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Retro 2021Zwischen Homeschooling und Homeoffice: Bereit für die Rückrunde

Retro 2021 / Zwischen Homeschooling und Homeoffice: Bereit für die Rückrunde
„So wie Ronaldo“: Ein Jubel und das Gefühl einer stolzen Mama Foto: AFP/Oli Scarff

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Samstagmorgen in Esch. Es regnet. Kalte Füße, dunkle Augenringe und im Schlepptau eine Vierjährige mit dem Wissensdrang einer Atomwissenschaftlerin während einer Nuklearkatastrophe: Während Tochter eins auf dem Fußballplatz um Ballbesitz ringt, beschäftigt sich Junior mit Daseinsberechtigungen von Masken, Torhütern und Kernen in Rosinen. Ein nicht so ganz ernst gemeinter Rückblick auf zwölf Monate Sportjournalismus und Mutterrolle. 

Was für die einen unmittelbar nach dem Neujahrskorken einen organisatorischen Marathon darstellte, war in unserem Haus aufgrund von Zufällen bei der Koordination der Urlaubstage eher ein Glücksfall. Wer selbst Kinder hat, kennt das Gefühl: diese Kombination von Homeschooling-Wochen und wichtigen Telefonaten, die dem Betreten eines Minenfelds ähnelt. Niemand weiß, was wirklich auf einen zukommt, obwohl man sich bereits mehrere Monate auf dem besagten Terrain bewegt hat. 

Im Endeffekt blieben die großen Katastrophen in dieser Hinsicht bei uns aus: Die Schule funktionierte, sieht man von vier speziellen Isolationswochen ab, normal. Mit Maske zum Unterricht – statt wie in Lockdown eins mit Malkasten gefährlich nah an Mamas Computer. Risikoreicher lebte da nur König Fußball selbst, der Anfang des Jahres in Luxemburg einen schweren Stand bei seiner Außendarstellung hatte. Nach dem Schnelltest-Fiasko folgten wetterbedingte Absagen, bis das Mammutprogramm in Windeseile in den Mai hinein abgespult wurde. 

Genauso schnell musste es morgens dann auch gehen, wenn Tochter A die Brotdose oder Tochter B wieder mal den Turnbeutel vergessen hatte. Die beiden Auswärtsspiele mit der Fußballnationalmannschaft hatten in dieser Hinsicht schon fast entspannenden Charakter – so ganz ohne Wecker, Wäscheberge und Wutausbrüche wegen der Frage, welche Folge von „Paw Patrol“ die interessanteste sei. 

Besonders als Sportreporter gehörte man 2021 zunächst zu der glücklichen Ausnahme von Personen, die Events live und in Farbe erleben durften, während Fans und Zuschauer lange in die Röhre schauen mussten. Von den sportlichen Höhepunkten des Jahres stehen die Vor-Ort-Berichterstattungen aus Spanien und Portugal logischerweise ganz oben auf der Hitliste. Bei Erling Haaland und Cristiano Ronaldo schrillten die Alarmglocken sogar schon vor Juni bei der Vierjährigen – seit Ende September auch, wenn im Radio jemand den Namen Sébastien Thill ausspricht. Dass der Diederich-Nachwuchs dieses Faible (böse Zungen sprachen bereits von Indoktrination) für das runde Leder hat, kommt anscheinend nicht von ungefähr. Bevor die Zuschauerzahlen wieder massiv runtergeschraubt wurden, gab es im Herbst einen Familienausflug ins Westfalenstadion. 

Ansonsten haben sich Homeoffice und Hausaufgaben in den letzten Wochen wirklich gut eingependelt. Ätzend sind für berufstätige Eltern dagegen weiterhin die Tage, an denen komplette Klassen in Isolation gesteckt werden – und das Essen sich bekanntlich nicht von allein auf den Tisch zaubert. Aber: Ist man überhaupt Journalist, wenn man noch nie teils panisch Interview-Notizen in einer Parklücke auf einen fettigen McDonald’s-Kassenbon gekritzelt hat, während auf der Rückbank nicht sehr hilfreiche Zwischenrufe getätigt werden? Oder als einziger Gesprächspartner im Zoom-Call erscheint – und die volle Aufmerksamkeit eines Trainers am Tag vor einem Conference-League-Duell genießt? Harakiri-Methoden, die vor der Pandemie wohl nur den Chaoten der Branche zuzuschreiben gewesen waren, jetzt aber zum guten Ton gehören. Anpassen heißt die Zauberdevise.

Gerade wurde auf dem Escher Fußballplatz ein Nachwuchstorhüter getunnelt. Auf dem Weg in Richtung Teamkollegen springt der Torschütze in CR7-Manier in die Höhe und posiert vor der Mannschaft. „So wie Ronaldo“, analysiert die Vierjährige wieder einmal, ohne mit der Wimper zu zucken. Woher sie das hat? Keine Ahnung … Grinst Mama stolz beim Gedanken, dass 2021 aus ihren jungen Damen noch schlimmere Fußballfanatikerinnen gemacht hat? Definitiv.