Tageblatt: Bob Jungels, eine komplizierte Saison 2020 liegt hinter Ihnen. Wie schwierig war der Winter, gerade auch mental?
Bob Jungels: Es war sicher nicht einfach. Es fing aber schon mit dem ersten Lockdown an. Ich befand mich bei Paris-Nice und wollte meine Form verbessern, als alles abgesagt wurde. Erst strichen sie die Flandern-Rundfahrt, dann Paris-Roubaix, was meine großen Ziele im Frühjahr waren. Das war der Anfang einer wirklich schwierigen Phase für mich. Ich hatte außerdem immer im Kopf, dass mein Vertrag bei Deceuninck-Quick Step auslief. Ich habe während des Lockdowns viel gearbeitet, doch ich habe es nicht geschafft, die Ergebnisse einzufahren, die ich mir vorgenommen hatte. Quick Step zu verlassen, war nicht leicht, es war eine sehr emotionale Entscheidung. Ich habe einige Zeit gebraucht, um wieder bei null zu sein und mich auf die kommende Saison vorbereiten zu können.
Anders als sonst fand im Dezember kein Trainingslager der Mannschaft statt. Ist es gerade als Neuzugang schwieriger, sich dann mit dem neuen Umfeld vertraut zu machen?
Es ist nicht unbedingt schwieriger, aber ich hatte weniger Zeit, die Partner, die Sponsoren und das Team kennenzulernen. Die ganze Mannschaft hat einen großen Aufwand betrieben, damit die Fahrer dennoch gut arbeiten können und gleichzeitig das Umfeld kennenlernen – was mir sehr wichtig ist.
Seit dem 11. Januar ist die Mannschaft in Denia (E). Wie ist Ihre Form aktuell?
Ich hatte einen guten Winter, vor Weihnachten war ich für ein paar Tage auf Mallorca. Ich bin etwas früher als meine Teamkollegen nach Denia gereist. Hier konnte ich mich mit dem neuen Material vertraut machen und arbeiten. Anfang Februar lege ich dann noch ein Höhentrainingslager in der Sierra Nevada für zwei Wochen ein. Ich denke, dass ich dann für die Rennen bereit sein werde.
Welche Rennen haben Sie in diesem Jahr eingeplant?
Ich beginne mit der Ruta del Sol, dann folgen eventuell Drôme Classic, Faun-Ardèche. Mein erstes großes Ziel der Saison wird dann Paris-Nice sein, wo ich ein gutes Ergebnis im Gesamtklassement einfahren will. Es folgen die Katalonien-Rundfahrt und dann die vier Ardennen-Klassiker: la Flèche Brabançonne, Amstel Gold Race, Flèche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich. Ich werde dann noch mal in ein Höhentrainingslager gehen, um mich dann entweder mit der Tour de Suisse oder dem Dauphiné auf die Tour vorzubereiten.
Das bedeutet, dass Sie bei einigen Frühjahrsklassikern in Belgien und auch bei Paris-Roubaix nicht starten werden. Warum?
Es sind einerseits persönliche Ambitionen, aber auch wegen des Teams. Wir haben viele starke Fahrer für die Rennen in Flandern. Ich habe der Mannschaft gesagt, wenn sie jemanden für die Flandern-Rundfahrt brauchen, bin ich da. Mein Ziel sind die Ardennen-Klassiker und Etappenrennen. Ich habe außerdem vor zwei Jahren den Fehler gemacht, zu viele Rennen anzugehen. Flandern, Giro, das war einfach zu viel. Eines Tages möchte ich wieder bei der Flandern-Rundfahrt oder Paris-Roubaix starten, aber nicht in diesem Jahr.
Werden Sie als Leader in diese Rennen gehen?
Für mich war es sehr wichtig, in ein Team zu wechseln, in das ich als Leader komme. Meine Ambitionen sind immer sehr hoch und ich hatte in den Gesprächen mit Vincent Lavenu das Gefühl, dass ich hier Kapitän werden könnte – sowohl bei den Ardennenklassikern als auch bei Etappenrennen. Das Team hat mit Romain Bardet und Pierre Latour Fahrer verloren, die die letzten Jahre mit Oliver Naesen die Mannschaft anführten. Lavenu hat jemand gesucht, der sie ersetzt. Ich bin sehr froh, diese Rolle zu übernehmen und wühle mich bereits wie ein Leader.
Peilen Sie also auch bei der Tour de France eine Platzierung im Gesamtklassement an?
Das habe ich nicht im Kopf. Ich will mich auf einwöchige Rennen konzentrieren wie Paris-Nice, das Critérium du Dauphiné oder die Tour de Suisse und dort eine Platzierung im Gesamtklassement einfahren. Im Moment gehöre ich nicht zu den besten Bergfahrern der Welt, doch das sollte man sein, wenn man bei der Tour eine Platzierung anvisiert. Ich will bei der Tour aber in der ersten Woche präsent sein und wenn möglich auch ein Trikot holen.
Kurz danach folgen dann die Olympischen Spiele …
Das Datum ist in meinem Kalender markiert. Wenn ich mit einer guten Form aus der Tour herauskomme, könnte es die Möglichkeit geben, in Tokio ein gutes Ergebnis einzufahren.
Gerüchten zufolge will das IOC, dass Sportler zwei Wochen vor dem Wettbewerb in Tokio ankommen, um sich dort in Quarantäne zu begeben. Wären Sie dazu bereit, die Tour de France für Olympia abzusagen?
Wir werden von der Mannschaft bezahlt, deswegen hat die Tour Priorität. Ich glaube aber, dass die Veranstalter eine andere Lösung finden müssten, wenn sie die besten Fahrer der Welt bei Olympia haben wollen. Nein, ich würde die Tour de France nicht für die Olympischen Spiele absagen.
Für Sie war 2020 sicherlich ungewohnt, nicht mehr das Trikot des Landesmeisters tragen zu dürfen. Gehört es auch zu Ihren Zielen, das Rot-Weiß-Blaue Trikot zurückzuerobern?
Mir kam es nach fünf Jahren komisch vor, das Trikot zu verlieren. Es war eines der härtesten Rennen des Jahres. Kevin Geniets war an diesem Tag einfach stärker, ich habe nach dem Rennen nichts bereut. Es wäre in diesem Jahr aber wieder schön, das Trikot zurückzuholen und Luxemburg zu repräsentieren.
Rennprogramm
17.-21. Februar: Ruta del Sol (2.Pro)
27. Februar: Royal Bernard Drôme Classic (1. Pro)
28. Februar: Faun-Ardèche Classic (1. Pro)
7.-14. März: Paris-Nice (2. UWT)
22.-28. März: Katalonien-Rundfahrt (2. UWT)
14. April: Flèche Brabançonne (1. Pro)
18. April: Amstel Gold Race (1. UWT)
21. April: Flèche Wallonne (1. UWT)
25. April: Liège-Bastogne-Liège
30. Mai-6. Juni: Critérium du Dauphiné (2. UWT) oder 6.-13. Juni: Tour de Suisse (2. UWT)
17. und 19. Juni: Landesmeisterschaften
26. Juni-18. Juli: Tour de France (2. UWT)
24. Juli: Straßenrennen Olympia
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