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Retro 2021Faszination Blaulicht? Mitnichten: Personalmangel an allen Fronten

Retro 2021 / Faszination Blaulicht? Mitnichten: Personalmangel an allen Fronten
Ein Job mit Perspektive? Die Polizei sucht weiter nach Kandidaten. Aber auch andere Behörden fischen im gleichen Rekruten-Pool. Foto: Editpress/Alain Rischard

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Sie sind jung, gebildet, motiviert und körperlich fit? Sie haben einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, ein Gefühl für Menschen und den Drang, Mitbürgern zu helfen? Sie wollen einen abwechslungsreichen Beruf, eine Praxis-orientierte Tätigkeit im Feld? Und Sie mögen Uniformen und Blaulicht? Dann ist die Polizei genau der richtige Arbeitgeber für Sie! Oder die Rettungsdienste. Vielleicht aber auch die Gefängnisverwaltung? Oder die Armee?

Junge Menschen, die eine Karriere bei den Sicherheits- und Ordnungskräften des Landes anstreben, haben derzeit die Qual der Wahl. Sowohl Polizei und Armee als auch CGDIS und Gefängnisverwaltung suchen händeringend nach Nachwuchs. Während Polizei und Rettungsdienste ihre Rekrutierungskampagnen etwas öffentlichkeitswirksamer in Szene setzen, haben auch Militär und „Administration pénitentiaire“ ihre Reihen dieses Jahr zu stärken versucht. Die einen mit mehr, die anderen mit weniger Erfolg.

Am meisten wird sich derzeit wohl die Polizei über einen gewissen Erfolg bei ihren Rekrutierungsversuchen freuen: 202 angehende Polizisten befinden sich derzeit in Ausbildung und auch die zweite Welle ist recht vielversprechend angelaufen. So hatten sich in einer ersten Phase mehr als 800 Kandidaten für einen Job bei den Ordnungskräften gemeldet. 800 ist allerdings auch die Zahl der Beamten, die man in den nächsten fünf Jahren auszubilden gedenkt.

Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, wann die Behörden auch jene Kandidaten verpflichten müssen, die bei den ersten Rekrutierungswellen noch ausgeschieden waren, weil sie die Kriterien nicht erfüllt haben. Natürlich sind auch Frauen und Männer betroffen, die die nötigen Talente besitzen, sich aus irgendwelchen Gründen aber nicht unter den ersten 200 platzieren konnten. Auch werden immer wieder neue Talente nachrücken. Irgendwann aber stößt der Pool an potenziellen Beamten an seine Grenzen.

Vor allem da auch andere Behörden im gleichen Pool nach Kandidaten fischen. Ihm gehe der Schweiß aus, wenn er die Ankündigungen der Kollegen höre, sagte etwa der Direktor der Gefängnisverwaltung, Serge Legil, dieses Jahr in einem Interview mit dem Tageblatt. „Hier 200 Kandidaten für die Polizei, dort 100 weitere Kandidaten für die Rettungskräfte“, so Legil, der gerade ein nagelneues Gefängnis in Sanem mit Personal ausstatten muss. Kein Problem habe man, Erzieher, Psychologen und Sozialarbeiter zu engagieren. Vielmehr hapere es bei den Gefängniswärtern, die inzwischen ganz andere Erwartungen erfüllen müssen wie noch vor einigen Jahrzehnten.

Die Ansprüche an die Mitarbeiter – seien es nun Polizisten, Wärter oder gar Soldaten – sind in den letzten Jahren rasant gewachsen. Die Gesellschaft wird immer komplexer, und mit ihr auch die Herausforderungen an jene, die sich der Wahrung der öffentlichen Ordnung verschrieben haben. Das gilt auch für Personen, die eine Karriere beim Militär anstreben. Spezialisten sind heute gefragt, junge Menschen, die mit komplexen Instrumenten klarkommen und gleichzeitig Feingefühl im Umgang mit ihren Mitmenschen beweisen müssen. Sicherheitsbeamte müssen sie sein, Seelsorger, Erste-Hilfe-Leister, Sozialarbeiter und Problemlöser.

Das abgelaufene Jahr hat gezeigt, wie akut der Personalmangel bei den betroffenen Behörden wirklich ist. Am sichtbarsten werden die Auswirkungen natürlich bei der Polizei, wenn kleinere Kommissariate zeitweise schließen und Beamte unerlaubte Überstunden leisten müssen, nur um mehr Präsenz im Bahnhofsviertel zu zeigen. Wenn die Polizeidirektion Unterstützung aus Belgien anfordern muss, um Proteste gegen die Covid-Politik der Regierung zu umrahmen. Wenn auch an Weihnachten und Silvester ein verstärktes Polizeiaufgebot nötig wird, damit Menschen ihre Meinung weiterhin äußern können. Nur um im Gegenzug jene Beamte anzupöbeln, die ihre Feiertage opfern, damit Demonstranten ihr demokratisches Recht ausüben können.

Dabei dürfen wir aber auch nicht die Rettungskräfte und Mitarbeiter anderer Behörden vergessen, die weit über ihre Grenzen hinausgehen, weil es an allen Ecken und Enden an Personal mangelt. All diese Herausforderungen werden auch 2022 nicht abnehmen. Ganz im Gegenteil. Vielleicht wäre es an der Zeit, diese Berufe nicht nur mit schmucken Hochglanz-Fotos zu bewerben, sondern auch die Rahmenbedingungen zu verbessern, die eine Karriere bei den Luxemburger Ordnungs- und Rettungskräften etwas interessanter gestalten. Wie heißt es so schön? Avis aux amateurs!