Statt einer essentialistischen Definition ziehe ich hier eine Typologie vor und möchte, so wie Michael Walzer von Sphären der Gerechtigkeit gesprochen hat, von Sphären der Integration sprechen. Ich erhebe dabei keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit, noch soll mit der Reihenfolge der Auflistung irgendeine Hierarchisierung aufgedrängt werden. Auch wäre noch viel mehr zu sagen als das, was ich hier sage.
Beginnen wir mit der politischen Integration, die darin besteht, Menschen, direkt oder indirekt, am politischen Entscheidungs(findungs)prozess teilnehmen zu lassen. In Luxemburg darf jede Person, die die luxemburgische Staatsangehörigkeit besitzt und 18 Jahre alt ist, an den Legislativwahlen teilnehmen – ich lasse kleinere Hinderungsgründe aus. Ob man schwarz oder weiß, männlich oder weiblich, hetero- oder homosexuell, usw. ist, spielt dabei keine Rolle.
Jetzt wird jemand sagen: Das genügt nicht, sondern jede betroffene Gruppe muss auch im Parlament mit einer oder mehreren Personen repräsentiert sein. Wer das sagt, verlangt, dass wir uns wieder dem Modell des Ständestaates zuwenden – also dass wir reaktionär werden –, bloß dass wir dann einen Genderstaat hätten – wenn wir hier nur die Genderunterschiede berücksichtigen. Wir könnten eine bestimmte Sitzzahl für Frauen, Menschen aus der LGTBQIA+-Gruppe, Arbeiter, Menschen mit einer Behinderung, Leute aus der Privatwirtschaft, usw. reservieren. Wir „könnten“, aber bevor wir die politische Integration bis dahin treiben, sollten wir uns zunächst überlegen, ob es absolut notwendig ist.
Humor kann man nicht erlernen. Streitkultur schon. Liebe Frau Schmitt. Ich könnte Sie anpöbeln, wie Sie es mit Ihren Gegnern tun und Sie eine humorlose, weiße Frau nennen. Aber noch hege ich die zarte Hoffnung, dass wir uns wenigstens gegenseitig zuhören können. Es hakt. Da haben Sie leider recht. Es hakt an Ihrem Humor und an demjenigen Ihrer Gesinnungsgenoss**Innen*Inninnen- und -innungen. Sie schleudern Zornesblitze von Ihrem Gender-Olymp gegen alle Ungläubigen. Der Vatikan braucht Menschen wie Sie. Auf eine Satire antworten Sie mit einer Enzyklika gegen den weißen Mann, gegen dieses ruchlose Täter-Kollektiv. Heuern Sie ansonsten bei der NY Times an. Die schreibt seit Kurzem „white“ klein und „Black“ groß. Erhaben! Petit rappel: Satiren sind cum grano salis zu lesen, der Begriff „Satire“ ist keineswegs der Name des neuesten Produkts aus der Vegan-Essabteilung, sondern eine altgediente, textbasierte Art der Kommunikation, die auf gegenseitiger Einsicht und gegenseitigem Humor basiert. Ich nehme mich nicht so ernst, als dass ich anderen Menschen vorschreibe, wie sie zu sprechen und zu schreiben haben. An Ihrer Seite, Frau Schmitt, kämpfe ich gegen jede Art der Ausgrenzung, ob ethnischer, sozialer oder religiöser Art. Das Streben für mehr Gerechtigkeit darf sich jedoch nicht auf sekundäre Schlachtfelder wie die uns allen gemeinsame Sprache verlegen, sondern muss an den realen Zuständen ansetzen. Zudem darf man über dem Einsatz für Minderheiten nicht vergessen, dass es eben auch noch Mehrheiten gibt. Sahra Wagenknecht hat diese neo-linke Selbstgerechtigkeit kürzlich in der faz skizziert. Ihr Hass auf den weißen Cis-Mann - welch eine spießig-ungelenke, hohle Vokabel - ist sprichwörtlich. Indem Sie Gift und Galle, ja Ihr weißenfeindliches Anathem auf uns vermeintlich hetero-normative weiße Männer schmettern, gehen Sie munter hinter den Universalismus der Menschenrechte zurück. Damit sind Sie als reaktionär ausgewiesen. Thema „Kolonialismus“: Ich schlage vor, dass Sie oder einer Ihrer Mitstreiter zu uns ans Gymnasium kommen und dass wir gemeinsam eine Kursreihe über die Gräuel etwa der deutschen Kolonialgeschichte, aber auch über die rezenten Aufarbeitungs- und musealen Restitutionsprojekte anberaumen. Dann könnten wir in Form einer Fußnote auch über innerafrikanischen Rassismus reden, bei dem kein einziger weißer Mann beteiligt ist, sondern der sich jeden Tag auf dem vergessenen Kontinent abspielt. Etwa zwischen manchen (!) Nordafrikanern, die sich für Vertreter einer Herrenrasse halten und Menschen aus Kamerun z. B., die zumindest verbal einem Ausgrenzungsgestus gegenüberstehen. Rassismus ist eben nicht das Privileg des weißen Mannes, obwohl er in dieser Disziplin traurige Höchstleistungen zustande brachte. Zum Gendern: Warum diese krampfhafte Fokussierung auf sexuelle Identität? Sind Vorstellungen über sexuelles Selbstverständnis derart wichtig, dass wir darüber das uns Verbindende vergessen wollen? Stehen wir alle morgens auf und fragen uns, ob wir Mann, Frau, beides zugleich, nichts von beidem, etwas dazwischen oder alles gleichzeitig sind? Wohl nicht. Diese Diskurse sind ein Symptom westlicher Wohlstandsproblematik. Manche Hipster aus der kaviarlinken oder grünlich-pseudoliberalen Ecke, von Beruf Sohn oder Tochter und mit der eigentlich wichtigen Währung, nämlich Zeit, ausgestattet, fragen sich, wie man einen ideologischen Kampf gegen die Mehrheitsgesellschaft austragen kann. Da, schau, fand man eines Tages die Sprache. So wie Sprache ehedem als Mittel der Ausgrenzung fungierte (Neger, Führer, Untermensch …), so soll sie nun herhalten als Spielwiese für Inklusionsmärchen. Ich bin für Inklusion, aber bitte überfrachten Sie die Sprache damit nicht. Reden und schreiben Sie, wie Ihnen der Mund gewachsen ist, aber missionieren Sie nicht. Niemand, dem an einem friedlichen Miteinander gelegen ist, kann ernsthaft wollen, dass Sprache zum Exerzierfeld für immer neue Verletzlichkeiten und Opferchoreographien herhalten muss. Carola Rackete, eine wirkliche Heldin der Meere, will nicht „Kapitänin“ genannt werden. Das kann Sie nicht überzeugen, denn Sie wissen immer schon, wer im Recht ist, doch finde ich solche Aussagen von an sich linken Paradefiguren interessant. Die eigentlichen Tatorte sind andere, sie liegen nicht im Sprachgebrauch. Konstruieren Sie sich doch Ihren eigenen linksidentitären Idiolekt, wie etwa die Jugendsprache ein Idiolekt ist, dann können Sie subversiv und hermetisch abgeschlossen von der Allgemeinheit Ihre Posen und Possen ausleben. Spuken Sie aber nicht als wutentbrannte, wild moralisierende Gender-Tarantel durch die ohnehin schon von Horrornachrichten vollgepfropften Zeitungen. Identitätspolitik ist moralinsaures Gift. Danke übrigens dafür, dass Sie mir in Ihrer Enzyklika die Redefreiheit konzedieren, das ist gnädig von Ihnen. Ich weiß, jetzt kommt wieder die Phrase vom performativen Widerspruch. Ich kenne dieses Vokabular; anfangs der 2000er musste ich mir als junger Germanist Judith Butlers Pseudologien anhören und sie auf alle Goethes und Kleists dieser Welt anwenden. Ich lasse Ihnen die Freude an diesem akademischen Kram. Man sollte nicht einen Hass durch einen anderen ersetzen und keine Opfer- und Täteridentitäten postulieren. Das ist mir wichtig. Über den Rest gebe ich nicht vor, groß Bescheid zu wissen. Ich übe mich in Bescheidenheit. Das ist heilsamer als das ständige, polemogene Rummoralisieren, wie Sie es praktizieren. Ich schreibe niemandem vor, wie er zu schreiben und zu sprechen hat, niemandes Wille soll also dem meinigen dienen. Man zwinge mich demnach nicht, einem fremden Willen, und sei es auch nur dem fremden Willen des Genderns, zu gehorchen. Meine (weiße?) Vernunft sieht das nicht ein. Fazit: Gendern und andere scheinbar inklusive Akte der gesamten Sprachgemeinschaft von außen aufbürden zu wollen sind reine opera operata, hohle Taten, mit denen niemandem außer einer selbsterklärten Schreibtisch-Elite gedient wäre. Ich werde die Logik der Erbsünde, unter welcher der weiße Mann für Identitätslinke demütig zu leben hat, nicht zur meinigen machen. Das Angebot zum Kurs über Kolonialismus bzw. zu dessen Niederschlag in der Literatur aber steht. Mit einem Schuss docta ignorantia grüßt Sie und Ihre Drei-Sterne-MitstreiterInnnen Eric Bruch P. S.: Warum sollte der Fuchs nicht auf einmal „Wolf“ heißen? Sonst ist Ihnen die unendliche Semiose doch ein geistiger Leckerbissen, genauso wie das ständige Umbenennen … „Der Rida“ (Derrida) und der „fou Cault“ lassen grüßen!
@mart colette : Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn die von Ihnen verteidigten Werte sich wiederum auf die europäische Ideengeschichte basieren (die ich keineswegs als die einzig vertretbare betrachte!). Ein Konstrukt wie "Weltgemeinschaft" ist (westlich-)kulturell geprägt und nicht universal (es gibt nicht wenige Gesellschaften auf diesem Globus, die diese Werte und unsere damit verbundenen Auffassung des Rechts des Individuums, zB frei über seinen Körper zu verfügen, wieder als eine neo-kolonialistische Einmischung in ihre Angelegenheiten sehen würden). Im Grunde bestätigen Sie Herrn Campagnas Argumente eher als dass Sie sie entkräften. "Streit" gibt es lediglich um die Referenzfiguren...
Wieder ein sehr guter Artikel! Leider sind - wie man an manchen Kommentaren sieht - viele Menschen schon so sehr von der Cancel Culture beeinflusst, dass sie philosophische Gedankengänge nicht objektiv lesen können
Madame Mart, Ech sutz am Jury vun Dokterthesen vun schwaarzen Studenten dei sech op weiss Philosophen beruff hunn an zwar am positive Senn. An liest emol Hannah Arendt an aaner Philosophinnen. Si sinn sech deem bewosst, wat esouguer beis weiss Maenner zur Kulturentwecklung beigedroen hunn.
@Mart Colette Genau! Toni Morisson, Audre Lorde, oder och den James Baldwin.
@CDS:All jene humanistischen, toleranten Ansichten in Ehren , aber auch die werden am „ homo homini lupus“ scheitern..“ D‘Zaiten äenneren sech net“ , mit der Erfahrung eines Krieges 40-45, die Kehrseite des Menschen, das Grausame, Unverständliche nach Außen gekehrt, ein Volk der Dichter und Denker zu Mördern, Folterer wurde , den befreienden 68 ziger , den folgenden Krisen,Kriegen hat die Menschheit nichts dazugelernt,dreht sich noch immer im Kreise von Gewalt, Macht,....In unserer Seifenblase der verkennenden Realitäten, träumen wir schön weiter von einer besseren Welt, bis diese wieder zerplatzt und uns etwas Besseren belehrt.
Nee. Di schwaarz Fraen a Männer, déi sech gewiet hun, hu sech net op d‘Werter vu Weissen bezunn. Sie hun aus enger Détresse eraus gehandelt a sech géint Mord, Versklavung an Ernidregung gewiet. Mam Ziel fir hiet Liewen an hier Famill ze protégéiren. Natiirlech ginn et Ausnahmen . Referenz an deser Fro ass fir mech d‘Toni Morisson zum Beispiel , an net weiss Philosophen, déi Sklaverei a Kolonialismus matgedroen hun. Déi hu ledeglech Meriter an der Evolutioun vun de weisse Gesellschaften . Awer net um Niveau vun der Weltgemeinschaft an der Kommunikation tëschent alle Kulturen.
Liest mein Beitrag emol genau. An soot iech, dass dei schwaarz Fraen a Maenner, dei sech iwwerall geint dei weiss. Herrschaft erhuewen hunn, sech op Werter bezunn hunn, dei dei Weiss entweckelt hunn, Ma soit, komm mier loossen dann jidferengem seng Traditiounen an haale mer de Mond wann jonk Meedercher exciseiert ginn, asw, Kommt mier loossen all Kultur hier Waerter opsteellen, Wann En islameschen Fundamentalist Ierch heiert, dann seet hien sech och vleicht: d’Persoun CDS huer Angscht vierum Wandel an faert eng Gesellschaft wou d’Fraen totel vermummt sinn. Waat kann een Relativist wei Dier een sidd him aentwerten? Dass an ann d’ Wueste soll goen’ wei Der mech an dCampagna schecke welt?
Hui do ass een Beleidegt. Ganzt einfach Géigenargument Här Campagna: Jo, Demokratie an liberal Theorien waren propagéiert vu priviligéierten wäisse Männer. Mee, wat wär wann Fraen, net cis, net wäis Leit och hätten kéinten matschwätzem? Dir verstidd also, dass do e Problem ass, un Traditiounen festzehaalen, déi just eng Säit vu Leit prioritiséiert? Europäesche Colonialismus ass jo ëmmerhinn vun wäisse Männer erfonnt ginn, oder? Ass et net och dem Philosoph seng Aufgab, alles a Fro ze stellen? An jein: “[...] nur ist es halt so, dass es in den vergangenen Jahrhunderten so war, dass es weiße, meistens heterosexuelle, Männer waren, die große Kunst und Wissenschaft produziert haben. Das hat aber nichts damit zu tun, dass solche Männer an sich besser sind, sondern damit, dass Frauen nicht dieselben Ausbildungsmöglichkeiten hatten.” Definéiert “große Kunst und Wissenschaft” - Och Fraen hunn immens literaresch Wierker produzéiert. De Problem ass den westlechen Kanon, deen natierlech decidéiert gëtt vun... wäiss Männer. Et ass Wëssenschaft a Konscht déi novir bruecht ginn ass, well Männer et ënnert sech verbreed hunn. Virginia Woolf huet Meeschterwierker produzéiert, ouni accès op héij Unien (ausser Frae-spezifesch) ze hunn (‘A Room of One’s Own’). A wéisou gëtt zu Lëtzebuerg net iwwert Marie Henriette Steil geschwat? Hat huet e (magesche) Realismus geschriwwen deen mat de Recht vun der Welt konkuréiren konnt - eng Schrëftstellerin méi grouss fir mech wéi verschidden vun den groussen Natiounsdichter. Ween grouss ass oder net ass Subjektiv. Zäiten an Traditiounen änere sech, Här Campagna, dir hutt just Angscht virun Wandel. Villäicht ass et Zäit an d’Campagna ze goen an iwwert sech selwer nozedenken (ha!).