Tageblatt: Ivan Centrone, mit Geofco-Doltcini haben Sie sich einer neuen Mannschaft angeschlossen. Neues Team, neues Glück?
Ivan Centrone: Das hoffe ich zumindest. Ich werde wieder neue Erfahrungen machen. Leider musste ich die französische Mannschaft Xelliss – Roubaix Lille Métropole verlassen. Aber zum Glück habe ich Geofco-Doltcini gefunden, das mir die Möglichkeiten gibt, ein weiteres Jahr richtig Gas zu geben.
Hätten Sie gerne in Roubaix verlängert?
Ich war sehr zufrieden. Es war eine professionelle Mannschaft, über die ich nur Gutes sagen kann. Es war aber ein kompliziertes Jahr für das Team. Wir haben nicht viel gerissen. Die Leute, die die Mannschaft steuern, wollten auf ein neues Team bauen. Von zwölf Fahrern haben sieben das Team verlassen, fünf sind geblieben. Da ich ein schlechtes Jahr hatte, was nicht meine Schuld war, gab es leider keine Möglichkeit, zu verlängern.
Warum waren die schlechten Leistungen nicht Ihre Schuld?
Bei der Etoile de Bessèges (2.1) im Februar dieses Jahres bin ich schwer gestürzt. Danach hatte ich physische Probleme. Ich hatte bei Rennen das Problem, dass mein Körper komplett zusammenbrach. Ich hatte dieses Gefühl noch nie. Es war immer dasselbe Schema: erst übersäuert mein linkes Bein, dann fährt mein Körper auf Hochtouren und ich explodiere komplett. Das Problem war im September immer noch da, obwohl ich alles versucht hatte: Osteopath, Physiotherapeut, Chiropraktiker. Ich habe mit Bekannten gesprochen, die auch Profis waren. Sie sagten mir, dass es in die Richtung einer Endofibrose ginge. Ich habe also Bob (Jungels, Anm. d. Red.) kontaktiert und er gab mir die Nummer seines Arztes. Ich machte dieselben Tests wie Bob und alle Ergebnisse waren gleich. Ich habe dann noch einen zusätzlichen Test in Belgien machen lassen, bei dem mir Kontrastmittel in den Körper injiziert wurde. Das Ergebnis war, dass sich meine Arterie mit der Zeit verlängert. Außerdem ist sie zu dünn. Meine Blutzirkulation wurde dadurch im Rennen blockiert. Die einzige Lösung war eine Operation. Der Eingriff im September verlief gut. Ich habe fünf Wochen pausiert und werde am Donnerstag (heute) mit dem Training beginnen.
Wie sieht Ihr weiterer Trainingsplan aus?
Im Dezember bleibe ich zu Hause und arbeite an meinem Muskelaufbau. Das wird sehr wichtig, weil ich drei Monate nicht auf dem Rad saß und zwei Monate gar kein Sport gemacht habe. Im Januar geht es dann voraussichtlich mit der Mannschaft ins Trainingslager. Ich möchte aber nichts überstürzen. Die Saison fängt für mich ein wenig später an, weil wir die ersten Rennen in Frankreich nicht fahren.
Mit der Unterschrift bei Geofco-Doltcini schließen Sie sich einem neu gegründeten Team an. Das bringt sicherlich auch Risiken mit.
Ich muss sagen, dass es nicht allzu schwierig war, eine Entscheidung zu treffen. Heutzutage ist es selbst mit guten Resultaten schwer, eine Mannschaft zu finden. Es gibt zudem Teams, die schließen. Es ist ein kompliziertes Jahr auf dem Markt. Ich habe in dieser Saison nichts gerissen, was auch mit der Verletzung zu tun hatte. Zudem hatte ich eine Operation und bin mit 26 Jahren zwar noch nicht alt, aber auch nicht mehr der Jüngste. Was ich damit sagen will: Teams achten seit Corona genau darauf, wen sie verpflichten. Seit Corona ist jedes Rennen umso wichtiger, es herrscht Krieg auf den Straßen. Deswegen muss alles stimmen und man muss sich einen Platz im Team verdienen. Geoffrey Coupé, der Geofco-Doltcini leitet, hat mir von seinem Projekt erzählt. Er war schon bei Roubaix tätig, dort konnten wir aber wegen Corona nicht gut zusammenarbeiten. Er hat Vertrauen in mich. Für mich war dies die einzige richtige Entscheidung.
Im Januar 2021 sagten Sie im Tageblatt-Interview, dass Sie die WorldTour anvisieren. Bleibt das weiterhin Ihr Ziel?
Es wäre der größte Fehler, meine Ziele herunterzuschrauben. Es gibt immer Hindernisse, die man überwinden muss. Aber das unterscheidet kleine von großen Sportlern. Man darf nie aufgeben und muss immer dran glauben. Von meiner körperlichen Form habe ich das Niveau, mit den Großen mitzufahren. Meine Ambitionen sind die Gleichen. Nur die Taktik ist anders. Es werden andere Rennen in dieser Saison gefahren werden, zudem ändert sich meine Rolle. Mit 26 bin ich der älteste Fahrer im Team. Ich werde also zum Capitaine de route. Ich habe viel Erfahrung gesammelt, die letzten zwei Jahre fuhr ich als Profi. Für mich ist das Ziel, so schnell wie möglich meine Chancen zu nutzen. Es gibt immer wieder Türen, die sich öffnen. Man muss nur die richtige finden und durchgehen.
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