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Radsport-WMCamille Dahm: „Wir sorgen für die Musik, aber müssen dafür noch bezahlen“

Radsport-WM / Camille Dahm: „Wir sorgen für die Musik, aber müssen dafür noch bezahlen“
Die Straßenrad-Weltmeisterschaft 2022 findet in Australien statt – das hat bei vielen Verbänden finanzielle Probleme zur Folge Foto: Rick Rycroft/dpa

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Diese Woche findet die Radsport-WM im australischen Wollongong statt. Das bietet der UCI („Union Cycliste Internationale“) die optimale Gelegenheit, dort auch den jährlichen Kongress mit allen Mitgliedern auszutragen. Mit dabei wird auch Camille Dahm sein. Der Präsident der FSCL („Fédération du Sport Cycliste Luxembourgeois“) kommt mit einer Agenda von Problemen, für die er mit dem globalen Radsportverband Lösungen finden möchte.

Camille Dahm gehört beim UCI-Kongress zu den aktiven Teilnehmern
Camille Dahm gehört beim UCI-Kongress zu den aktiven Teilnehmern Foto: Anouk Flesch/Tageblatt

Wenn Camille Dahm zum jährlich stattfindenden UCI-Kongress schreitet, wird er schnell erkannt. Seit 2016 ist er Präsident der FSCL und kann somit seine Meinung vor dem Radsport-Weltverband kundtun – und das tut er. „Mon ami Camille. Tu as certainement des propositions à nous faire.’ Das sagt David Lappartient, sobald er mich sieht“, erklärt Dahm. „Wir haben eine sehr gute Beziehung. Und er weiß, dass ich immer viel zu sagen habe. Das ist meine Art – auch mit 70 Jahren. Ich will etwas bewegen, ansonsten kann ich auch zu Hause bleiben.“ 

Der FSCL-Präsident reiste am Sonntag in Richtung Australien ab. Am Donnerstag wird dann, wenn keine Rennen stattfinden, der Kongress abgehalten. „Seit sechs Jahren setze ich mich dafür ein“, sagt Dahm, „dass wir den Kongress machen, wenn keine Rennen stattfinden. Es hieß nämlich immer, dass wir unsere Damen mehr unterstützen sollten. Also sagte ich: ‚Wir sitzen hier acht Stunden und reden über Gott und die Welt. Wie wäre es, wenn wir den Kongress an einen Tag legen, an dem draußen keine Rennen sind? Dann könnten wir unsere Damen besser unterstützen’.“

201 nationale Radsportverbände gehören der UCI an. Die FSCL ist bei der UCI gut angesehen und hat auch keine Sprachbarriere zu überwinden, was die Kommunikation vereinfacht. Dass es nun zum ersten Mal ein Weltmeistertrikot für die Espoires gibt, hatte Dahm ebenfalls angestoßen. „Zwar findet das Rennen noch innerhalb des Wettkampfes der Damen-Elite statt, doch die Espoires fahren nun endlich auch ihr Trikot aus. Genau wie die Männer es schon länger tun.“ 

150.000 Euro Kosten

Die Weltmeisterschaft, die dieses Jahr also in Down Under stattfindet, stellte viele Verbände aber vor finanzielle Probleme. „Die Titelkämpfe in Australien schlagen gewaltig ins Budget“, sagt Dahm. „Man muss aber vorwegsagen: Die Australier oder Amerikaner kommen in zehn Jahren neunmal nach Europa. Das sind aber große Nationen, vielleicht ist das da nicht so weittragend wie bei uns.“ Viele internationale Verbände haben aber ihre Lager in Europa, wo eben die größten Rennen der Welt ausgetragen werden.

Insgesamt kommt die FSCL durch die Teilnahme von zwölf luxemburgischen Radsportlern bei der WM auf etwa 150.000 Euro. Die Rechnung ist schnell gemacht: 30.000 Euro kostet etwa der Transport des Materials, bei dem „nur das Nötigste“, wie Christian Helmig (Technischer Direktor der FSCL) sagte, mitgenommen wird. Außerdem werden Flugtickets für Hin- und Rückflug benötigt, was pro Kopf etwas mehr als 2.000 Euro kostet. Damit kommt der Radsportverband auf weitere 50.000 Euro. Vor Ort werden noch weitere Physiotherapeuten oder Mechaniker bezahlt, die ein Tagesgeld erhalten, das Dahm zwischen 10.000 und 15.000 Euro schätzt. Zu guter Letzt wird noch Geld für die Unterkünfte und Verpflegung benötigt.

Mit 150.000 Euro verbraucht die FSCL ein Sechstel des gesamten Budgets. „Wir fliegen nach Australien und sorgen für die Musik. Aber wir müssen auch noch für die Musik bezahlen. Das ist ein großes Problem“, ärgert sich Dahm. Vor dem UCI-Präsidenten Lappartient habe er dieses Problem schon geschildert. „Ich sage das jedes Jahr auf dem UCI-Kongress. Wir bilden die Fahrer aus, doch die Topteams bekommen das Geld mit den Sportlern, die wir ausgebildet haben. Wir haben Trainer und Angestellte, die für diese Ausbildung das Jahr über bezahlt werden müssen.“ 

Unterstützung vom Sportministerium

Dahm beklagt, dass die nationalen Radsportverbände „keinen Cent von Erfolgen der Sportler sehen, die im Verband ausgebildet wurden“. Der Verbandspräsident vergleicht das Business im Radsport dabei mit dem Fußball. „Wenn Miralem Pjanic den Verein wechselt, dann fließt immer noch Geld nach Schifflingen. Das ist bei uns überhaupt nicht der Fall. Wir sehen gar nichts, wenn einer unserer Jungs in ein Profiteam wechselt.“ Dabei hat der Verband immer wieder hohe Kosten zu stemmen: Vor der WM in Australien reiste man beispielsweise mit Marie Schreiber zur Cyclocross-WM in die USA. Der Luxemburger findet dafür klare Worte. „Bekommen tun wir dafür gar nichts. Höchstens mal ein Lob.“ Bei der letzten Generalversammlung hatte der Verband beschlossen, Reserven anzulegen. Diese sind mit der WM in Australien aber schon komplett aufgebraucht. 

Doch der Präsident des Radsportverbandes schätzt auch die Unterstützung, die er bekommt – das möchte er betonen. „Der Sportminister hat uns um März versprochen, dass es einen höheren Zuschuss gibt. Wir bekommen auch mehr Unterstützung als bei einer WM in Leuven. Die Verbände erhalten das Geld vom Ministerium aber erst im Februar oder März. Ich würde mir wünschen, dass das früher geschehe.“ Vielleicht müssen Dahm und die FSCL daher im Herbst Rennen absagen, weil irgendwo Geld fehlen könnte. „Das Sportministerium, das COSL und wir auch wollen, dass unsere Sportler ganz oben mitfahren. Aber wenn wir das in den nächsten Jahren noch tun möchten, müssen wir das Budget erhöhen“, sagt der Verbandschef.

Behutsamer Aufbau der Talente

Problematisch sieht er in Zukunft vor allem die Entwicklung der Trainer. „Dass wir momentan mit den Besten der Welt mitfahren, liegt vor allem am gewaltigen Einsatz der Trainer. Aber für 70.000 Euro brutto bekommst du nicht mehr lange Top-Trainer.“ 

Dahm wird diese Problematiken in Wollongong ansprechen. Doch dem Diekircher, der lange als Pädagoge und unter anderem als Präsident der ENEPS tätig war, liegt noch ein anderes Thema am Herzen. „Niels Michotte hatte kaum Paris-Roubaix der Junioren gewonnen, da standen schon etliche Teams vor der Tür und wollten ihn aufnehmen. Er ist gerade erst volljährig. Wir bemühen uns, sie gut auszubilden, geben ihnen die Chance, im Sportlycée einen guten Abschluss zu machen. Aber kaum kann jemand fester in die Pedale treten, wird er uns abgeworben. Auch wenn der Schulabschluss noch nicht gemacht ist. Das ist den Teams egal.“ 

Dahm nimmt kein Blatt vor den Mund. „Wenn er Pech hat und stürzt, dann hat er weder eine schulische Ausbildung noch wird er Profi. Natürlich hoffe ich das nicht, aber im Radsport kann schnell etwas passieren. Bevor man nicht im 1. oder 2. Jahr der Espoirs fährt, sollte man in Ruhe gelassen werden und die Verbände die Arbeit machen lassen. Es gibt nicht viele Evenepoels, das sind Ausnahmen. Unsere Nachwuchssportler sollen behutsam aufgebaut werden.“