Unter den 184 Namen der Radprofis, die sich am Samstag beim „Grand départ“ in der Bretagne auf der Startliste befanden, tauchte ein Name nicht auf: Lachlan Morton. Und das, obwohl der Radprofi die „Grande boucle“ in diesem Jahr auch bestreitet. Nur eben auf eine andere Art und Weise – als Hommage an die ersten Ausgaben der Tour.
Morton ist Radprofi des WorldTour-Teams EF Education-Nippo. Er ist Australier, 29 Jahre alt und konnte 2016 „The Larry H.Miller Tour of Utah“ (2.HC) gewinnen. Ein schwieriges, siebentägiges Etappenrennen, das Laurent Didier damals auf dem zehnten Platz beendete. 2012 war Morton zum ersten Mal Teil eines WorldTour-Teams, damals bei Garmin-Sharp. Seitdem hat er einmal den Giro und einmal die Vuelta bestritten. Doch der Australier ist nicht nur im Profigeschäft der Straßenprofis bekannt, sondern auch in der Szene der Ultracycler. „Ich kenne ihn vor allem vom Everesting“, sagt Ralph Diseviscourt. „Er hält dort momentan die Bestzeit. Er ist nicht der klassische Radprofi, er sucht das Abenteuer.“
Ein ganz neues Abenteuer hat er am Samstag gestartet. Der Australier hat sich vorgenommen, jede Etappe der „Grande boucle“ zu fahren, einschließlich der Übergänge. Damit muss er 5.510 Kilometer bewältigen. Zum Vergleich: Das Peloton der Tour absolviert 3.383 Kilometer. Er hat dabei keine Unterstützung seiner Teamkollegen, sondern wird alleine, hinter dem Rennkonvoi, fahren. Er wird keine Ruhetage zur Erholung haben, keinen Teambus, kein Teamhotel, keine Mechaniker. Sein Ziel: die Champs-Elysées in Paris am 18. Juli vor dem Tour-Peloton zu erreichen.
Mortons Ritt durch Frankreich soll auch eine Hommage an die ersten Ausgaben der Tour de France sein. Er will an die Zeiten erinnern, in denen die Etappen in der Morgendämmerung begannen und Hunderte von Kilometern andauerten. Als die Fahrer ihre Räder noch selbst reparierten und an Kontrollpunkten überwacht wurden.
Logistische Herausforderung
„Ich denke einfach, dass diese Ära des Radsports wirklich aufregend war“, sagt Morton. „Damals wollte der Tour-Direktor im Grunde nur einen Finisher, es war also ein völlig anderer Sport als heute. Der Umfang und die Größe der Etappen waren damals wirklich inspirierend.“ Ultracycler Diseviscourt ist von der Idee angetan – auch er spielte in der Vergangenheit mit den Gedanken, ähnliches durchzuziehen. „Es gibt leider kein Rennen, das auf diese Art und Weise organisiert wird. Man muss alles selbst auf die Beine stellen. Momentan fahre ich lieber noch Rennen“, erklärt Diseviscourt, warum er diese Idee noch nicht umsetzte. „Ich finde die Rennen von früher einfach viel authentischer. Es war wirklich ein Rennen rund um Frankreich, man hatte auch Übergangsfahrten, die man im Flugzeug oder in der Bahn absolvierte. Klar, es ist schwer, die Rennen von damals mit der Tour von heute zu vergleichen. Der Rennrhythmus ist ein anderer, auch das Material ist nicht mehr vergleichbar.“
„Es sind lange Strecken, die er jeden Tag bewältigen muss“, sagt der Luxemburger. „Aber das wird ihm keine Probleme bereiten. Es hängt auch davon ab, was er alles mit sich rumschleppt – das Rad wird auf jeden Fall schwerer sein. Wenn er etwa zwölf Stunden am Tag fährt, dann wird er auch seine Schlafpausen bekommen. Das ist wichtig.“ Diseviscourt weiß, dass sich Morton ziemlich genau auf sein Vorhaben vorbereitet haben muss. Schlafplätze, Einkaufmöglichkeiten und Wasserversorgung müssen im Voraus geplant werden. „Die Strecke wird genau analysiert. Wenn er gut vorbereitet ist, dann wird er es schaffen. Ich denke nämlich, dass die schwierigste Aufgabe für ihn die Logistik sein wird.“
Vor seinem Start in der Bretagne zeigte sich Morton jedoch bestens vorbereitet. „Wir mussten uns wirklich damit beschäftigen, wie wir nicht in Straßensperrungen oder den Konvoi geraten. Aber ich denke, es wird unweigerlich passieren. Die größte Herausforderung ist das selbsttragende Element. Ich werde alles mitnehmen, was ich brauche. Kleidung, Biwak, Matratze und Schlafsack, plus eine Kochausrüstung.“ Über ein Live-Tracking auf www.alttour.ef.com kann man den Australier verfolgen. Gespannt wird man sein dürfen, ob er es rechtzeitig auf die Champs-Elysées schaffen wird – oder ob Caleb Ewan, Tim Merlier und Peter Sagan nicht doch vor ihm über die Ziellinie fahren.
„Dizzy“ plant neuen Weltrekord
Nach seinem 24-Stunden-Weltrekord im letzten Jahr peilt Ralph Diseviscourt die nächste Bestmarke an. 2021 möchte „Dizzy“ den Weltrekord über 1.000 Kilometer auf der Bahn knacken. Am 24. und 25. Juli wird er im offenen Velodrome in Rochefort (B) versuchen, die 2.500 Runden à 400 Meter schnell wie möglich zu absolvieren. „Nach dem Weltrekord im letzten Jahr habe ich Verbesserungspotenzial gesehen. Ich möchte für die 1.000 Kilometer unter 24 Stunden bleiben – das wird eine harte Nuss, ist aber insgeheim mein Ziel.“
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