Glen Leven strahlt Ruhe aus. Das könnte einerseits an der Atmosphäre liegen, denn das Gespräch mit dem Tageblatt fand im Rahmen des Trainingslagers von Trek-Segafredo – bei strahlendem Sonnenschein am Pool des Hotel Denia Marriott La Sella Golf Resort & Spa – im Januar statt. Andererseits könnte dies vor allem an seiner Natur liegen – denn für den Job, den er seit diesem Jahr bei Trek-Segafredo einnimmt, muss er Ruhe und Ordnung bewahren.
„Team Support Manager“ lautet die genaue Bezeichnung der Tätigkeit, die der Luxemburger beim WorldTour-Team ausfüllt. Seit sieben Jahren ist er für die US-amerikanische Mannschaft schon tätig, war zuvor Mechaniker und Chefmechaniker. Was er nun tut, „wird bei anderen Teams als Technischer Direktor bezeichnet“, erklärt er. „Im Allgemeinen bin ich zuständig für alle technischen Partner. Für die Kommunikation zwischen ihnen und dem Team.“ Der größte Hauptsponsor, mit dem Leven also die meiste Zeit zusammenarbeitet, ist der US-amerikanische Radhersteller Trek.
„Ich bin verantwortlich für die Kommunikation zwischen den Ingenieuren von Trek und den Rennfahrern. Zudem kümmere ich mich um die technischen Bestellungen – alles, was ein Rennfahrer braucht. Den richtigen Rahmen, den richtigen Sattel, die richtigen Gruppen – das liegt alles in meiner Hand.“ Leven ist also das Bindeglied zwischen den Sportlern und Trek. Doch nicht nur materialtechnisch ist er der gefragte Mann. Leven ist auch für die Pläne der Mechaniker zuständig, wertet deren Berichte aus, kümmert sich um die Logistik.
Etwa 60 Renntage im Jahr
Dabei fallen dann noch ganz andere Aufgaben an. „Wir wollen ein Green Team sein“, sagt der Luxemburger. „Wir wollen die Lkws also so wenig wie möglich bewegen. Wenn wir sie im Süden stehen lassen können, das tun wir das – aber dennoch müssen die Räder von links nach rechts kommen. Wenn ein Rennfahrer bei einem Rennen aufhört und morgen woanders startet, dann fliegt er ohne sein Rad. Meine Aufgabe ist es dann, einen Plan zu erstellen, wie die Räder reisen.“
Nein, wirklich ruhig wird es im Alltag des Luxemburgers nie so richtig. Im Oktober des letzten Jahres fingen für ihn dabei die Vorbereitungen auf die kommende Saison schon an. „Als Mechaniker hatte ich von Oktober bis Dezember Ruhe, das hat sich jetzt etwas verschoben. Von September bis Dezember dauern nun unsere Vorbereitungen. Dann steht das erste Trainingslager an und der intensivere Austausch mit den Fahrern.“
Wenn die sportliche Saison begonnen hat, kommt Leven dann auf etwa 60 Renntage. Der Luxemburger arbeitet also nicht vom Büro aus, sondern reist bei den wichtigsten Rennen mit. „Ich muss mit dem Team unterwegs sein, um mit den Fahrern zu kommunizieren. Was mögen sie, was nicht? Es geht um das direkte Feedback, das ich dann an die Sponsoren weitergebe. Dann geht es auch darum, dass die Fahrer dich sehen – und eben wissen, wer ihnen dreimal wöchentlich eine Mail schickt“, schmunzelt er.
Den ersten Härtetest für das Material haben Leven und sein Team mit dem Eröffnungswochenende in Belgien bereits hinter sich. Bei Paris-Nice steht am Donnerstag dann ein wichtiges Zeitfahren an, dann folgen für den Luxemburger unter anderem die Tour de Suisse und die Tour de France als Highlights. „Nach der ‚Grande Boucle’ ist die Spannung dann etwas raus“, sagt Leven.
Niederländisch-luxemburgisches Duo
Seine Arbeit als Team Support Manager bewältigt er zusammen mit dem ehemaligen Radprofi Koen De Kort. Der Niederländer, der 2004 Paris-Roubaix der Espoirs gewann, beendete erst im letzten Jahr seine aktive Karriere. De Kort mussten nach einem Trainingsunfall in den Pyrenäen drei Finger amputiert werden.
Der Holländer kümmert sich dabei mehr um die Software – also um Schuhe, Helme oder Trinkflaschen. „Er macht etwas mehr Büro-Arbeit, während ich mit meiner Mechanik-Ausbildung mehr für das Technische zuständig bin.“ Etwas überraschend ist es doch, dass ein niederländisch-luxemburgisches Duo diese Aufgabe übernimmt, war dieser Bereich doch immer fest in US-amerikanischer Hand. „Deswegen habe ich nie damit gerechnet, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen“, sagt Leven. „Trek hat da immer eine Hand drüber gehalten. Ihnen war die Kommunikation auf Englisch wichtig. Ingenieurs-Englisch ist noch mal was ganz anderes als Cycling-Englisch. Für Trek war es durch Covid aber keine Option, einen Amerikaner für vier Jahre nach Europa zu schicken und ihn zu isolieren.“
Mittlerweile ist die Saison in vollem Gange. Die meiste Organisation ist getan, die Pläne sind erstellt. Doch auch wenn viel Arbeit hinter allen Plänen steckt, können sie innerhalb eines Tages hinfällig werden. „Wenn dann ein Fahrer bei einem Rennen nicht teilnimmt, ändert sich der Fluss der Räder. Es kommen immer auch Stürze dazu, Covid-Infektionen, ein anderer Rennfahrer wird selektioniert.“ Und dann, Glenn Leven? „Dann fängt man halt wieder neu mit dem ganzen Puzzle an“, grinst er in aller Ruhe.
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