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Auf den Punkt mit … Geoffrey Franzoni„Am Anfang habe ich mich nicht mal getraut, dieses Trikot auch nur zu berühren“

Auf den Punkt mit … Geoffrey Franzoni / „Am Anfang habe ich mich nicht mal getraut, dieses Trikot auch nur zu berühren“
 Geoffrey Franzoni Foto: Editpress/Tania Feller

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In unserer Rubrik „Auf den Punkt mit“ fühlen wir Akteuren aus der BGL Ligue auf etwas andere Art auf den Zahn. Briefträger, Verteidiger, Klassenclown: Geoffrey Franzoni ist eine Art lebende Legende bei Déifferdeng 03. Wie er die letzten elf Jahre dort erlebt hat, erzählte er im Interview.

Tageblatt: Was nervt Sie als Postbote und Fußballer mehr – Sturm bei der morgendlichen Runde oder am Wochenende eine Niederlage auf dem Platz?

Geoffrey Franzoni: Ein bisschen von allem. Eine Niederlage ist meist am Montag schon wieder abgehakt. Ich muss aber zugeben, dass ich mir immer die Wettervorhersagen anschaue. Es ist schon sehr unangenehm, morgens im Regen arbeiten zu müssen. Ich habe wirklich kein Problem mit Kälte – wenn es trocken ist –, aber Regen ist das Schlimmste. Dieses nasse Gefühl, es ist einfach eklig. Bis vor zwei Jahren habe ich Post ausgetragen, aber inzwischen sind es Pakete. Ich bin also mit einem Lieferwagen unterwegs, aber Regen stört trotzdem. Immerhin ist es besser, als Briefe auf dem Fahrrad auszutragen. Es ist schon ein anstrengender Job und ich profitiere dann davon, mich nachmittags kurz hinzulegen, obwohl das mit zwei Kleinkindern auch nicht immer einfach ist.

Sie spielen seit 2010 in Differdingen. Hatten Sie in dieser Zeit nie die Lust oder Angebote, mal etwas anderes zu sehen?

Nein. Warum sollte ich weggehen? Ich spiele in einem Fußballklub mit Ambitionen. Es gibt erfolgreichere, aber ich bin in diesem Verein gut aufgehoben. In den letzten beiden Saisons gab es zwar Angebote, aber nichts davon hat mich interessiert. Ich habe das auch ganz offen mit dem Präsidenten besprochen. 

Nach Ihrer Ausbildung beim FC Metz haben Sie zwei Jahre in Küntzig gespielt. Wie sind Sie damals dort gelandet?

Vor 13 Jahren bin ich von Metz nach Küntzig gewechselt, da dort ein Freund von mir spielte. Es lag näher an meinem Heimatdorf. Daraufhin hat mich Maurice Spitoni nach Differdingen geholt, als ich 18 war. Er brauchte mich auch nicht wirklich zu überzeugen, immerhin spielte Differdingen damals Europapokal. 

Inzwischen haben Sie Ihren Vertrag bis 2023 verlängert. Wird Ihre Karriere bei D03 enden?

Ich hoffe es – und ich wünsche mir auch, dass der Klub das will. Was nach der Fußballerkarriere kommt, weiß ich noch nicht. Ich habe aber derzeit nicht das Bedürfnis, irgendwelche Trainerausbildungen zu machen und sehe mich auch gar nicht als Coach. Dafür habe ich nicht das richtige Temperament. Vielleicht kommt das noch, aber im Moment könnte ich mir eher vorstellen, eine andere Rolle zu übernehmen.

Gehen Sie davon aus, dass man Ihnen irgendwann eine Statue in Differdingen errichtet?

Darüber haben wir schon ein paar Mal in der Kabine gescherzt. Es gibt ja manchmal Spieler, deren Trikotnummer nach ihrem Karriereende nicht mehr vergeben wird. Ich lache dann immer und sage, dass später niemand mehr mit einer 25 bei D03 spielen wird. Ich habe aber wirklich keine Zweifel daran, dass ich irgendwann hier toll verabschiedet werde. Elf Jahre sind ja schon eine Seltenheit. Ich bin glücklich hier und verdanke dem Verein viel. Inzwischen bin ich so alt, dass ich bei fast all unseren Gegnern Spieler kenne, die irgendwann mal das gleiche Trikot getragen haben wie ich. 

Welcher Vereinskollege ragte für Sie in den elf Jahren heraus?

Was das Fußballerische angeht, war das ohne Zweifel Omar Er Rafik. Es war eine Freude, ihm zuzusehen. In der Kabine war das allerdings ein anderer: Philippe Lebresne. Da wurde ständig gelacht. Es war eine andere Generation. Ich war damals der junge Spieler, heute ist es umgekehrt. Es ist schwierig, diese Mentalität von damals noch einmal so auf den Platz zu bekommen. Aber unser Fußball hat sich auch verändert. Früher haben wir eher verteidigt und auf Konter gelauert, jetzt ist das anders. Das heißt nicht, dass ich nicht auch wieder so tolle Momente erleben will …

Was Differdingen in Luxemburg ist, ist für Sie auch Paris Saint-Germain in Frankreich. Sind Sie, trotz Kataris, noch immer so begeistert?

Ja, das ist noch immer so. Ohne die Investoren wäre Lionel Messi niemals zum PSG gewechselt. Mittlerweile lockt der Verein wieder viele Menschen ins Stadion, der Erfolg ist ja auch da. Klar, die Konkurrenz findet das nicht so toll, aber das ist Teil des Spiels. 

Welcher Gegenspieler war bei den Europa-League-Duellen 2011 der beste Spieler des PSG?

Jérémy Menez. Ich habe ihn nach dem Hinspiel um ein Trikot gebeten – und habe es auch bekommen. Am Anfang habe ich mich nicht mal getraut, das Shirt auch nur zu berühren. Heute liegt es irgendwo hinten im Schrank. 

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Florent Malouda 2017/18 zum ersten Mal beim D03-Training erschien?

Darüber habe ich erst vergangene Woche gesprochen, als wir gegen Racing gespielt haben. Farid Ikene, der jetzt dort spielt, saß damals neben mir in der Kabine. Als Malouda reinkam, sagte er: „Der sieht Malouda aber sehr ähnlich.“ Er war nicht der Einzige, der das nicht sofort geglaubt hat. Ich werde noch immer darauf angesprochen und gefragt, wie es war, mit ihm zu spielen. Er hatte vielleicht nicht mehr die besten Beine, aber im Training landeten mindestens neun seiner zehn Schüsse im Tor. Es ist einfach großartig, mit so einem Star zu spielen, den man aus dem Fernsehen kennt. Er war ein sehr netter Typ und wirklich darauf bedacht, sich zu integrieren. Er hat uns alle in sein Restaurant eingeladen und wirkte nie überheblich und arrogant.

Sie haben, abgesehen von der Saison 2016/17, jedes Mal mindestens ein Tor geschossen. Für wann heben Sie sich den Treffer in diesem Jahr auf?

Ich würde ja gerne ein paar mehr schießen … Aber es wäre noch besser, wenn es ein entscheidendes Tor wäre, beispielsweise eins, das uns für den Europapokal qualifiziert. Es muss auch kein schönes Tor sein. Es gab in meiner Karriere nicht viele, aber ich erinnere mich nur an zwei: einen Lupfer gegen Rümelingen und einen tollen Treffer gegen die Jeunesse auf dem Thillenberg.

Am Sonntag werden Sie Ihr 270. BGL-Ligue-Spiel bestreiten. Dabei sind Sie nur einmal mit Rot und zweimal mit Gelb-Rot vom Platz geflogen. Sind Sie manchmal zu brav oder zu schnell für die Gegenspieler gewesen?

Ich habe nicht unbedingt das Temperament, um anderen wehzutun. Ich bin ja auch kein gelernter Verteidiger. Tacklings sind nicht meine Stärke. Einige gehen vielleicht härter in die Duelle, aber das ist nicht mein Stil. Die Rote habe ich damals gegen Niederkorn bekommen. Es war schon etwas Frust dabei, als ich Aleksandre Karapetian gefoult hatte. 

Hat Sie die Kapitänsbinde verändert?

Das denke ich nicht. Ich bin es nicht gewohnt, derjenige zu sein, der zum Schiedsrichter läuft, um sich zu beschweren. Ich habe diesen Reflex noch nicht – und werde dann von den Kollegen daran erinnert. In der Kabine bin ich auch nicht der Typ, der das alleinige Sagen hat. Jeder, der etwas sagen will, darf und soll das tun.

Sie sind der Clown im Team, den alle mögen. Wann sind Sie in diese Rolle geschlüpft?

Da bin ich der Nachfolger von Philippe Lebresne. Mit ihm wurde ständig gelacht und gescherzt. Er hatte ständig Ideen, wie man andere aufziehen könnte. Ich bin auch im Training der Clown, weiß aber auch, wann gearbeitet werden muss. Ich war sehr froh, als „Filou“ im vergangenen Jahr als Co-Trainer zurückkam. Er hat seine Rolle als Clown sehr schnell zurückgefunden.

2 Fragen zum Wochenende

D03 kassierte in der Meisterschaft zwei Niederlagen in Folge. Was fehlte gegen Hostert und Racing?

Gegen Racing haben wir eine sehr schlechte erste Halbzeit absolviert. Wir haben nur reagiert, statt zu agieren. Gegen Hostert sind wir ebenfalls zurückgekommen, aber nachdem wir verkürzt hatten, kassierten wir gleich wieder das nächste Tor. Wir müssen unsere defensive Stabilität unbedingt wiederfinden, denn sieben Gegentreffer in zwei Spielen sind definitiv zu viel. Jetzt muss der Fokus wieder darauf liegen, erst mal ohne Gegentor zu bleiben. Vorne finden wir immer eine Möglichkeit, das Spiel zu entscheiden. 

Was erwartet Sie am Sonntag gegen UT Petingen?

Wir hatten vor der Saison ein Testspiel gegen sie. Damals lief bei ihnen noch nicht alles glatt, aber man hat gemerkt, dass sie guten Fußball spielen möchten. Sie sind eine junge Mannschaft, die sich jede Woche ein Stückchen mehr findet. Mit Abreu haben sie dann noch einen Ex-Kollegen, der den Unterschied machen kann. Mokrani vorne drin ist auch sehr gefährlich. Wir sind gewarnt.