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Strafvollzug für MinderjährigeJugendliche sollen künftig nicht mehr nach Schrassig kommen

Strafvollzug für Minderjährige / Jugendliche sollen künftig nicht mehr nach Schrassig kommen
Opposition und Regierung sind sich einig: Jugendliche haben in Schrassig nichts verloren. Allerdings fehlt es an angemessenen Alternativen für minderjährige Straftäter mit Gewaltpotenzial. Foto: Editpress/Isabella Finzi

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Die Unterbringung eines 17-Jährigen im Erwachsenenstrafvollzug von Schrassig hat nun auch politische Folgen. In einer Antwort auf eine parlamentarische Frage der Abgeordneten Gilles Roth und Laurent Mosar erneuert Justizministerin Sam Tanson ihre Absicht, solche Maßnahmen in Zukunft zu verbieten. Aktuell aber gebe es zumindest in Luxemburg keine Alternativen.

In Luxemburg ist die Unterbringung von Minderjährigen im Erwachsenenstrafvollzug durchaus möglich. Kritik bleibt aber nicht aus. So verweisen Ombudsfrau, ORK („Ombuds-Comité fir d’Rechter vum Kand“) und die Menschenrechtskommission immer wieder auf den Umstand, dass mit der sogenannten Unisec in Dreiborn eine spezielle Einrichtung speziell für diese Fälle vorgesehen sei.

Auf diese Kritik nehmen auch die Abgeordneten Gilles Roth und Laurent Mosar (beide CSV) in einer Dringlichkeitsfrage an Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) Bezug. Anlass des Schreibens ist die Überweisung eines 17-Jährigen von der „Unité de sécurité“ der Jugendhaftanstalt in Dreiborn ans Gefängnis in Schrassig Ende Januar. Grund sei dessen „schwer gewalttätiges Benehmen“ gewesen, so die Staatsanwaltschaft in einer Mitteilung an die Presse. Immer wieder habe er das Personal bedroht und angegriffen, sodass Betreuer und Justizbehörden keinen anderen Ausweg mehr sahen, als den Jugendlichen „als Übergangslösung“ im Gefängnis für Erwachsene unterzubringen.

In ihrer Anfrage erinnern Mosar und Roth nochmals an den Besuch der ehemaligen Präsidentin des UN-Kinderrechtsausschusses in Luxemburg. Tatsächlich hatte Renate Winter die diesbezügliche Gesetzgebung vor den Mitgliedern des parlamentarischen Justizausschusses stark kritisiert. Die Vorgehensweise, Minderjährige im Strafvollzug für Erwachsene unterzubringen, sei inakzeptabel. Das Argument, es fehle an ordentlichen Alternativen, sei auch nicht zulässig, so die ehemalige Richterin am Sondergerichtshof für Sierra Leone und Expertin in Jugendstrafrecht. Es sei die Pflicht der Behörden, Alternativen zu schaffen.

„Ein Minderjähriger ist ein Minderjähriger“, zitieren die zwei CSV-Abgeordneten Anwältin Deidre Du Bois. So habe die ehemalige Vizepräsidentin der Luxemburger Menschenrechtskommission und aktuelles Staatsratmitglied darauf hingewiesen, dass es keinen Unterschied geben dürfe in der Behandlung eines 16-Jährigen und eines 17-Jährigen. Roth und Mosar hätten sich in der Vergangenheit bereits selbst für den Bau einer entsprechenden Einrichtung für Jugendliche starkgemacht. Auch habe die Justizministerin angekündigt, eine Überführung Minderjähriger an Schrassig im neuen Jugendgesetz zu verbieten.

„Nicht im Sinne eines Minderjährigen“

Eine Absicht, die sie auch weiterhin verfolge, betont Ministerin Sam Tanson in ihrer Antwort. Eine Überstellung jugendlicher Straftäter an den Erwachsenenstrafvollzug sei in der entsprechenden Gesetzesvorlage nämlich nicht mehr vorgesehen. Im aktuellen Gesetz sei ein solcher Vorgang noch vorgesehen, insofern es im „obersten Interesse des Kindes“ sei. Sie selbst sei aber überzeugt, dass die Unterbringung in einer Haftanstalt für Erwachsene niemals im Sinne eines Minderjährigen sein kann. Allerdings verweist Tanson auch auf dem Umstand, dass es sich um eine Entscheidung des Jugendrichters handele und es nicht ihre Absicht und Rolle sei, diese zu hinterfragen.

Zwar werde der betroffene Jugendliche im Gefängnis weiterhin von Mitarbeitern der Jugendanstalt betreut, doch seien sich sämtliche Instanzen der Einschränkungen bewusst, die damit einhergehen. Die Justizministerin verweist indessen auf die außergewöhnlichen Umstände der Entscheidung. Leider gebe es in Luxemburg derzeit keine angemessene Einrichtung für derart gefährliche Jugendliche. Zusammen mit den Verantwortlichen des Bildungsministeriums sei man derzeit aber auf der Suche nach einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit.

Nun sei dies aber mit etlichen Hindernissen verbunden: Da es in Luxemburg keine entsprechenden Alternativen gibt, müssen sich die Behörden im Ausland umhören. Erschwert werde die Suche allerdings durch den Umstand, dass es derzeit kein Abkommen mit entsprechenden Einrichtungen im Ausland gibt, so Tanson. Der „hybride Charakter“ des Luxemburger Jugendschutzgesetzes sei eine weitere Hürde. Laut der hiesigen Gesetzgebung wird ein Freiheitsentzug juristisch betrachtet als reine Schutzmaßnahme für Jugendliche angewendet. Im Ausland sei der Freiheitsentzug allerdings eine strafrechtliche Maßnahme, die auch entsprechend streng angewendet werde, so Tanson.

Im Fall des 17-Jährigen schaue man sich derzeit nach einer Lösung in Deutschland um. Entsprechende Kontakte seien bereits geknüpft worden. Was die „Unité de sécurité“ in Dreiborn angeht, so sei diese als Strafvollzug für Jugendliche und nach europäischen Richtlinien ausgelegt worden, erklärt die Justizministerin. Unter den gegebenen Umständen wäre es allerdings angebracht, die gegenwärtige Verwendung und die mögliche Zukunft der Einrichtung nochmals zu überdenken.

Allerdings will sich die Ministerin im Rahmen einer Überarbeitung der Gesetze auch intensiver mit der Frage des Freiheitsentzugs für Jugendliche beschäftigen. Die entsprechende Gesetzesvorlage soll der Chamber noch im Laufe des kommenden Jahres vorgelegt werden.