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Tour de FranceBob Jungels im Tageblatt-Interview: „Die Last, die von mir abfällt, ist enorm“

Tour de France / Bob Jungels im Tageblatt-Interview: „Die Last, die von mir abfällt, ist enorm“
Sichtlich glücklich zeigte sich Bob Jungels am Ruhetag Fotos: Anouk Flesch/Tageblatt

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Bob Jungels strahlte am 2. Ruhetag der Tour de France am Montag übers ganze Gesicht. Nach seinem Etappensieg am Sonntag auf der 9. Etappe hat der 29-Jährige sein großes Ziel bei der Frankreich-Rundfahrt bereits früh erreicht. Im Tageblatt-Interview spricht der Profi von Ag2r-Citroën über einen unvergesslichen Tag und wie er nun die verbleibenden Etappen angehen möchte. 

Tageblatt: Bob Jungels, wie feiert man einen Etappensieg bei der Tour?

Bob Jungels: Schlafend im Bett (lacht). Nein, wir sind erst spät im Hotel angekommen. Ich glaube, es war 21 Uhr. Es ging dann eine Stunde zur Massage, dann gab es Glückwünsche links und rechts. Wir haben im Team ein Glas Champagner zusammen getrunken und auf den Sieg angestoßen. Die Tour geht weiter. Aber ich hoffe, dass wir in Paris ein bisschen länger feiern können. Ich muss aber auch sagen, dass ich ein Mensch bin, der nicht oft keine Worte findet. Gestern (Sonntag) Abend hatte ich aber nicht viel zu sagen. Ich war selbst erstaunt und einfach froh, dass alles so passiert ist. 

Die Mannschaft hatte einige Rückschläge bei der Tour zu verkraften. Bei Ben O’Connor war früh klar, dass er nicht für eine vordere Platzierung im Gesamtklassement infrage käme, Geoffrey Bouchard musste die Tour wegen eines positiven Coronatest verlassen. 

Der Etappensieg tut der ganzen Mannschaft sicherlich sehr gut. Vincent Lavenu sagte am Sonntagabend, dass wir immer auf einen Sonntag gewinnen, wenn die meisten Leute gucken (lacht). 

Der Tour-Etappensieger nahm sich am Montag Zeit, um die Fragen des Tageblatt zu beantworten
Der Tour-Etappensieger nahm sich am Montag Zeit, um die Fragen des Tageblatt zu beantworten

64 Kilometer vor dem Ziel fuhren Sie davon und ließen sich nicht mehr einholen. War das ein typischer Bob-Jungels-Sieg?

Das war meine Art und Weise, wie ich es schon seit Jahren mache. Bei den Junioren habe ich meine Rennen schon so gewonnen. Besonders schön war jetzt, dass ich den Sieg wirklich erkämpft habe. Es war ein wenig wie bei Liège-Bastogne-Liège 2018. Ich glaube nicht, dass viele Leute verstanden haben, was mein Plan war. Ich habe einfach meine Zeitfahr-Kapazitäten eingesetzt. Ich musste vor dem Berg Zeit herausholen, weil ich wusste, dass ich über die letzte Kuppe mit etwas Vorsprung kommen müsste. 

Ich hatte gestern (Sonntag) gefühlt 1.500 Nachrichten auf dem Handy

Bob Jungels, Ag2r-Citroën

Bereits auf den ersten acht Etappen hatten Sie starke Leistungen gezeigt. Das Selbstvertrauen hat Ihnen am Sonntag sicherlich weitergeholfen.

Absolut. Man braucht Selbstvertrauen, wenn es überhaupt drum geht, in die Echappée zu gehen. Es ist bei der Tour beeindruckend, wer am Start ist, wie schnell wir fahren und wie lange es dauert, bis eine Ausreißergruppe weggeht. Es war insgesamt ein spezieller Tag. Manchmal hat man so ein Gefühl. Gestern (Sonntag) hatte ich ein solches Gefühl. Ich dachte ‚Okay, heute probierst du es’. Ich war etwas demotiviert, als ich sah, dass die anderen aus der Gruppe nicht mitarbeiten wollten. Immerhin war Rigoberto Uran dabei, der im Gesamtklassement relativ weit vorne war. Im Endeffekt bin ich aber froh, wie sich alles entwickelt hat. Den Sieg kann mir keiner mehr nehmen. 

Beim Giro trugen Sie das Rosa Trikot, das Monument Liège-Bastogne-Liège haben Sie 2018 gewonnen. Wie sind diese Erfolge mit einem Tour-Etappensieg zu vergleichen?

Ich habe am Sonntag zum ersten Mal realisiert, was es bedeutet, eine Tour-Etappe zu gewinnen. Es ist was ganz anderes als das Rosa Trikot beim Giro. Es ist größer. Es ist eine ganz andere Bildfläche.  

Dabei muss man festhalten: Ihre Tour fing weniger gut an …

Die Tour, aber auch die Saison war für mich ein wenig eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Am Anfang der Saison war ich nicht so drauf, wie ich es gerne gehabt hätte. Nach der Tour de Romandie habe ich rasugenommen. Beim folgenden Trainingslager ging es besser. Bei der Tour de Suisse fuhr ich auf den 6. Platz und wurde für die Tour nominiert – alles war gut. Dann kam ich in Dänemark an und hatte mittwochs einen minimal positiven Coronatest. Ich muss dem Teamarzt sowie den Ärzten der Tour und der UCI danken, dass sie mir die Chance gegeben haben, mich am nächsten Tag noch mal testen zu können. Es war für mich ein kleines Wunder, dass es noch geklappt hat. Ich bin ziemlich gestresst in das Zeitfahren gegangen und habe mich die ersten zwei Tage in Dänemark nicht wirklich bei 100 Prozent gefühlt. Aber das Selbstvertrauen ist zurück, spätestens nach Sonntag. 

Der Sieg dürfte nun nach einer schwierigen Zeit entschädigen.

Die Last, die von mir abfällt, ist enorm. Die wenigsten Leute können sich vorstellen, was die letzten zwei-drei Jahre bei mir los war. Ich habe mich Schritt für Schritt nach vorne gearbeitet. Ich hoffe, dass es so weitergeht und ich mich in den nächsten Jahren weiterentwickeln kann. 

Tour-Etappensieger 2022: Bob Jungels
Tour-Etappensieger 2022: Bob Jungels

Man kann nun bereits festhalten: Die Tour de France 2022 ist ein voller Erfolg, oder?

Ja, absolut. Ich habe mein Ziel auf der 9. Etappe erreicht. Es sind noch zwei Wochen zu fahren. Ich hoffe, dass sich die Tendenz aus den letzten Jahren bestätigt. Damals erholte ich mich auch in der letzten Woche immer sehr gut. Ich möchte mich weiter zeigen und Spaß auf dem Rad haben. Das lebe ich momentan voll aus. Ich bin sehr froh, hier am Start zu sein, auch wenn sich das leicht sagt, wenn man gute Beine hat. 

Was peilen Sie für die verbleibenden Etappen an? Im Gesamtklassement sind Sie nun 16., in der Wertung des Bergtrikots 2. Könnten das zwei mögliche Ziele sein?

Das Gesamtklassement und das Bergtrikot gehen mir momentan nicht durch den Kopf. Das Gesamtklassement entscheidet sich in der letzten Woche. Ich werde weiter auf Etappen fahren. Da wird auch mal eine dabei sein, die schiefgeht. Ich werde also auch Minuten verlieren. Wir haben außerdem acht Bergetappen, da wird Tadej Pogacar wohl oft vorne dabei sein. Das Risiko besteht, dass er oder einer, der auf das Podium fährt, das Bergtrikot holt. Im Moment sind das keine Ziele für mich. Ich habe mein Ziel erreicht. Ich hoffe, dass ich weitere Boni hinzufügen kann. Ich bin momentan sehr froh, kein klares Ziel mehr zu haben und ohne viel Druck in die Etappen zu gehen. 

Haben Sie mitbekommen, wie der Etappensieg in Luxemburg bejubelt wurde?

Das ist immer schwierig. Man realisiert das erst, wenn man heimkehrt. Ich hatte gestern (Sonntag) gefühlt 1.500 Nachrichten auf dem Handy (lacht). Ich weiß, dass es in Luxemburg sehr gut angenommen wird, aber wahrscheinlich wird es ein paar Wochen dauern, um es richtig zu realisieren.