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StandpunktKremlfreundliche Propaganda in Ungarn

Standpunkt / Kremlfreundliche Propaganda in Ungarn
Wladimir Putin im Februar 2017 zu Besuch bei Viktor Orban in Budapest Foto: Karoly Arvai/Pool/AFP

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Es gebe kein ukrainisches Volk und keine ukrainische Kultur, und die Ukraine könne zwischen Russland und „bestimmten NATO-Mitgliedsstaaten“ aufgeteilt werden, sagte ein „Experte“ in einer Sendung des ungarischen Privatsenders Pesti TV, die nach dem russischen Einmarsch ausgestrahlt wurde.

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Marius Dragomir ist Direktor des Zentrums für Medien, Daten und Gesellschaft (CMDS) und Gastprofessor an der Central European University (CEU) in Budapest.

Der Mann stellte sich als Fotograf und Militäringenieur heraus – und nicht als Experte für geopolitische Themen. Bei Pesti TV, einem von der ungarischen Regierung mit beträchtlichen Zuschüssen finanzierten Fernsehsender, der die regierende Fidesz-Partei und ihren Vorsitzenden, Ministerpräsident Viktor Orbán, in den höchsten Tönen lobt, sind solche Propagandasendungen allerdings keine Ausnahme. Seit dem Einmarsch in die Ukraine im letzten Monat hat sich der Sender in Windeseile an der Verbreitung pro-russischer Falschinformationen beteiligt.

Nun ist Pesti TV damit beileibe nicht allein. Ähnliche Berichte, welche die Rechte des ukrainischen Volks über sein Land in Frage stellen und die russische Aggression offen befürworten, finden sich unentwegt in den regierungsnahen ungarischen Medien – und diese dominieren die Medienlandschaft des Landes.

Der staatliche Fernsehsender MTVA hetzt seit den ersten Stunden des Krieges die öffentliche Meinung gegen die Ukraine auf, so die Analyse von Atlatszo, einer unabhängigen Medienagentur. Auf Facebook schrieb MTVA-Moderator Balázs Németh im vergangenen Monat, es wäre eine kluge Entscheidung, wenn der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kapitulieren und zurücktreten würde.

Als Reaktion darauf appellierten Medienexperten an Ungarns Medienaufsicht, die Nationale Medien- und Infokommunikationsbehörde (NMHH), die staatlichen Medien anzuweisen, keine pro-russische Propaganda mehr zu senden. Doch die Regulierungsbehörde ist voll von Fidesz-freundlichen Mitarbeitern, und so geschah nichts.

Die Propaganda-Kloake, die Ungarns regierungsnahe Medien ausschütten, ist unvereinbar mit der von der Regierung erklärten Unterstützung der Sanktionen gegen Russland. Warum spielt Orbán dieses doppelte Spiel – sich einerseits in öffentlichen Reden gegen den Krieg aussprechen und andererseits seine Medien anweisen, Russland zu loben und Lügen zu verbreiten?

Orbáns Strategie

Offensichtlich gibt es dafür zwei Gründe: Vorteile bei der Parlamentswahl und Orbáns kriecherische Bewunderung für Putin.

Betrachten wir zunächst die Wahl. Orbáns Strategie, sich gegen den russischen Angriff auf die Ukraine auszusprechen, beschwichtigt den Teil der Wählerschaft, der eine weitere Eskalation des Konflikts befürchtet. Auch beruhigt er damit seine Amtskollegen in der EU, die sich besorgt über die zunehmende Orientierung seiner Außenpolitik Richtung Osten geäußert haben, und profiliert sich als friedliebender Regierungschef.

Parallel dazu wusste die Fidesz-Partei den Krieg in der Ukraine geschickt als PR-Chance für die ungarische Parlamentswahl am 3. April zu nutzen. Fast alle Nachrichtensendungen der MTVA berichteten in den letzten Wochen, Oppositionspolitiker wollten Truppen und Waffen in die Ukraine schicken – was bei der Mehrheit der ungarischen Bevölkerung auf Ablehnung stößt. Doch das haben die Oppositionsparteien nie gesagt. Es handelte sich um eine Verleumdungsaktion mit dem Ziel der Diskreditierung.

Die kremlfreundliche Kampagne der Fidesz-kontrollierten Medien dient – und das ist ein Sonderfall unter allen großen EU-Medien – in erster Linie dazu, bei der anstehenden Parlamentswahl in Ungarn Stimmen zu gewinnen. Dies sickert bis zur Wählerschaft durch. Es überrascht nicht, dass in einer kürzlich von Pulzus Research durchgeführten Umfrage ein Viertel der Orbán-Anhänger die Invasion als „gerechtfertigten Krieg“ bezeichneten. Kaum einen Monat vor dem Wahltag können es sich Orbán und seine Partei nicht leisten, diese Wähler zu verprellen, denn dies hätte womöglich den Verlust seiner Mehrheit zur Folge.

Es gibt allerdings noch einen anderen, tiefer liegenden Grund für die kremlfreundliche Propaganda in den Fidesz-unterstützenden Medien: Orbáns Verbundenheit mit Putin.

Mit Putin über EU und NATO hergezogen

Über fast ein Jahrzehnt hinweg, vor allem nach seiner Rückkehr an die Macht bei der Wahl 2010, hat Orbán ein enges Verhältnis zum Kreml und seinem Führer aufgebaut. 2014 erteilte die ungarische Regierung Russlands föderaler Behörde Rosatom einen Auftrag über 12,5 Milliarden Euro zur Renovierung des einzigen Kernkraftwerks in Ungarn. Russland versprach für die Durchführung des Projekts (das inzwischen von der EU blockiert wird) einen Kredit von zehn Milliarden Euro.

Orbán hat Russland wiederholt für seine erfolgreiche „illiberale“ Gesellschaft gepriesen und ist gemeinsam mit Putin laufend über die EU und die NATO hergezogen. Das Modell der Medienübernahme, das Orbán in Ungarn nach Putins Vorbild aufgebaut hat, führte dazu, dass Fidesz-nahe Unternehmen inzwischen fast die gesamte Medienlandschaft des Landes kontrollieren.

Eine kürzlich von dem in Ungarn ansässigen Medienunternehmen Direkt36 durchgeführte Untersuchung zeigt auf, wie das Kommunikationsteam des Ministerpräsidenten den Nachrichtenfluss in Ungarn rigoros steuert. Mit Hilfe zugespielter Dokumente erläutert der Bericht, wie die Regierung die staatliche Nachrichtenagentur MTI zur Lenkung und Gestaltung der Medienagenda in Ungarn instrumentalisiert.

Für Orbán stellt der Krieg in der Ukraine eine harte Belastungsprobe dar. Er setzt alles daran, die Wiederwahl zu gewinnen, ohne auf diesem Weg die ungarischen Kriegsgegner unter seinen Wählern zu verschrecken oder den Kreml zu verärgern. Während die meisten rechtsgerichteten Politiker in Europa sich von Putin distanzieren, führt Orbán einen gewagten Balanceakt aus.