Anastassija Merkuschyna postete verstörende Bilder von zerbombten Häusern, brennenden Panzern und leidenden Familien aus ihrer ukrainischen Heimat – und nutzte dafür die Plattform, die ihr Biathlon-Kollege Erik Lesser zur Verfügung stellte. Der deutsche Skijäger überließ Merkuschyna seinen Instagram-Account für 24 Stunden, um bei seinen russischen Fans für mehr Aufklärung im Ukraine-Krieg zu sorgen.
„Ich habe festgestellt, dass ich 30.000 Follower aus Russland auf Instagram habe. Ich glaube, der russischen Bevölkerung ist nicht ganz klar, was in der Ukraine abgeht“, sagte Lesser am Samstag am Rande des Weltcups in Kontiolahti im ZDF. Im Januar hatte der Biathlet aus Thüringen seinen russischen Rivalen Eduard Latipow in der Corona-Quarantäne unterstützt – und damit Heldenstatus in Russland erlangt.
Mittlerweile folgen Lesser insgesamt über 133.000 Personen, fast 20.000 mehr als tags zuvor. Lessers Intention sei gewesen, „meine Reichweite dafür zu nutzen, dass in Russland mehr Leute wirkliche Nachrichten bekommen“, erklärte der Doppel-Weltmeister von 2015: „Wenn ich jetzt irgendetwas poste, glaubt mir das kein Mensch. Aber wenn eine Ukrainerin das macht, ist das schon ganz ordentlich.“
Und Merkuschyna nutzte die Chance, veröffentlichte Fotos und Videos von Freunden in ihrem Heimatland nach der russischen Invasion. „Ich möchte euch den Krieg mit eigenen Augen zeigen. In Informationskriegen ist es schwer, die Wahrheit zu finden“, schrieb die 27-Jährige, die aus dem Nordosten der Ukraine stammt und im vergangenen Jahr mit der Staffel WM-Bronze geholt hatte.
Einen emotionalen Appell richtete Merkuschyna an ihre russischen Kollegen, die sich noch nicht gegen den Krieg ausgesprochen haben: „Euer Schweigen kostet Dutzende Menschenleben“, schrieb sie: „Ihr seid empört über das Startverbot, aber wie könnt ihr konkurrieren, wenn euer Land unseren Verwandten und Freunden Waffen an den Kopf hält?“
Ukrainische Sportler greifen zu den Waffen, „um ihr Land zu verteidigen, aber ihr habt Angst vor der Wahrheit“, übte Merkuschyna scharfe Kritik. In den Kommentaren gab es Zustimmung von der weltweiten Biathlon-Community, aber auch ablehnende Statements von Russen.
Lesser, der nach dem Saisonende seine Karriere beenden wird und in Zukunft als Trainer arbeiten will, hofft jedenfalls, weitere Sportler aus der Ukraine für ähnliche Aktionen gewinnen zu können. „Es sind traurige Zeiten, ich hoffe, dass es ein bisschen was bringt“, sagte der Sportsoldat und bedankte sich bei Merkuschyna.
Von seinen russischen Fans habe nur ein Drittel „Bye Bye“ gesagt, schrieb Lesser, und ließ einen Aufruf an den Rest folgen: „Ihr könnt die Mehrheit sein, ihr seid der leise Widerstand. Versucht euer Bestes, um gehört zu werden!“ Sportlich konnte Lesser am Wochenende übrigens auch punkten: Zum Abschluss des Weltcups im finnischen Kontiolahti stürmte der Routinier in der Verfolgung auf Platz zwei. (SID)
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