Tageblatt: Bei der Tour de Luxembourg (14.9-18.9) werden Sie im September ein letztes Mal als Radprofi im Einsatz sein, danach beenden Sie Ihre Karriere. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Ben Gastauer: Ich bin schon eine gewisse Zeit lang verletzt (seit April leidet er an Hautreizungen und wunden Stellen mit Sitzbeschwerden auf dem Sattel, Anm. d. Red.) und kann immer noch nicht richtig trainieren. Ich kann zwar wieder leichte Ausfahrten machen, es fühlt sich aber immer noch nicht so an, wie es sein sollte. Als ich Anfang Juli wieder angefangen habe, zu trainieren, hat Teamchef Vincent Lavenu mir gesagt, dass die Entscheidung bei mir liege: Ich könnte aufhören oder weitermachen. Ich habe mir dann Zeit genommen, um zu sehen, wie sich die Situation entwickelt. Es läuft aber immer noch nicht so wie es soll, deshalb habe ich die Entscheidung getroffen, aufzuhören. Es war mir immer wichtig, dann aufzuhören, wenn ich auf dem Rad noch glücklich bin. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen: Ich hatte eine lange und schöne Karriere und wollte mich nicht noch unglücklich machen, indem ich das Jahr, das am Ende zu viel gewesen wäre, dran hänge. Ich werde im September mit der Teilnahme an der Tour de Luxembourg einen tollen Abschluss bekommen und freue mich, noch einmal vor Familie und Freunden zu fahren.
Haben Sie die Entscheidung zusammen mit Ihrer Familie und Ihrem Team gefällt?
Die Entscheidung steht noch nicht lange fest, etwa seit zwei Wochen. Ich habe diese zusammen mit meiner Familie getroffen. Ich war zuvor während zwei Wochen in Südfrankreich, um zu trainieren – ich hatte mir vorgenommen, danach eine endgültige Entscheidung zu treffen. Da es nicht so läuft, wie ich es mir vorgestellt hatte, habe ich mir gesagt, dass es jetzt reicht. Ich habe mich mit meiner Familie abgesprochen und bin dann in der vergangenen Woche nach Chambéry gefahren, um dort den Teamchef zu informieren. Er hat die Entscheidung geschätzt, dass ich nicht noch ein Jahr lang versuche, weiterzumachen, ohne Garantie, dass es irgendwann wieder gut läuft.
Ich bin glücklich mit meiner Entscheidung und freue mich auf die Abenteuer, die nach meiner Karriere folgen
Sind Sie enttäuscht, dass die Verletzung den Zeitpunkt des Karriereendes mitbestimmt hat?
Ich bin glücklich mit meiner Entscheidung und freue mich auf die Abenteuer, die nach meiner Karriere folgen. Ich habe die Entscheidung nicht nur aufgrund der Verletzung getroffen. Auch wenn es keine Verletzung gegeben hätte, weiß ich nicht, ob ich nach dieser Saison noch weitergemacht hätte. Auch ohne diese hätte ich wahrscheinlich aufgehört.
Sie haben Ihre ganze Profikarriere in nur einem Team verbracht – etwas, das im Radsport sehr selten ist. Wie fühlt es sich an, Ihre sportliche Laufbahn nun bei Ag2r-Citroën, dort, wo vor zwölf Jahren alles anfing, zu beenden?
Es ist wirklich ziemlich selten, die gesamte Karriere in nur einem Team zu verbringen. Das zeigt aber, dass wir ein besonderes Verhältnis haben. Es ist nämlich ein großes Zeichen von Vertrauen, das es leider nicht oft gibt. Es ist deshalb eine Ehre, in einer gesamten Karriere nur für ein Team zu fahren. Die Mannschaft hat es mir erlaubt, meine sportliche Laufbahn so zu gestalten, wie ich es wollte. Das Team hat mir immer vertraut, dass ich meine Leistung abrufe, sowie auch ich ihnen vertraut habe, dass sie das Team voranbringen. Auch dieses Jahr habe ich immer noch das Vertrauen vom Teamchef bekommen. Er hätte mir die Möglichkeit geboten, weiterzumachen, wenn ich gewollt hätte.
Wenn Sie auf die zwölf Jahre zurückblicken, welche Momente bleiben Ihnen in besonderer Erinnerung?
Ich denke momentan an meine ganze Karriere, ich habe zwölf schöne Jahre im Profi-Radsport verbracht. Es gab bis zum Schluss nur wenige Verletzungen. Besondere Momente gab es einige. Bei der Tour de France schaffte es dreimal ein Fahrer aus dem Team aufs Podium, als ich dabei war. 2014 haben wir zudem die Mannschaftswertung gewonnen und standen in Paris alle auf dem Podest. Das waren große Momente.
Sie haben sich stets in den Dienst Ihrer Teamkollegen gestellt und die eigenen Ansprüche hinten angestellt. Bereuen Sie es im Nachhinein, nicht öfter selbst angegriffen zu haben?
Ich bin immer so gefahren, wie ich persönlich den Radsport sehe. Für mich ist es eine Mannschaftssportart, meine Rolle war es immer, für andere zu fahren. Das Team hat das auch immer sehr geschätzt. Die Resultate, die wir erzielt haben, haben wir nur erreicht, weil wir als Team gefahren sind. Im Nachhinein kann man natürlich sagen, dass man einiges anders hätte machen können. Im Endeffekt ist es aber egal, wer gewinnt, jeder Sieg ist ein Resultat für das Team. Mir war es immer wichtig, mir selbst treu zu bleiben und als Mannschaft das bestmögliche Resultat zu erzielen. Deshalb gibt es auch nichts, was ich bereue.
Im September starten Sie bei der Tour de Luxembourg noch einmal vor heimischem Publikum. Ist dies das letzte und einzige Rennen, das Sie noch bestreiten?
Es wird sicher das letzte Rennen sein. Es ist aber durchaus möglich, dass ich vorher noch an dem einen oder anderen Rennen teilnehme. Es hängt davon ab, wie sich die Verletzung weiterentwickelt und wann ich wieder trainieren kann. Ich würde aber gerne vor der Tour de Luxembourg noch ein paar Rennen fahren, um wieder in den Rhythmus zu kommen. Es ist aber noch nichts Konkretes geplant.
War es Ihr eigener Wunsch, zum Abschluss noch einmal auf den Straßen des Großherzogtums an den Start zu gehen?
Als ich mich dazu entschieden habe, aufzuhören, kam mir sofort die Idee, ein letztes Rennen hierzulande, auf „meinen“ Straßen, zu fahren. Es soll ein schöner Abschluss mit Familie und Freunden werden. Das habe ich meinem Teamchef auch sofort mitgeteilt, als ich ihm gesagt habe, dass ich aufhöre. Er war von der Idee begeistert, sodass wir uns schnell einig wurden.
Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Ihrer Karriere?
Ich werde meinen Alltag komplett umorganisieren müssen. Ich habe Ideen und Pläne, allerdings noch nichts Konkretes. Ich bin für jeden Vorschlag offen und freue mich auf die neuen Challenges, die auf mich zukommen. Ich werde von der Zeit mit meiner Familie profitieren, natürlich gab es aufgrund der Verletzung in den vergangenen Monaten aber schon mehr davon als zuvor. Der Druck wird aber geringer sein, ich muss nicht mehr jeden Tag trainieren und freue mich darauf, die Wochenenden oder Weihnachtsfeiertage auch mal mit der Familie verbringen zu können.
Werden Sie dem Radsport weiter treu bleiben?
Radsport ist für mich die schönste Sportart, die es gibt. Nach meinem letzten Rennen werde ich zwar erst einmal eine Pause einlegen, um die Verletzung komplett auszukurieren. Danach werde ich aber sicher wieder aufs Rad steigen und auch den Sport weiter verfolgen. Auch der Mannschaft werde ich treu bleiben und sie weiter unterstützen.
Einen bleibenden Eindruck hinterlassen
Ben Gastauer hat sich während seiner Profikarriere besonders als Edelhelfer einen Namen im Peloton gemacht. Für ihn stand das Team immer im Vordergrund. Dafür gab es zum Abschied auch besonderes Lob von Ag2r-Citroën-Teammanager Vincent Lavenu. „Er ist ein Fahrer, der von jedem geschätzt wird. Er hatte maßgeblichen Anteil an den großen Erfolgen des Teams, wie den Gewinn der Mannschaftswertung bei der Tour 2014. Ben hat sich durch seine exzellente Fitness, seine Loyalität und seine Freundlichkeit ausgezeichnet und wird noch lange einen bleibenden Eindruck in unserer Equipe hinterlassen.“
Fast immer im Dienst für die anderen !
12 Jahre zuverlässig, einfach und bescheiden für seine Mannschaftskollegen zur Stelle.
War aus meiner Sicht ein sehr grosses Radsporttalent.
Auch wenn er den Killerinstinkt zum Siegen nicht hatte, ein sehr freundlicher und kultivierter Rennfahrer.
Wünsche Ben alles Gute im normalen Leben.