnung der repressiven NS-Maßnahmen auf Frankreich führte rasch dazu, dass das Lager in den darauffolgenden Monaten zu einem Internierungsort für ausländische Juden, politische Gegner des Vichy-Regimes und andere als „unerwünscht“ erachtete Personen umfunktioniert wurde. Zusätzlich diente es auch als Zwischenstation für Deportationen in Konzentrations- und Vernichtungslager.

Im Oktober 1940 wurden mehrere Tausend badische, pfälzische und saarländische Juden von den Nazis festgenommen, in Züge verfrachtet und nach Gurs deportiert. Ziel dieser Massendeportationen war die Auslöschung allen jüdischen Lebens. Die Bedingungen im Lager Gurs waren entsetzlich. Die Unterkünfte waren restlos überfüllt, die sanitären Anlagen absolut unzureichend und die Nahrungsmittel äußerst knapp. Die Internierten litten unter mangelnder medizinischer Versorgung, extremer Kälte im Winter und unerträglicher Hitze im Sommer. Die Lebensbedingungen führten zu Krankheiten, Mangelernährung und Tod.

Nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager Gurs arbeitete Heinrich Nussbaum auf einem Bauernhof bei Frespech. Dort arbeitete er sechs Tage in der Woche von morgens 5 Uhr bis 22 Uhr abends. Hierdurch und aufgrund der zu bewältigenden Entfernung konnte er seine Familie nur sonntags besuchen. Im Jahr 1942 wurde die Familie verhaftet und über das berüchtigte Sammellager in Drancy am 9. September 1942 nach Auschwitz deportiert und umgebracht.

Die Stolperstein-Serie

Stolpersteine sind kleine Gedenksteine, die im Straßenpflaster eingelassen sind und an die Opfer des Holocaust erinnern. Die Idee stammt von dem deutschen Künstler Gunter Demnig, der 1992 die ersten Steine in Köln verlegte. Seitdem hat sich das Projekt stetig weiterentwickelt und verbreitet. Bis heute wurden in 31 Ländern Europas 100.000 Steine (Stand 26.5.2023) verlegt, hiervon 30 Steine in Esch/Alzette. Die bewusste Platzierung im Alltagsleben erzeugt eine symbolische „Stolperfalle“, die die Passanten zum Innehalten und Nachdenken über das Schicksal dieser Opfer anregt. Das Tageblatt beleuchtet in seiner Sommerserie das Schicksal der Opfer-Familien.