Tageblatt: Christine Majerus, seit 2008 fahren Sie auf dem höchsten internationalen Niveau. Mit der Tour de France Femmes kommt ein neues Etappenrennen von hoher Bedeutung in den Kalender. Verspüren Sie eine ungewohnte Aufregung?
Christine Majerus: Ja, es ist schon ein besonderes Gefühl. Ich spüre, dass es ein wichtiges Rennen ist, wichtiger als andere im Kalender. Das Gefühl haben aber alle Teams. Jedes Team hat seine Saison auf die Tour de France ausgerichtet. Das ist normal nicht der Fall. Einige Teams fokussieren sich gezielt auf Rennen im Frühjahr, andere konzentrieren sich auf unterschiedliche Rennen. Nun ist es so, dass alle plötzlich dieses Ziel Tour de France haben. Es ist eine positive Nervosität, die im Umfeld herrscht. Ich glaube, dass es ein interessantes Rennen sein wird, das aber auch anders gefahren wird. Jeder möchte vorne dabei sein. Ich bin gespannt, wie sich das Rennen mit dieser Gefühlslage entwickeln wird.
Was peilen Sie mit Ihrem Team SD Worx an?
Wie viele andere Teams wollen auch wir vorne mitmischen. Demi Vollering hat die ganze Saison auf dieses Rennen ausgerichtet. Ich hoffe, dass in ihrer Vorbereitung alles so lief, wie sie sich das vorgestellt hat. Sie war lange im Trainingslager und hat lange kein Rennen mehr bestritten. Wir müssen schauen, ob sich das im Rennen auszahlt. Das Hauptziel ist, so nah wie möglich ans Gelbe Trikot zu fahren.
Was werden Ihre Aufgaben bei der Frankreich-Rundfahrt sein?
Ich möchte mich selbst erst mal nicht zu verrückt machen und versuche die Tour als ein Rennen wie jedes andere zu sehen. Ich gebe immer hundert Prozent – ob bei der Tour oder auf einem Kirmesrennen. Vielleicht kann ich etwas entspannter in das Rennen gehen als die großen Leader. Ich werde da sein, um für mein Team zu arbeiten und zum Erfolg des Teams beizutragen. Dafür wurde ich nominiert. Wenn ich die Chance bekomme, in eine Ausreißergruppe zu gehen, wäre ich froh. Aber wenn das nicht möglich ist, ist das auch okay.
Wie sah Ihre Vorbereitung aus?
Es war nicht geplant, dass ich zu Beginn des Monats den Giro fahren sollte (Teamkollegin Anna Shackley wurde kurz vor dem Start positiv auf das Coronavirus getestet, Majerus sprang ein, Anm. d. Red.). Doch die Mädchen, die in Italien starteten, hatten es verdient, mit einer vollen Mannschaft teilzunehmen. Sie haben auch hart gearbeitet. Ich bin froh über die sechs Etappen, die ich gemacht habe, und bin glücklich, dazu beigetragen zu haben, dass wir das Weiße Trikot der besten Nachwuchsfahrerin gewinnen konnten. Es waren teilweise 40 Grad, was nicht meine Lieblingsbedingungen sind. Ich war oft bei unserem Auto, um Flaschen zu holen, damit wir uns hydrieren konnten. Ich hatte danach noch ein paar harte Einheiten.
Acht Etappen stehen vor Ihnen. Was halten Sie von der Strecke?
Die Strecke ist sehr ausgeglichen: es ist von allem etwas dabei. Beim Giro ist das zum Beispiel nicht der Fall. Da gibt es zwei Sprintetappen, der Rest sind schwierige Bergetappen. Das kann manchmal etwas frustrierend sein. Bei der Tour ist das zum Glück anders. Es ist gut, dass die schweren Etappen zum Schluss kommen, das gibt die Chance auf ein offenes Rennen.
Reichen die acht Etappen dem Peloton der Damen aus oder streben Sie nach einer Tour, die über einen längeren Zeitraum gefahren werden sollte?
Nein, solange die Teams nicht größer werden, reichen acht Etappen völlig aus. Es ist sonst nicht möglich, eine ganze Saison durchzuhalten. Die Saison besteht aus 60 bis 70 Rennen. Diese müssen wir mit 14 oder 15 Fahrerinnen bestreiten. Man sollte über die Athleten nachdenken und sie nicht zwingen, zu viele Rennen zu fahren. Das ist weder im Sinn der Sportler noch des Teams oder des Sports.
Was bedeutet die Tour de France Femmes in der Entwicklung des Damenradsports?
Wir werden bei der Tour nicht schneller oder besser fahren. Die Tour wird unsere Rennen nicht großartig verändern. Das Niveau ist seit fünf oder sechs Jahren sehr hoch. Was sich aber bei der Tour verändern wird, ist die Medienarbeit. Es wird auf vielen TV-Sendern laufen, es wird über das Rennen geredet. Es ist eben die Tour de France. Aber an sich ist es kein ungewöhnliches Rennen: Es ist ein Rennen über acht Tage, mit denselben Fahrerinnen, ähnlichen Etappen und wie wir es schon im Kalender haben. Aber das Ausschlaggebende ist die Mediatisierung.
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