Das Luxemburger Bahnhofsviertel bleibt ein politischer und medialer Dauerbrenner. Es ist der Eindruck entstanden, dass dieses Stadtviertel sowie auch Teile Bonnewegs als „lieu de non droit“ der Kriminalität rettungslos anheimfallen und die Bevölkerung von den politisch Verantwortlichen im Stich gelassen wird. Dabei wird die komplexe Situation quasi ausnahmslos auf die Sicherheitsfrage verengt. Eine Spaltung der Garer Bevölkerung in „die Guten“ und „die Bösen“ ist jedoch nicht nur kontraproduktiv, sondern auch grob fahrlässig. Es werden dadurch Diskriminierung und Abwertung Vorschub geleistet, befeuert vom billigen Versuch einer politisch motivierten Profilierung gegenüber einer konservativ-bourgeoisen Wählerschaft.
Nun wirft der 1. Dezember mit einer erneuten Bürger.innenversammlung seinen langen Schatten voraus. Bereits im Vorfeld wurden Stimmen aus dem Stadtviertel Gare mediatisiert, die zeigen, dass sich der (rechts-)populistische Diskurs verstärkt.
Die DP und CSV-Mehrheit der Stadt Luxemburg drängt auf die Bürger.innenversammlung und erwartet sich dort eine Legitimierung ihrer von „déi gréng“, „déi Lénk“ und LSAP kritisierten Sicherheitspolitik. Seit über einem Jahr moniert die städtische Opposition, dass private Sicherheitsfirmen den öffentlichen Raum kontrollieren – eine Aufgabe, die der Polizei vorbehalten ist und die der Schöffenrat nur deshalb einer privaten Sicherheitsfirma übertragen hat, um Druck auf den grünen Polizeiminister auszuüben. Der Vorfall am 4. September in der avenue de la Gare, als ein privater Sicherheitsangestellter seinen Hund nicht unter Kontrolle halten konnte und dieser einen Mann angriff und verletzte, machte deutlich, dass hier mit dem Feuer gespielt wird.
Dezentralisierung der Hilfsstrukturen
Dabei ist die prekäre Sicherheitslage im Bahnhofsviertel nicht nur das Resultat unzulänglicher Polizeiarbeit, sondern vor allem der jahrelangen Weigerung der Verantwortlichen der Stadt zu einer notwendigen Dezentralisierung der zahlreichen sinnvollen sozialen Hilfsstrukturen. Diese wurden jedoch ausschließlich rund um die Gare angesiedelt und ziehen also natürlich auch ihre Kund.innen hierher. Über Jahre fehlte es beispielsweise am politischen Willen, einen Ort für ein „neues“ Drogenkonsumzentrum Abrigado zu finden, das den geänderten Konsumgewohnheiten einer steigenden Zahl von Drogenabhängigen Rechnung trägt. Strukturen für Menschen in sozialen Notsituationen werden noch immer reflexartig rund um die Gare angesiedelt oder hier erweitert. In den „besseren“ Stadtvierteln wie Limpertsberg, Kirchberg, dem oberen Bonneweg, Gasperich, Cessange, Cents, Merl oder Weimerskirch u.a. will man sich nicht am Widerstand der Anwohner.innen die Finger verbrennen. Aber noch nicht einmal in neu entstehenden Stadtvierteln werden soziale Strukturen von Anfang an mitgedacht – abgesehen von den Sozialwohnungen, die durch gesetzliche Auflagen vorgesehen werden müssen.
Am 1. Dezember wird sich der Polizeiminister Henri Kox den Fragen und Forderungen der Garer Bevölkerung stellen – genau wie auch sein Vorgänger François Bausch dies bereits getan hat. Und auch er kann etwas vorzeigen: die erneute Aufstockung der Einsatzkräfte am Bahnhof, Reorganisation des Polizeidienstes, mehr Polizeipräsenz auf der Straße, schnelleres Eingreifen in Problemsituationen. Mit dem Visupol-Gesetz hat die Kameraüberwachung endlich einen klaren rechtsstaatlichen Rahmen erhalten. Auch die Justizministerin Sam Tanson bereitet Gesetzesänderungen vor, die für Klarheit zum Einsatzbereich privater Sicherheitsfirmen sorgen.
Komplexe Situation
Wo aber bleiben die Initiativen zur Dezentralisierung der Drogenstrukturen von LSAP-Gesundheitsministerin Paulette Lenert in Zusammenarbeit mit der Stadt Luxemburg, wo bleiben Initiativen zum Ausbau und zur Dezentralisierung von Aufenthaltsräumen und von „housing first“-Angeboten für Obdachlose von DP-Familienministerin Corinne Cahen? Was trägt die LSAP-Gleichstellungsministerin Taina Bofferding bei, um die Prostitution einzudämmen? Und wo sind diese Ministerinnen am 1. Dezember?
Die Abwesenheit dieser Minister.innen wird nicht darüber hinwegtäuschen können, dass die Situation auf der Gare komplex ist. Sie geht über die Sicherheitsproblematik hinaus und muss vorrangig zunächst Sozial-, Integrations- und Gesundheitspolitik sein. Denn der Ruf nach mehr Polizei ist immer ein Anzeichen dafür, dass die Politikbereiche der Prävention versagt haben.
Aber auch urbanistische Maßnahmen, die in der alleinigen Verantwortung der Stadt Luxemburg liegen und die den öffentlichen Raum und dessen passive Sicherheit aufwerten, wurden nicht ergriffen. Das Potenzial von präventiver Stadtteilarbeit, die zu mehr Verständnis der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen untereinander beitragen könnte, wurde nicht entwickelt. Hingegen investiert die Stadt Luxemburg hohe Summen in kurative Sozialarbeit, die von engagierten Mitarbeiter.innen der großen Träger wie CNDS, Croix-Rouge, Caritas, Interaction u.a. geleistet wird.
Spielball der Politik
Was soll man sich also von der Bürger.innenversammlung am 1. Dezember erwarten? In der aktuellen, aufgeheizten Situation ist es schwer, überhaupt eine konstruktive, lösungsorientierte Diskussion zu führen, die der Komplexität des Problems gerecht wird. Aber ist diese überhaupt von den Organisatoren – dem DP-CSV-Schöffenrat der Stadt Luxemburg – gewollt, wenn er nur den Minister auf die Gare „zitiert“, der mit Repression höchstens einen Teil des Maßnahmenpaketes zur Bewältigung einer viel komplexeren Situation verantwortet?
Die Menschen auf der Gare, und damit sind neben den Anwohner.innen auch die Berufstätigen und Besucher.innen, aber eben auch die Kunden und Kundinnen von Hilfs- und Beratungseinrichtungen sowie von Wohn- und Betreuungsstrukturen gemeint – alle haben das Recht, nicht Spielball politischer Machtspiele zu sein, sondern gleichermaßen ernst genommen zu werden. Sie wollen eine konstruktive, lösungsorientierte Diskussion, mit allen Verantwortlichen des Maßnahmenpaketes der Regierung, das zur Bewältigung einer komplexen Situation geschnürt wurde.
* Die Autorin ist Gemeinderätin der Stadt Luxemburg („déi gréng“) und ist im Bereich der sexuellen Gesundheit tätig. Ihr Arbeitsplatz liegt am Bahnhof.
Und dabei haben wir einen so gewaltig wortreichen Polizeiminister, nicht wahr Herr Kox? Aber mit Reden und Sprücheklopfen allein ist es nicht getan. An ihren Taten solltet ihr sie messen.
Ween an engem Garer Quartier wunnt, ob dat elo zu Letzebuerg, zu Béissel, Pareis oder an enger anerer grousser Stad ass, muss wessen dass an esou Véierelen Prostitutioun, Drogen an Klengkriminalitéit einfach derzou gehéieren. Dorun kann och massiv Polizeipräsenz net vill änneren, hechstens eng gefillten Verbesserung duerstellen. En Wonner wärt op der Stater Gare net geschéien kennen.
@Rosie
"D’Gar huet dach schonn alles, den Zuch, de Bus, den Tram, den Oberweis, de Marihuana-Dealer, de Koks-Dealer, den Heroin-Dealer…"
Genee, déi hunn ëmmer Gras, ech hunn e Rezept zënter JUNI an nach kee Gramm krut, ëmmer 'rupture de stock'.
Op den Dealer vun der Gar ass wéinstens Verlooss.
D'Gar huet dach schonn alles, den Zuch, de Bus, den Tram, den Oberweis, de Marihuana-Dealer, de Koks-Dealer, den Heroin-Dealer...
Ausser enger hallwer Dosen CSV-Wieler, déi do e Commerce hunn, ass jiddereen zefridden.
Es bräuchte vor allem einen besseren Polizeiminister…Die Zustände im Garer Viertel sind ein Skandal und nichts passiert. Und ich bin pessimistisch dass sich auch nach dem ersten Dezember etwas ändern wird. Ich kann mich des Eindrucks immer schwerer erwehren dass das Duo Grüne und Polizei einfach nicht zusammen passt. Oder anders formuliert: Schuster bleib deinen Leisten.
Lo kommen mer der Saach schon mei no