Tageblatt: Ben Gastauer, auch in diesem Jahr sollte es mit Ihnen und dem Giro nicht so laufen, wie Sie sich das vorgestellt hatten. Haben Sie die Italien-Rundfahrt dennoch verfolgt oder boykottiert?
Ben Gastauer: Den ersten Teil der Rundfahrt habe ich gesehen, den zweiten nicht mehr. Ich habe immer geschaut, was das Team gemacht hat und wie es für uns lief. Ich saß zwar nicht den ganzen Nachmittag vor dem Fernseher, aber das Rennen an sich habe ich schon verfolgt. Ich war neugierig, was dort passiert. Zwar war ich selbst sehr enttäuscht, dass ich nicht starten konnte, aber das ist Sport. Schlussendlich habe ich einige gute Erinnerungen an den Giro – auch wenn es die letzten drei Jahre nicht sehr gut lief.
Konnten Sie in den letzten Wochen zurück auf das Rad steigen?
Leider ist mein Problem immer noch nicht verheilt. Ich hatte grünes Licht vom Arzt erhalten und konnte lockere Ausfahrten machen. Doch das Problem kam zurück. Ich sitze nun seit zwei Wochen nicht auf dem Rad und warte, dass es besser wird. Insgesamt saß ich, mit Ausnahme von vier Tagen, eineinhalb Monate nicht mehr auf dem Rad. Die Ärzte sind aber optimistisch, dass es heilen wird. Ich muss nur warten, dass es vollständig geheilt wird und nicht, dass es wiederkommt, wenn es wieder auftritt. Ich war lange zu Hause und konnte also kein Rad fahren. Das ist nicht einfach.
Ein wenig gefreut haben wird es sicherlich Ihre Familie …
Das ist die positive Seite. Meine Kinder freuen sich und meine Tochter hat schon gesagt, dass ich nie wieder weggehen soll (lacht). Man muss in einer solchen Situation von den positiven Sachen profitieren. Es ist gut für die Moral, dass ich nicht ständig an mein „Radfahrer-Leben“ denken muss. Das tut mir gut und auch der Familie.
Die Landesmeisterschaften werden Sie also nicht bestreiten?
Ich hoffe, das ich vielleicht in zehn Tagen auf dem Rad sitzen werde. Wann ich aber wieder Rennen fahren kann, weiß ich nicht. Bei den Landesmeisterschaften bin ich aber sicher nicht dabei.
Heißt auch, dass es für Olympia sehr eng werden könnte.
Ich denke, dass andere Fahrer eine bessere Vorbereitung als ich hatten. Es ist eine sehr große Enttäuschung, dass ich nicht mal versuchen kann, eine Form für die Olympischen Spiele aufzubauen. Für mich war Olympia ein großes Ziel, da wollte ich unbedingt mal dabei sein. Ich wusste natürlich auch, dass Tokio meine letzte Chance ist. Mit dem Giro wollte ich mich für Olympia empfehlen, das waren meine zwei großen Ziele für die Saison. Die ganze Arbeit im Winter und in der Vorbereitung war umsonst. Mental war ich in den letzten Wochen nicht gut drauf. Jetzt habe ich wieder Motivation, aufs Rad zu steigen, um zu zeigen, was ich kann. Insgesamt ist es für mich eine neue Situation. Letztes Jahr hatte ich mir zum Ende der Saison das Schlüsselbein gebrochen. Ich wurde operiert und alles ging sehr schnell. Nun sind wir aber mitten in der Saison und niemand konnte mir sagen, wie mein Problem weggeht. Erst war es gut, dann wieder nicht. Das war nicht einfach, das alles zu akzeptieren.
Haben Sie schon eine Idee, wie der Rest der Saison aussehen könnte? Wäre die Vuelta eine Option?
Ich weiß nicht, ob die Vuelta eine gute Idee ist. Ein Rennen über drei Wochen mit Sitzproblemen zu fahren – das muss man später sehen. Ich habe momentan keine Vorstellung von meinem Rennprogramm. Ich muss schauen, wie es weitergeht. Doch das Problem ist, dass mir die Zeit ein wenig wegläuft. Mein Vertrag läuft aus und es ist schwierig, Werbung für sich zu machen, wenn man keine Rennen fährt. Mein Ziel lautet momentan nur, so schnell wie möglich wieder auf dem Rad zu sitzen.
Haben Sie sich bereits Gedanken über ein mögliches Karriereende gemacht?
Zu Beginn dieser Saison war ich sehr motiviert. Das war in den letzten Wochen etwas schwieriger. Aber sobald ich wieder auf dem Rad sitze, wird die Motivation kommen. Ob ich nun einen neuen Vertrag bekomme oder mich bei anderen Teams umschauen muss, spielt momentan keine Rolle. Da konzentriere ich mich nicht drauf. Aktuell macht die Mannschaft mir keinen Druck. Sie lassen mir Zeit und unterstützen mich. Ich weiß, dass ich nicht mehr der Jüngste bin und dass das Team Resultate möchte. Ich weiß auch noch nicht, wie der Plan des Teams für nächstes Jahr aussieht. Stand jetzt ist, dass sie mir auf jeden Fall helfen, schnell wieder auf das Rad zu steigen. Und das ist mein erstes Ziel.
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