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EditorialBarbie, Joe und Wladimir: Wie eine Friedensbotschaft ordentlich nach hinten losging

Editorial / Barbie, Joe und Wladimir: Wie eine Friedensbotschaft ordentlich nach hinten losging
Polemik in den sozialen Netzwerken: Putin im Barbie-Look Quelle: Facebook-Seite von déi Lénk

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Als „enfant terrible“ Serge Tonnar vor etwas mehr als einem Jahr beschloss, sich parteipolitisch zu engagieren und die neu gegründete Mersch-Antenne von „déi Lénk“ betrat, dürfte dies für Staunen gesorgt haben – schließlich war Tonnar lobend in Fred Keups und Tom Weidigs xenophobem Machwerk „Mir gi Lëtzebuerg net op“ erwähnt worden und wurde der Sänger durch seine virulente Kritik an den freiheitsberaubenden Maßnahmen während der Pandemie oftmals mit den Virusleugnern vom (meist) rechten Ufer so sehr in eine Ecke gestellt, dass manche seine sozialkritischen, engagierten Texte vergaßen.

Wer Tonnars Social-Media-Auftritte der letzten Jahre in Erinnerung hat – man erinnere sich u.a. an seine polemischen Aussagen bezüglich der ebenso niveaulosen wie reißerischen Schwurbler-Lyrics „De Bëttel gëtt gehaange vun der neier rouder Bréck“, auf die so entrüstet reagiert wurde, dass der Sänger sich entschied, seinen Account für einige Zeit zu schließen –, dürfte sich ebenso gewundert haben, was „déi Lénk“ im Sinne hatte, als sie Serge Tonnar scheinbar Narrenfreiheit auf ihren Social-Media-Kanälen gegeben hat.

Dass Tonnar diese Narrenfreiheit dazu genutzt hat, um das zu tun, was er auf Social Media am liebsten tut, nämlich so einigen – vielleicht, weil seine Posts eben ohne das, was ihn eigentlich ausmacht: die Musik, auskommen – öfters sauer aufzustoßen, kann man ihm eigentlich nicht vorwerfen. Ein rosa Barbie-Pony, von Massenmörder Wladimir Putin geritten, starrt aufs Meer, auf einem Logo prangt „Make Love Not War“. Darauf folgte ein ähnlicher Post, diesmal mit dem US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden als Ken. Der Dritte im Bunde sollte Premierminister Xavier Bettel (DP) sein.

Die symbolisch-ästhetische Gleichstellung zwischen Biden und Putin, die Komik, die durch die an „Barbenheimer“ angelehnte Barbie-Putin-Collage entsteht und die den gefährlichen Kriegsführer ins Lächerliche zieht: Es war zu erwarten, dass der Post so manche vor den Kopf stoßen würde, zumal polysemische Interpretationen heutzutage am Schwinden sind und das Bild für einige auch als homophob galt. Überraschender war, wie sehr sich in der Kommentarspalte Parteimitglieder und -sympathisanten zerfleischen würden – und so in der Öffentlichkeit Unstimmigkeiten innerhalb der Parteilinie austragen würden.

Denn was an sich ein gutes Signal sein müsste – eine Partei, in der jeder die gleiche Meinung hat, deutet entweder auf undemokratische Verhältnisse oder Denkfaulheit, wenn nicht gar auf beides hin –, riskiert, so kurz vor den Legislativwahlen, ein Zeichen der Unentschlossenheit zu vermitteln – und potenzielle Wähler zu verunsichern.

Tatsächlich waren Tonnars Posts ein Sturm im Wasserglas, der letztlich im Luxemburger Mikrokosmos exemplifiziert, was seit langer Zeit eine bedauerliche Realität ist, nämlich die innere Zerrissenheit quasi aller linker Parteien, die durch den Diskussionsbedarf denkender Menschen nicht nur legitim, sondern gar wesentlich, aber angesichts einheitlich auftretender Rechtsextremisten, die mithilfe von schwachsinnigen Werten eine simple Interpretationsschablone auf eine komplexe Realität schichten und somit verunsicherte Wähler ködern, auch gefährlich ist, da so der Eindruck vermittelt wird, linke Parteien würden auf der Stelle treten, während rechtsradikale Parteien zunehmend überhandnehmen.

Im ersten Kapitel von „The Picture of Dorian Gray“ meint Lord Henry Wotton zum Maler Basil Hallward: „Es gibt nur ein Ding in der Welt, das schlimmer ist, als dass über einen geredet wird, nämlich, dass nicht über einen geredet wird.“ Hauptsache Rampenlicht. Dass diese Aussage, zu der sich eben nicht Oscar Wilde, sondern eine seiner fiktionalen Gestalten hinreißen ließ, genauso irreführend sein kann wie der Glaube, Epikurs „Carpe Diem“ wäre eine Ermutigung zum Hedonismus – das hat „déi Lénk“ am eigenen Leib erfahren müssen … und die Serie gestoppt. Am bedauerlichsten ist jedoch, dass bei der ganzen Debatte kaum über den Krieg in der Ukraine gesprochen wurde.

Sam
14. August 2023 - 14.42

Trotzdem sollte die Linke einmal einsehen, dass es schöner ist selbst auf einem Hektar Land zu leben anstatt mit 100 anderen Leuten. Sozialismus heisst nicht Sozialität.

Deup
14. August 2023 - 8.17

Moien Här Schincker. Interessant Usätz, mee, et schéint mär, dat, d’Form den Fong vun ärem Kommentar beanträchtegt: är Sätz sin einfach (vill) ze lang … et muss ee se 2-3 x liesen fir d’Subtilitéiten ze verstoen. Just a thought ?